In anderen Gemeinden ist das alle fünf Jahre ein einmaliger Punkt auf der Tagesordnung der konstituierenden Sitzung des Rates: Wahl der Ausschussmitglieder. In Bad Kreuznach steht das gefühlt alle paar Monate an. Grund sind die unzähligen Fraktionswechsel einzelner Ratsmitglieder. So wurde Wolfgang Kleudgen als Kandidat der Linken gewählt, wechselte dann zu den Christdemokraten, um im Juni 2018 zur FWG zu stossen. Er bildet jetzt dort mit Karl-Heinz Delaveaux eine Fraktion. Und aktuell trat Ratsfrau Birgit Ensminger-Busse aus der FDP-Fraktion aus und möchte in die CDU-Fraktion rein. Folge: die Stärkeverhältnisse der Fraktionen im Stadtrat änderten sich erneut.
Nach Jürgen Locher (Linke) ist jetzt auch Jürgen Eitel (FDP) nur noch Einzelkämpfer und keine Fraktion mehr. Für diesen Fall sagt die Gemeindeordnung klipp und klar: die Mitglieder aller Ausschüsse müssen neu gewählt werden. Denn entscheidend ist nicht das (nicht mehr veränderbare, von den Bürgerinnen und Bürgern bestimmte) Wahlergebnis, sondern das Verhältnis der (von den Stadtratsmitgliedern praktisch jederzeit und willkürlich zu beeinflussenden) Grösse der Fraktionen zueinander.
Rechtskonforme Neubesetzung
Auch die ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, früher Bezirksregierung) drängt auf eine rechtskonforme Neubesetzung. Denn die Aufsichtsbehörde in Trier hat vor allem die juristischen Konsequenzen im Focus: sind die Ausschüsse nämlich nicht so besetzt, dass sie das jeweils aktuelle Verhältnis der Fraktionen zueinander in den Ausschüssen soweit wie möglich abbilden, könnten betroffene Bürgerinnen und Bürger und Kommunalpolitiker Entscheidungen erfolgreich anfechten: das bedeutet Arbeit für die ADDler und / oder Verwaltungsgerichtsprozesse ohne Ende.
Feind, Totfeind, Parteifreund
Derart rechtstheoretische Probleme interessieren die lokalen Politikgrössen allerdings weniger. Die haben bei den jetzt anstehenden Neubesetzungen ganz andere Sorgen. Der Volksmund beschreibt es so: Feind, Totfeind, Parteifreund. Will sagen: die Eigendynamik in politischen Gruppen und Parteien führt immer wieder zu neuen Allianzen und Seilschaften. Und auch persönliche Interessen und Einschätzungen verändern sich. Der eine möchte unbedingt in diesem Ausschuss dabei sein, die andere in jenem Aufsichtsrat. Gerade für die grossen Fraktionen ist die Entscheidungsfindung oft sehr schwierig und zu Beginn der Legislaturperiode naturgemäss leichter als gegen Ende.
Im Ausschuss = im Fenster
Die zeitliche Nähe zur Kommunalwahl im Mai 2019 vergrösstert das Problem noch: drei Ausschüsse, der Planungs-, der Haupt- und der Finanzausschuss tagen fast jeden Monat öffentlich. Andere Ausschüsse nur ein oder zwei Mal im Jahr, Aufsichtsräte grundsätzlich nur nichtöffentlich. Wer sich also vor der Wahl ins Fenster stellen möchte hat dazu in den drei Ausschüssen beste Gelegenheit. Entsprechend beliebt sind die wenigen Plätze dort.
Wenn also der Stadtrat am 30.8.18 nach zweieinhalb Monaten Sommerpause wieder zusammentritt hat er gleich viel zu tun. Und damit das nicht wie früher schon passiert in einem Fiasko endet trifft sich am Montag den 13.8.18 eine illustre Runde auf Einladung der Oberbürgermeisterin zu einer – natürlich nichtöffentlichen – Vorbesprechung: “Die Fraktionsvorsitzenden und alle für die Wahl der Ausschüsse Vorschlagsberechtigten werden zu einem Gespräch … um 16:00 Uhr im Else – Liebler – Haus gebeten.”
(Quelle Grafik und Einladung: Stadtseite bad-kreuznach.de)