Da haben sich am vergangenen Wochenende einige Kommunalpolitker verwundert die Augen gerieben: auf der Tagesordnung des Planungsausschusses für den 9.8.18 (die seit dem 3.8.18 auf der bad-keuznach.de veröffentlicht ist) steht ein FDP-“Antrag”. Dieser ist in der Anlage auch beigefügt und datiert vom 17. Juli 2018: “TOP 15; Antrag der FDP-Fraktion und Anfrage des Ortsbeirates BME betr. Kostenermittlung der Beleuchtung obere Burgstrasse, Drucksachennummer 18/261”. Juli? FDP? Da war doch was … Ja richtig. Birgit Ensminger-Busse, eines der beiden liberalen Stadtratsmitglieder, hatte nach Mitteilung der FDP am 9.7.18 ihre dortige Mitgliedschaft gekündigt. Ihr Stadtratsmandat, dass sie 2015 als Nachrückerin für den direkt gewählten Dr.med. Walter Görtz übernommen hatte, werde sie in ihre neue politische Heimat, die CDU, mitnehmen, so die in Bad Münster lebende Ratsfrau (Quelle: Allgemeine Zeitung vom 12.7.18).
Und die CDU hatte schon damals ihre Aufnahmewilligkeit deutlich erklärt. Für den Fraktionsstatus, der zwingende Voraussetzung für das Stellen von Anträgen ist, sind mindestens zwei Ratsmitglieder erforderlich. Durch den Austritt Ensminger-Busses ist Jürgen Eitel jetzt aber ein Einzelkämpfer. Wie Jürgen Locher von den Linken. Der leidet, seit dem Wolfgang Kleudgen samt Ratsmandat erst zu CDU und dann zur FWG wechselte, unter der “Antragsunfähigkeit”, die die kommunalpolitische Arbeit sehr behindert. Während der kommunalpolitische Singlestatus Lochers auf der Stadtseite korrekt dokumentiert ist wird die FDP immer noch als Fraktion angegeben (siehe Screenshot der Stadtseite vom 3.8.18) und Birgit Ensminger-Busse als Fraktionsmitglied der FDP und nicht der CDU aufgeführt.
Radio Eriwan: im Prinzip ja …
In diesem Punkt handelt die Stadtverwaltung nachvollziehbar korrekt. Denn die CDU entscheidet erst in ihrer Sitzung vor der Stadtratssitzung am 30.8. über die Aufnahme. Auch gibt es keinen Automatismus, der in Folge eines Parteiaustrittes einen Fraktionsaustritt nach sich zieht. Letzterer muss gesondert erklärt werden. Und ein Austrittsschreiben Ensminger-Busses aus der FDP-Fraktion liegt im Stadthaus nicht vor. Das wird sich jetzt aber schnell ändern. Auf Anfrage dieser Seite gab Birgit Ensmingers-Busse heute an eine entsprechende Erklärung “noch diese Woche” im städtischen Hauptamt vorzulegen. Die Antwort auf die Frage in der Überschrift ist also ein entschiedenes “Jein!”. Oder, wie Radio Eriwan es formuliert hätte: Im Prinzip ja, aber nicht mehr lange.
Streit vergeben und vergessen
Mit dem Übertritt zur CDU-Fraktion ist dann auch ein Vorfall aus dem Dezember 2015 vergeben und vergessen. Damals war zunächst in einer Stadtratssitzung ein Streit entstanden, der später eskalierte. Die Allgemeine Zeitung berichtete darüber am 23.12.15 unter der Überschrift “Streit nach nicht-öffentlicher Sitzung eskaliert / Klopfer beleidigt Anheuser, der stürzt sich zornig auf Birgit Ensminger-Busse”:
“Die Weihnachtsfeier des Stadtrats ist friedlich und gesittet verlaufen. Das muss besonders erwähnt werden, weil es in der Sitzung tags zuvor fast zu Handgreiflichkeiten gekommen ist. Die Episode spielte sich allerdings nach dem Ende des nicht-öffentlichen Teils ab, als kein Pressevertreter mehr im Casino-Gebäude war. Der strittige Punkt war die Verlängerung des Mietvertrags mit Stadtrat Karl-Heinz Delaveaux. Wie berichtet, will die Stadt den Mietvertrag für das “Täubchen” nicht verlängern, in dem das städtische Sozialamt untergebracht ist – und so lautete dann auch der mehrheitlich gefasste Beschluss. Auch CDU-Mitglieder stimmten ihm zu. Für Delaveaux, der sich nach den letzten Kommunalwahlen als FWG-Mann der CDU-Fraktion angeschlossen hatte und sich damit als Teil der großen Koalition betrachtet, war das natürlich eine Enttäuschung.
Miete versprochen?
Ihm sprang Werner Klopfer (Bürgerliste) zur Seite, der nach dem Beschluss an CDU-Fraktionschef Peter Anheuser vorbeilief und ihm vorwarf, gegenüber Delaveaux gemachte Versprechen zu brechen. Anheuser habe dem FWG-Stadtrat nach den Kommunalwahlen zugesagt, die Stadt werde das “Täubchen” weitere zehn Jahre anmieten , wenn er sich der CDU anschlösse. Anheuser reagierte auf diesen Vorwurf entrüstet. “Drecksack!” habe er gerufen, so seine Variante. Andere – wie FDP-Stadträtin Birgit Ensminger-Busse – berichten, Anheuser habe “Du Drecksack, du dreckiger!” gebrüllt. Daraufhin sei sie aufgestanden und habe demonstrativ die Sitzung verlassen. So wolle sie keine Politik machen, habe sie gesagt. Daraufhin habe ihr SPD-Stadtrat Günter Meurer zugerufen, sie beleidige den Stadtrat.
Die Sitzung war nach diesem Beschluss zu Delaveaux beendet, sie habe dann in einem Nebenraum mit CDU-Stadtrat Manfred Rapp gesprochen und ihm gesagt, dass sie gar keine Lust mehr auf die Weihnachtsfeier am folgenden Tage habe. Daraufhin habe SPD-Stadtrat Hans-Dirk Nies sich zu ihr gesellt und habe versucht, sie zu beruhigen. Sie habe ihm gesagt, dass es ihrem Demokratierverständnis zuwiderlaufe, dass die große Koalition ohne Rücksicht auf Sachargumente ihre Entschlüsse “durchboxe”. Aber das sei eben Demokratie, habe Nies gesagt: dass Mehrheiten Entscheidungen träfen.
Sie habe geantwortet, das habe doch mit Demokratie nichts zu tun, schon Erich Honecker habe sich das demokratische Deckmäntelchen in der DDR umgehängt. Diesen Satz, den sie zu Nies sagte, bekam nun Peter Anheuser mit, der sich im Nebenzimmer ein Würstchen geholt hatte. Der sprang aus seinem Rollstuhl auf und stürzte wutentbrannt auf Birgit Ensminger-Busse zu. “Ich dachte schon: Huch, ich kann ja Lahme gehend machen”, kann die FDP-Stadträtin schon wieder scherzen. Anheuser habe nur von Nies und ein paar anderen Ratsmitgliedern gestoppt werden können. Ihr sei dann zugeraunt worden, sie solle besser hinausgehen. Sie sei so entsetzt gewesen, dass sie mit dem Gedanken spielte, ihr politisches Engagement im Stadtrat an den Nagel zu hängen.
Auf der Weihnachtsfeier am Tage danach sei es zwar wieder entspannt gewesen, doch sei dann ausgerechnet die CDU-Vorsitzende Anna Roeren-Bergs auf sie zugekommen und habe ihr gesagt, sie müsse wegen des Honecker-Vergleichs mit Strafanzeigen rechnen.
“Das ist Demokratie”
Peter Anheuser hat sich mittlerweile wieder beruhigt. Der Vergleich mit der DDR habe ihn zornig gemacht, denn undemokratisches Verhalten lasse er sich nicht vorwerfen. Im Stadtrat würden Mehrheitsentscheidungen gefällt, und “das ist Demokratie”.
Und auch Delaveaux müsse sich ja gar nicht um seine Mieteinnahmen sorgen, wenn er denn die Mängel an seinem “Täubchen” beseitigen lasse. Er sei sicher, dass die Stadt ihm ein weiteres Mietangebot machen werde. Es werde vielleicht kein Vertrag mehr über fünf Jahre sein. Denn berücksichtigen müsse Delaveaux schließlich auch, dass es mittlerweile konkurrierende Angebote gebe: die dritte Etage im Telekom-Gebäude beispielsweise oder auch das bald leer stehende Justizgebäude in der Hofgartenstraße, Ecke Stromberger Straße.”