Spaziergänge verboten: wie reagieren die Spaziergänger*Innen?

Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

7.500 Euro muss ein russischstämmiger Rentner zahlen, dem gerichtlich Fehlverhalten bei einem genehmigten “Spaziergang” im vergangenen Jahr nachgewiesen wurde. Bis zu 500 Euro sollen jene 78 Personen berappen, die am vergangenen Montag in der Mannheimer Strasse polizeilich erfaßt wurden. Der Staat macht damit klar: wer sich trotz Verbot nicht an die geltenden Regeln hält, wird bestraft. Die Frage ist jetzt, wie die heterogen zusammengesetzte Gruppe der “Spaziergänger*Innen” damit umgeht. Kommen sie auch heute Abend wieder zu hunderten friedlich in die Stadt, trotz Kontrollrisiko?

Oder suchen sie einen anderen Weg, um ihren Protest gegen geplante Zwangsimpfungen und andere Corona-Schutzmaßnahmen öffentlich auszudrücken? Die aktuelle Omikron-Welle, mit der Staat und Stadt teilweise erhebliche Einschränkungen begründen, soll nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums erst in etwa einem Monat abflauen. In dieser Zeit soll auch die Impfpflicht-Debatte geführt und entschieden werden. Auswirkungen auf die OB-Wahl am 13. März 2022 sind eher unwahrscheinlich. Denn auch die drei Mitbewerber*Innen von Amtsinhaberin Dr. Kaster-Meurer sind Befürworter der geltenden Coronaschutzmaßnahmen. In den Wahlurnen könnte sich der Protest also nur mit ungültigen Stimmen ausdrücken.

Denn die schon immer hohe Nichtwähler*Innenquote würde / wurde – leider – von den Verantwortlichen und der Öffentlichkeit noch nie wahrgenommen. Ob die bei 60 oder gar 70% liegt, hat leider keine gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen. Das wäre sicherlich anders, wenn sich bei der OB-Wahl die Quote ungültiger Stimmen von 0,5% auf fünf oder mehr erhöhen würde. Ungültig werden Stimmzettel zum Beispiel dadurch, dass Kommentare darauf geschrieben werden. “Alle 4 nicht meine Wahl” etwa. Da beim Auszählen, das gesetzlich garantiert öffentlich geschieht (da darf jede(r) mit dabei sein und zuschauen), in über 30 Wahlbezirken zusammen mehrere hundert Menschen Augenzeugen sind, könnte ein entsprechender Wahl-Protest nicht vor der Öffentlichkeit geheim gehalten werden.

Ungültig wählen ist daher in jedem Fall ein klareres politisches Zeichen, als der untaugliche Protestversuch durch Nichtwählen. Zumal die Ungültig-Wähler*Innen den politisch Aktiven glaubwürdig signalisieren: wir sind bereit zu den Urnen zu kommen, wenn uns ein entsprechendes Angebot gemacht wird. Da Nichtwähler*Innen dieses demokratische Mindestsignal nicht aufbringen, sind sie für Kandidat*Innen egal welcher politischen Couleur eher uninteressant. Wer aber als Ungültig-Wähler*in deutlich macht, nur auf das richtige Angebot zu warten, darf optimistisch darauf hoffen, dass es dazu kommen wird. Wie die letzte Kommunalwahl gezeigt hat, reichen schon 1,6% der gültigen Stimmen für einen Sitz im Stadtrat. Gäbe es bei der OB-Wahl 5 oder gar 10 % ungültige Stimmen, würde dies zwangsläufig erhebliche politische Aktivitäten auf kommunaler Ebene auslösen.

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