Aufgespiesst: Bouffleur protestiert gegen Blechschmidt’s “120 dB(A)”

Gestern Abend tagte der Stadtrat erneut als Videokonferenz. Demokratie bedeutet gemeinhin u.a., dass alle Bürger*Innen den selben Zugang zu Informationen und Entscheidungen haben, etwa unabhängig vom Geldbeutel. Das ist bei Videokonferenzen unter der Ägide von Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer (SPD) noch nie so gewesen. Wer nicht technisch versiert ist, wer nicht über eine hochwertige Ausstattung verfügt, bleibt aussen vor. Von den unfassbaren Pannen und Pleiten der von der Stadt eingesetzten Software mal ganz abgesehen. Gestern war Manfred Rapp eines der Opfer. Gern hätte der CDU-Fraktionsvorsitzende sich zu Wort gemeldet.

Per Telefon beteuerte er auch alles zu hören und zu sehen. Er selbst aber blieb unsicht- und unhörbar. Andere Stadtratsmitglieder beklagten Interferenzen, Störungen und Ausfälle. Die Verantwortlichen ficht das nicht an. Es wird mit untauglicher Technik ein undemokratisches Format durchgezogen. Koste es, was es wolle. Und natürlich gibt es, typisch Bad Kreuznach, eine “Sonderlösung”. Die wird im Sitzungssaal der Stadtverwaltung praktiziert. Die – rechtlich umstrittenen, weil nur per Sonderregelung zulässigen – Videokonferenzen finden ja lediglich statt, um Kontakte zu vermeiden. Genau das, massenhaft Kontakte eben, gibt es aber trotzdem.

Nicht nur bei den unzähligen Presseterminen der Oberbürgermeisterin. Auch im städtischen Sitzungssaal. Dort treffen sich nämlich alle jene Stadtratsmitglieder, die auf eine besondere Betreuung durch Verwaltungsmitarbeitende auch bei Videokonferenzen nicht verzichten möchten. Damit Jürgen Cron, Lukas Wirz und Co zu diesen Personen nicht nach hause fahren müssen, trifft man sich eben im Sitzungssaal. Neun der 44 plus 1 Ratsmitglieder waren das gestern: Wolf-Dieter Behrendt, Benno Bohsung, Wolfgang Bouffleur, Jürgen Eitel, Jörg Fechner, Nelson Prieß, Werner Lorenz, Gerhard Merkelbach und Mariana Ruhl.

Dort gibt es die Konferenz nicht etwa als Livestream. Oder zum Mithören. Die bei der Beschaffung hoch vierstellig teuren Monitore und die fünfstellig teure Lautsprechertechnik blieben aus. Wer nicht über ein Endgerät verfügt, hört und sieht auch im Sitzungssaal von der Konferenz nichts. Die Wahrnehmung der virtuell Teilnehmenden durch die Anwesenden ist sehr eingeschränkt. Und natürlich werden nicht nur juristische Regeln nicht eingehalten. Sondern auch technische Parameter überschritten. Opfer einer solchen Maßlosigkeit gestern Abend: Stadtratsältester Wolfgang Bouffleur (FDP).

Der über Achzigjährige ist mit dem Bedienungskomfort der städtischen Kopfhörer nicht so vertraut und daher nicht in der Lage die Tonlage individuell einzuregeln. Und fühlte sich so von Bürgermeister Thomas Blechschmidt beim Tagesordnungspunkt Stadthaushalt 2022 geradezu niedergebrüllt: “unerträglich” beschwerte sich der Winzenheimer über “Blechschmidt’s 120 dB(A)”. Der Kritisierte machte das, was in solchen Situationen am besten ist: er sagte nichts.