Schlosser ordnet “unmittelbaren Zwang” gegen „Montagsspaziergänge“ an

Wie aus dem Nichts begannen am 20. Dezember 2021 in Bad Kreuznach Montagsspaziergänge der Coronaschutzmaßnahmen-Kritiker. An den darauf folgenden Montagen steigerte sich die Teilnehmendenzahl schnell auf bis zu 1.000. Damit soll jetzt Schluß sein: die Stadtverwaltung hat die nicht beantragten und genehmigten Spaziergänge gestern verboten. Bereits heute wurden entsprechende “amtliche Bekanntmachungen” veröffentlicht. Ordnungsdezernent Markus Schlosser untersagt darin sowohl die Spaziergänge als auch “Ersatzversammlungen”.

Und Schlosser ordnet, das ist juristisch von besonderer Bedeutung, wörtlich die Anwendung “unmittelbaren Zwanges” samt “sofortiger Vollziehung” an. Daneben appelliert der Ordnungsdezernent an die bisher Beteiligten, sich ab sofort “rechtskonform zu verhalten und sich nicht an Spaziergängen oder Ersatzveranstaltungen zu beteiligen”. Denn wer das macht, geht zumindest ein finanzielles Risiko ein: “Zuwiderhandlungen werden mit einem hohen Bußgeld belegt”. Ein ehemaliger Polizeibeamter hatte bereits für den vergangenen Montag eine härte Gangart der Ordnungskräfte erwartet (diese Seite berichtete).

Dazu kam es auch. Allerdings in einer ganz anderen als der von ihm beschriebenen Form. Um die Teilnehmenden der auf dem Kornmarkt stattfindenden, zahlenmäßig deutlich kleineren Gedenkveranstaltung vor einer Konfrontation mit den Spaziergängern zu schützen, wurden die in ihrer Selbstbeschreibung “Unorganisierten” von Polizeikräften zu einem Umweg durch das Kurgebiet und den Kurpark gezwungen. Und es fanden einzelne Personen-Kontrollen statt. Durch das gestern angekündigte Verbot des Montagsspazierganges ist nun eine gänzlich neue Lage entstanden.

Aufgrund dieser Allgemeinverfügung, die übrigens per Widerspruch angefochten werden kann, stehen sowohl die bisherigen Spaziergänger*Innen als auch die Ordnungskräfte unter Druck. Die einen müssen auf ein ihnen lieb gewordenes Protestformat verzichten. Den anderen ist nun die Zuschauerrolle versperrt. Denn käme es ab jetzt zu weiteren Aktionen der Spazier-Protestler, stünde beim Nichteingreifen die Glaubwürdigkeit von Stadt und Polizei auf dem Spiel. Es könnte sich das sattsam bekannte Igel- und Hase-Spiel entwickeln.

Da das Teilnehmendenpotential der Spaziergänge*Innen offensichtlich mittlerweile vierstellig ist, aber schon viel kleinere Teilnehmendenzahlen zu anderen Tageszeiten und Orten öffentliche Aufmerksamkeit generieren würde, könnte die Bewegung von der Methode “Spaziergang” auf “Flashmob” umsteigen. Korrekt maskiert versteht sich. Für die Ordnungskräfte faktisch nicht zu unterbinden. Die aber könnten im Gegenzug den Erfolg verbuchen, mindestens die aufgrund der jüngeren deutschen Geschichte symbolbehafteteten “Monatsspaziergänge” den Coronaschutzmaßnahmen-Kritikern entrissen zu haben. Eine Lösung des Problems der Spaltung der Gesellschaft ist das natürlich nicht. Hier müßte die Politik liefern.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

19.01.22 – “Polizei zwingt Corona-Spaziergänger zu Umweg durch den Kurpark”
17.01.22 – “Droht den “Spaziergänger*Innen” heute Abend Ungemach?”

Die Presseerklärung der Stadtverwaltung im Wortlaut:

“Die Infektionslage im Landkreis Bad Kreuznach, die aktuell bei der 7-Tageinzidenz von 851,7 (Wert von der Redaktion dieser Seite aktualisiert) liegt, wird nochmals übertroffen, wenn man die 7-Tage Inzidenz nur für die Corona-Neufälle in der Stadt Bad Kreuznach ermittelt. Die 7-Tagesinzidenz liegt hier bei über 1000. Ein wirksamer Gesundheitsschutz ist nach Aussage aller Experten nur über eine hohe Impfquote und unter Einhaltung fester Regeln zu erreichen. Zu diesen Regeln gehört auch die Beschränkung von Kontakten und das Tragen von Masken.

Vor dem Hintergrund ständig steigender Inzidenzwerte und hoher Teilnehmerzahlen bei den sogenannten „Montagsspaziergängen“ hatte sich die Versammlungsbehörde entschieden, am Montag für die nicht angemeldete Versammlungslage der „Spaziergänger“ ein Masken- und Abstandsgebot als Auflage zu erlassen. Versammlungsbehörde und Polizei stellten eine breite Ignoranz durch die Teilnehmer am Montagsspaziergang fest. Trotz mehrfacher Ansprache trugen nur sehr wenige Teilnehmer Masken und Abstände wurden häufig nicht eingehalten.

Dies führte auch zu einzelnen Kontrollen und zur Vorlage von Anzeigen. Da ein wirksamer Gesundheitsschutz mit den Auflagen nicht erreicht werden konnte und der 7-Tage-Inzidenzwert auf einen absoluten Rekordwert angestiegen ist, bleibt der Versammlungsbehörde jetzt nur noch ein Verbot der Montagsspaziergänge im Stadtgebiet von Bad Kreuznach, um einen weiteren Infektionsherd zu unterbinden und wirkungsvolle Maßnahmen des Gesundheitsschutzes für die Allgemeinheit zu gewährleisten.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass durch Nichtanmeldung und fehlende Benennung eines Verantwortlichen der Versammlungslagen der „Spaziergänger“ keine Einwirkungsmöglichkeiten für Versammlungsbehörde und Polizei bestanden. Bei sorgsamer Abwägung der Grundrechte blieb nur noch das Verbot der Versammlungen zu Gunsten des Schutzes der Allgemeinheit vor einer weiteren Ausbreitung der Pandemie. Die in enger Abstimmung zwischen der Versammlungsbehörde und der Polizei nun erfolgte Untersagung der Versammlung darf nicht zu einer Eskalation führen.

Es ergeht daher der Appell, sich am nächsten Montag rechtskonform zu verhalten und sich nicht an den Montagsspaziergängen zu beteiligen. Die Stadtverwaltung weist ausdrücklich darauf hin, dass festgestellte Zuwiderhandlungen mit einem hohen Bußgeld belegt werden. Die entsprechende Allgemeinverfügung soll morgen in den beiden Tageszeitungen veröffentlicht werden”.

Quelle: Stadtverwaltung Bad Kreuznach