Schlechter Start für Thomas Blechschmidt

Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

Die erste Sitzungsleitung. Wenn auch nur für ein paar Minuten. Und dann gleich drei Fehler. Das kann man wohl einen kapitalen Fehlstart ins neue Amt nennen. Der nach der Sichtweise der Stadtverwaltung seit dem Jahresanfang 2022 amtierende neue Bürgermeister Thomas Blechschmidt (CDU, Nieder-Olm; gegen dessen Wahl ist eine Klage anhängig) leitete gestern Abend erstmals eine Ausschusssitzung. Nicht etwa den ihm gemäß Geschäftsverteilungsplan zugeordneten Finanz-, sondern den Planungsausschuss (PLUV). Dort war Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer bei der Beratung über einen Bebauungsplan im rechtlichen Sinne befangen und durfte daher nicht mitwirken.

Thomas Blechschmidt

Bürgermeister Blechschmidt übernahm für diesen Tagesordnungspunkt die Sitzungsleitung. § 22 der Gemeindeordnung (GemO) regelt: “Bürger und Einwohner, die ein Ehrenamt oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben, sowie hauptamtliche Bürgermeister und Beigeordnete dürfen nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung ihnen selbst, einem ihrer Angehörigen … oder einer von ihnen kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann”. Und weiter sagt das Gesetz:

“Liegt ein Ausschließungsgrund vor oder sprechen Tatsachen dafür, daß ein solcher Grund vorliegen könnte, so hat dies der Bürger oder der Einwohner dem Bürgermeister VOR der Beratung und Entscheidung mitzuteilen”. Damit tut sich ein Teil der Bad Kreuznacher Mandatsträger*Innen gerichtsbekannt schwer. Die Stadtverwaltung weist daher in den Einladungen zu Sitzungen sogar schriftlich auf diese Verpflichtung hin. Aber wer liest schon so etwas Langweiliges wie Einladungen und Beschlussvorlagen … . Die Oberbürgermeisterin hat sich gestern formkorrekt an diese Bestimmungen und ihre eigenen Aufforderungen gehalten.

Das Rats- und Ausschussmitglied Anna Roeren-Bergs (CDU) nicht. Es war der FWG / BüFEP-Fraktionsvorsitzende Karl-Heinz Delaveaux, der offen die mögliche rechtliche Befangenheit Roeren-Bergs als Landesgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) ansprach. Kommentar des sitzungsleitenden Bürgermeisters an Anna Roeren-Bergs: “bitte rücken Sie zurück”. Ein dummer, fachlich falscher Hinweis. Wenn sich Thomas Blechschmidt für Bad Kreuznach tatsächlich interessieren würde, wüßte er das auch.

Denn genau fünf Tage nach der aus seiner Sicht erfolgreichen Bürgermeisterwahl im Juni 2021 urteilte das Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz (OVG) in Sachen Tourismusbeitrag gegen die Stadt Bad Kreuznach. Und hob – bundesweit einmalig – zum zweiten Mal die Satzung für 2017 auf Antrag von Antonio Valentino auf. Hauptgrund laut Urteil: mindestens ein befangenes Ratsmitglied machte bei der seinerzeitigen Beschlußfassung im Stadtrat (um der Wahrheit die Ehre zu geben muss man sagen: auf Aufforderung der Oberbürgermeisterin) genau das: es rückte lediglich ab.

Dabei schreibt das rheinland-pfälzische Kommunalrecht seit Jahrzehnten aus einer Reihe guter Gründe vor, dass “Abrücken” eben nicht ausreicht, um die gesetzliche Vorgabe zu erfüllen. Blechschmidt zitiert also eine lange als rechtswidrig überführte Praxis, die die Stadt bereits viel (Steuer-)Geld gekostet hat. Und fördert damit die Fortschreibung eines Selbstverwaltungsunrechtes. Als dann der Tagesordnungspunkt ausdiskutiert war und es zur Abstimmung kam, wurde deutlich, dass die Frage, wer stimmberechtigtes Ausschussmitglied ist und wer nicht, vorher nicht geklärt wurde.

Auch hier liegt ein Verstoss gegen verfahrensrechtliche Vorschriften vor. Der jeweilige Sitzungsleiter hat sich natürlich VOR Beginn der Beratung davon zu überzeugen, wer berechtigt ist. Und wer nicht. Denn alle gesetzlichen Vorschriften beziehen sich zielführender Weise auf Beschlussfassung UND Beratung. Letztere fand ausgiebig statt, bevor Blechschmidt zur Abstimmung schritt und nach einem “Abstimmungstool” fragte. In dieser Phase der Ausschusssitzung meldete sich Jörg Fechner zu Wort.

Mit einem eigentlich unfassbaren Erlebnisbericht zu einem Telefonat mit Jürgen Cron vom Hauptamt der Stadt (siehe gesonderten Beitrag in der heutigen Ausgabe: “Gestern Abend offener Rechtsbruch im Planungsausschuss”). Stadtratsmitglied Jörg Fechner fragte höflich: “ich wollte nur nachfragen, ob das tatsächlich auch so ist”. Er wollte also wissen, ob die Cron-Behauptung überhaupt stimmt. Jede kompetente Verwaltungsperson in leitender Funktion hätte nach Fechners Hinweis den fatalen Fehler erkannt. Nicht so Thomas Blechschmidt.

Der ließ eine Bauamtsmitarbeiterin (die persönlich natürlich nichts für die juristische Falschauskunft kann, sondern ihren guten Namen für die Fehlleistung anderer Verwaltungspersonen hergeben mußte) die juristische Zerrperspektive aus dem Hauptamt wiederholen. Blechschmidt stellte daraufhin an Fechner gerichtet fest: “dann sind Sie heute nicht stimmberechtigt”. Der nächste Schnitzer dann bei der Abstimmung. Obwohl Sitzungsleiter und amtierender Spitzenrepräsentant der Verwaltung, stimmte Blechschmidt nicht mit.

Auf sein Stimmrecht mußte er durch einen Einwurf der Oberbürgermeisterin aufmerksam gemacht werden, gab zu, nicht mit abgestimmt zu haben. Und fand das “nicht schlimm”. Abgerundet wird dieses Bild von folgender Tatsache: für den 10. Januar 2022 war im amtlichen Terminkalender für das neue Jahr, den alle Stadträte erst Ende 2021 zugeschickt bekamen, eine Sitzung des Finanzausschusses angesetzt. Die fand allerdings nicht statt. Die Einwohner*Innen, die den ganzen Stadtverwaltungszirkus finanzieren, wissen bis heute nicht warum. Denn Thomas Blechschmidt plappert zwar von Transparenz und Bürgernähe. Praktiziert sie aber nicht.