Hermann Spiess: “bin ich als Beigeordneter überhaupt noch tragbar?”

VG BAD KREUZNACH – Wer Wortwahl, Tonlage und Diktion mancher Diskussionsverläufe im Bad Kreuznacher Stadtrat und seinen Ausschüssen kritisiert, sollte vor weiterer Stimmungsmache erst mal die Gremien anderer kommunaler Gebietskörperschaften besuchen. Reisen bildet auch in dieser Hinsicht. Gestern Abend etwa wurde im Feuerwehrausschuss der Verbandsgemeinde Bad Kreuznach deutlich, dass sich die Ehrenamtlichen auch dort ungern Bevormundungen der hauptamtlichen Verwaltung gefallen lassen. Selbst in einer Sitzung nicht, die als Videokonferenz durchgeführt wurde.

Beigeordneter Hermann Spiess: das Bild wurde anläßlich einer Gemeinderatssitzung in Feilbingert im Oktober 2021 aufgenommen.

Deutlich wurde das gleich beim ersten Tagesordnungspunkt: “Beratungs- und Empfehlungsbeschluss über das Gebäudekonzept für die Feuerwehrgerätehäuser der Verbandsgemeinde”. Frank Schlarb trug einen sehr detaillierten Bericht zum Zustand der Objekte in den einzelnen Ortsgemeinden vor. Dabei dominierten die Beschreibungen “eng”, “kein Platz”, “keine schwarz-weiß-Trennung”, “keine getrennten Sanitäreinrichtungen”, “Anbau” und “Neubau”. Die Ausschussmitglieder, allesamt erfahrene Kommunalpolitiker – zum Teil auch Feuerwehrleute – verstanden auch ohne die Nennung auch nur einer Zahl durch die Verwaltung sehr wohl, was das bedeutet:

Zusammen genommen ein riesiges, viele Millionen Euro teures Investitionsvolumen. In einer Verbandsgemeinde, die finanziell nicht so gut dasteht, eine erdrückende Perspektive. Und, wie die nachfolgende Diskussion zeigte, aus der Sicht der Praktiker sehr theoretisch angelegt. Priorität auf der Schlarb-Liste hat ein Neubau eines Feuerwehrhauses in Altenbamberg. Aber auch für Hochstätten sind Neubaupläne vorgesehen. Das rief den früheren Ortsbürgermeister Hochstättens, Hermann Spiess, auf den Plan. Der jetzige Beigeordnete der Verbandsgemeinde hatte fast eine halbe Stunde lang der von Frank Schlarb vorgetragenen Defizitliste gelauscht.

Dabei hatte sich hörbar Wortmeldungsdruck aufgebaut. Und der brach dann auch als verbales Feuerwerk aus, als Spiess endlich mit seinem Redebeitrag an der Reihe war. “In meiner Eigenschaft als Beigeordneter habe ich mir ein paar Gedanken gemacht. Und die auch schriflich formuliert”, begann Spiess, sichtlich um Beherrschung bemüht. Um dann rauszulassen: “die sind leider nicht mit eingeflossen. Das finde ich etwas ignorant”. Hermann Spiess skizzierte dann kurz seinen Plan. Nämlich den Bau nur eines Feuerwehrgerätehauses am östlichen Ortsende Hochstättens Nähe B 48, von dem aus auch Altenbamberg feuerschutztechnisch versorgt werden kann.

Die 2,3 Kilometer lange Strecke zwischen den beiden Gemeinden könne in unter drei Minuten locker bewältigt werden. Und ein Neubau seit eben deutlich billiger, als zwei. Als weitere Argumente führte Spiess an, dass die Feuerwehr Hochstätten einige Zeit “ohne jedes Problem” die Altenbamberger Bürger*Innen mitgeschützt habe. Auch sei die Mannschaftsstärke in Altenbamberg zu berücksichtigen. Der frühere Mitarbeiter des Stadtbauamtes konnte sich dann auch einen Vergleich mit Bad Kreuznach nicht verkneifen, wo bis zur Riegelgrube am Ende der Bosenheimer Strasse der an deren Beginn gelegene Löschzug Süd zuständig sei, der aufgrund der städtischen Verkehrslage einen Einsatz dort aber niemals so schnell erreichen könne, wie die Wehr aus Hochstätten jeden Punkt in Altenbamberg.

Mit diesen Sachhinweisen hatte sich Hermann Spiess seinen Ärger aber noch nicht von der Seele geredet. Er kam nochmals darauf zurück, dass er einen konstruktiven Vorschlag, sogar mit Lageplan, “ausgearbeitet und schriftlich eingereicht” habe, aus vielen guten Gründen nur einen Neubau zu errichten. Und zeigte sich tief enttäuscht, “dass das jetzt einfach so ignoriert wird”. Wie tief diese Enttäuschung sitzt, machte sein Schlußsatz deutlich: “da muss ich mir überlegen, ob ich als Beigeordneter überhaupt noch tragbar bin”. Angesichts dieser klaren Ansage seines Stellvertreters versuchte sich Bürgermeister Marc Ullrich in Schadensbegrenzung.

Er sei davon ausgegangen, dass Spiess seine Idee dem Ausschuss selbst vorstellen wolle und habe daher “nicht vorgreifen wollen”. Da kam Heiterkeit bei den anderen Ausschussmitgliedern auf. Diese stellten sich mehrheitlich im Verlauf der weiteren Diskussion hinter den Beigeordneten. Insbesondere die Umsetzung der “reinen Lehre” von “Idealzuständen” für die Feuerwehren wurde mehrfach sehr sachlich in Zweifel gezogen. Auch von Ausschuss- und VG-Ratsmitgliedern, die selbst aktive Feuerwehrkameraden sind.

Bürgermeister Ullrich sah sich daher mehrfach dazu gezwungen darauf hinzuweisen, dass derzeit krasse Verstösse gegen Arbeitsschutzvorschriften praktiziert würden, die nicht dauerhaft hingenommen werden dürften von der Verbandsgemeinde als Arbeitgeber der ehrenamtlichen Feuerwehrleute. Weiterhin erläuterte Ullrich, dass nicht alles auf ein Mal gemacht werden müsse, sondern eine Umsetzungsphase von acht Jahren realistisch sei. Angesichts des erkennbaren Widerstandes vieler Ausschussmitglieder beantragte der Bürgermeister schließlich auf eine Entscheidung am gestrigen Abend zu verzichten. Und erzielte damit einen einstimmigen Abstimmungserfolg (weitere Berichte folgen).