Stadt lagert maximal 150 Tonnen gefährlichen Abfall auf der Pfingstwiese

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die 15 Container am Zaun, der das Moebus-Stadion von der Pfingstwiese trennt, fallen optisch kaum ins Auge. Seit Monaten stehen sie dort. Auf den brisanten Inhalt weisen weder Warnschilder noch Absperrungen hin. Dabei handelt es sich um bis zu 150 Tonnen sogenannten gefährlichen Abfalles. Der sollte schon vor einem halben Jahr ordnungsgemäß auf einer entsprechend geeigneten und zugelassenen Deponie entsorgt werden. Aber die als Eigentümerin dafür verantwortliche Stadtverwaltung Bad Kreuznach blieb untätig. Die Gründe dafür möchte oder kann Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer nicht benennen. Eine entsprechende Presseanfrage dieser Seite blieb ohne Antwort.

Das könnte auch daran liegen, dass das Verhalten der Stadt strafrechtlich relevant ist. Gemäß § 326 des Strafgesetzbuches wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, “wer Abfälle, die nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind, nachhaltig ein Gewässer, die Luft oder den Boden zu verunreinigen oder sonst nachteilig zu verändern oder einen Bestand von Tieren oder Pflanzen zu gefährden, ausserhalb einer dafür zugelassenen Anlage oder unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren sammelt, befördert, behandelt, verwertet, lagert, ablagert, ablässt, beseitigt, handelt, makelt oder sonst bewirtschaftet”.

Motto der SAM mit Sitz in Mainz ist: Sonderabfallprobleme zuSAMmen lösen. Die Stadtverwaltung muss dazu noch überzeugt werden.

Genau dieser Fall liegt nach der Selbsteinschätzung der Stadtverwaltung vor. Das ergibt sich aus dem fallbezogenen elektronischen Entsorgungsnachweis vom 6. Mai 2021. Danach ist Abfallerzeuger/-besitzer die Stadtverwaltung Bad Kreuznach und deren Bevollmächtigter die Firma Knettenbrech+Gurdulic. Angegeben wurde in diesem aufgrund gesetzlicher Bestimmungen formdefinierten Papier, dass “maximal 150 Tonnen Boden und Steine, die gefährliche Stoffe enthalten, Abfallschlüssel 170503”, auf einer Deponie in Nordrhein-Westfalen abgelagert/beseitigt werden sollen.

Ein Container steht schon seit Monaten vollkommen offen. Was die illegale Zugabe von Bauschutt erleichtert haben mag.

Auf Anfrage der Redaktion dieser Seite hat die für Sonderabfälle und Genehmigung von Entsorgungsnachweisen zuständige SAM Sonderabfall-Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbH mit Sitz in Mainz den Eingang dieses “elektronischen Entsorgungsnachweises” bestätigt. Die SAM ist in Rheinland-Pfalz die vom Land mit hoheitlichen Aufgaben beliehene sogenannte “Zentrale Stelle” (die relevanten Rechtsgrundlagen sind unter https://sam-rlp.de/aufgaben/rechtsgrundlagen/ verlinkt). Die SAM betreibt keine eigenen Entsorgungsanlagen, sondern ist ausschließlich mit der behördlichen Überwachung der Sonderabfallentsorgung befasst.

Der einzige Hinweis auf Gefahrstoffe vor Ort findet sich auf einer Zigarettenschachtel …

Deshalb berechnet sie den Abfallerzeugern/-besitzern (hier der Stadt Bad Kreuznach) für die ordnungsgemäße Entsorgung auch keine Kosten, sondern erhebt lediglich die rechtlich vorgegebenen Gebühren für die jeweiligen Amtshandlungen. Die von der Stadt per Entsorgungsnachweis benannte Deponie war der SAM nach eigenen Angaben “zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt”. Daher forderte die Sonderabfall-Management-Gesellschaft noch am selben Tag, dem 6.5.2021, zunächst einen Auszug aus der Deponiezulassung an, um die Zulässigkeit der vorgesehenen Ablagerung prüfen zu können.

Bei vielen anderen Containern dringt an mehreren ungeschützten Stellen Regenwasser ein.

Aus den sodann wenige Tage danach vorgelegten Unterlagen ergab sich, dass die Deponie für den fraglichen Abfall über keine generelle Zulassung verfügt, aber die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf Anfang Mai 2021 eine sogenannte Einzelfallzulassung erteilt hat, nach der trotz der Überschreitung von Deponie-Grenzwerten eine Ablagerung der Abfälle hätte erfolgen können, weil keine nachteiligen Umweltauswirkungen zu besorgen waren. Ebenfalls am 6.5.2021 wies die SAM die Stadtverwaltung Bad Kreuznach und ihren Bevollmächtigten, die Firma Knettenbrech+Gurdulic, darauf hin, dass gemäß den vorgelegten Unterlagen und den landesgesetzlichen Vorgaben eine Beseitigung der Abfälle vorrangig in der Nähe des Entstehungsortes und in Rheinland-Pfalz erfolgen müsse (Prinzipien der Nähe und der Beseitigungsautarkie).

Eine Ausnahme gelte nur dann, so die SAM, wenn eine Beseitigung in Rheinland-Pfalz nicht möglich oder dem Abfallerzeuger/-besitzer wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit könne dabei nur angenommen werden, wenn die Kosten, die mit einer Beseitigung auf einer nahe gelegenen Deponie innerhalb von Rheinland-Pfalz verbunden seien, außer Verhältnis zu den Kosten stünden, die für die gewünschte Abfallbeseitigung außerhalb von Rheinland-Pfalz (inklusive Transportkosten) zu tragen seien. Nur wenn dies der SAM nachvollziehbar – z.B. durch Vergleichsangebote von Deponiebetreibern – dargelegt werde, sei eine Zuweisung zu der von der Stadtverwaltung Bad Kreuznach beantragten nordrhein-westfälische Deponie möglich.

Aus den von der Stadtverwaltung Bad Kreuznach bzw. ihrem Bevollmächtigten daraufhin am 24.6. und 6.7.2021 vorgelegten Angeboten ergab sich laut SAM, dass eine Ablagerung auf einer rheinland-pfälzischen Deponie (Kaiserslautern) nicht nur deutlich preisgünstiger, sondern auch räumlich sehr viel näher (ca. 80 km gegenüber ca. 230 km nach NRW) möglich ist, sofern wegen der Überschreitung von Deponie-Grenzwerten auch hier eine Einzelzulassung der zuständigen Deponiebehörde (Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd) erteilt wird. Mit E-Mail vom 6.7.2021, also noch am Tag des Eingangs des letzten Angebotes, wies die SAM die Stadtverwaltung Bad Kreuznach hierauf hin.

Weiterhin bat die SAM darum, sich wegen der diesbezüglichen Abstimmung direkt mit dem rheinland-pfälzischen Deponiebetreiber in Verbindung zu setzen. Danach tat sich etwas, was viele Einwohner*Innen Bad Kreuznachs von Teilen der Stadtverwaltung nur allzugut kennen: nichts. Die SAM ist allerdings nicht eine dieser Behörden, für die Nichtstun Alltagsgeschäft ist. Und daher hakte die Sonderabfall-Management-Gesellschaft von sich aus nach. In der sehr sachlich abgefassten SAM-Stellungnahme heisst es diesbezüglich:

“Weil anschließend (Anmerkung der Redaktion: also auf die Email vom 6.7.2021 hin) keine Rückmeldung erfolgte, wurde unsererseits am 10.9.2021 bei der Stadtverwaltung Bad Kreuznach per E-Mail der Sachstand erfragt. Darauf erhielten wir am selben Tag die Antwort, die Abfälle befänden sich noch vor Ort und man stehe in Kontakt zu der Deponie in Kaiserslautern”. Fazit der SAM am 5.11.2021, also weitere zwei Monate ohne Tätigkeitsnachweis der Stadtverwaltung später: “seither haben wir von der Stadtverwaltung Bad Kreuznach nichts mehr gehört”.