Beim Poller war Dr. Heike Kaster-Meurer desorientiert

Die Bewertung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

Auf dem Fußballplatz früher war das anders. Aber im Rat der Stadt präsentiert sich Hermann Holste als personifizierte Friedfertigkeit. Vor allem der Oberbürgermeisterin gegenüber. An die Tatsache, dass er Dr. Kaster-Meurer vor vielen Jahren vor das Verwaltungsgericht zerren mußte, um eine Antwort in Sachen Salinenbad zu erhalten, erinnert sich der Grüne gar nicht mehr. In der Stadtratssitzung am Donnerstag vergangener Woche ergriff Holste beim Punkt “Anfragen” das Wort.

Zurückhaltend-höflich trug er vor, dass nach dem von der Stadt verteilten Infoblatt bezüglich des Pollers an der Pauluskirche, der die Fußgängerzone (!) in der historische Neustadt vor unzulässigem Autoverkehr schützen soll, “einige Sachen nicht so gelaufen sind, wie die Bürger sich das vorstellen”. Die grüne Fraktion habe daher eine Bürgerversammlung vorgeschlagen. Hermann Holste im Hinblick auf die Inbetriebnahme des Pollers am 2. November: “ich möchte anfragen, ob es noch eine Bürgerversammlung gibt”.

Schon seit längerer Zeit beantwortet die Oberbürgermeisterin derartige Anfragen nicht mehr in jedem Fall spontan. Häufig werden Ratsmitglieder (wie auch Bürger*Innen in der Einwohnerfragestunde) mit der Aussage abgespeist, “das beantworten wir schriftlich”. Hermann Holste erging es nicht so. Dr. Kaster-Meurer reagierte sofort und fast schon empört auf die Frage: “Herr Holste, Sie haben drei Wochen bevor wir überhaupt an den Start gehen wollten schon bemängelt was alles nicht gelaufen ist, obwohl wir von Seiten der Verwaltung mit über 80 Bürger*Innen gesprochen haben”.

Dieses Abwatschen des Stadtratsmitgliedes und der grünen Fraktion war aber nur der Auftakt zu einer mehrminütigen Ausführung, die die OBin unter dem Motto “Herr Lehrer, ich weiss was”, zu einer erfreulich detailreichen Schilderung der Verwaltungsanstrengungen nutzte. Zunächst dozierte sie, dass “die Bürgerinnen und Bürger keine einheitliche Meinung haben, sondern es sind sehr viele, sehr unterschiedliche, sehr individuelle Interessen”. Um fortzufahren: “wir haben versucht Vieles möglich zu machen, ein ganz großer Bereich war die Frage, was ist wenn der Pflegedienst kommt, wenn der Handwerker kommt.

Der ist damit abgedeckt, dass wir zwischen 7 und 17 Uhr sowieso geöffnet haben”. Was bei Notfällen und Havarien nach 17 Uhr geschieht, erläuterte die Oberbürgermeisterin allerdings nicht. Um dann erstmals auf Holste’s Frage einzugehen: “eine Bürgerversammlung jetzt zu machen würde heissen, dass viele von den Interessen vorgetragen werden, die wir aber vielleicht im Laufe des Betriebes schon ganz anders berücksichtigen könnten”. Anschließend legte Dr. Kaster-Meurer offen, wie sie und ein Teil der städtischen Beschäftigten die Arbeitszeit verbringt:

“Wir haben uns viele Gedanken gemacht in der Verwaltung”. Dabei sei frau zu dem “Entschluß gekommen, dass wir die Bürgerversammlung nach einer Startphase machen, einer Übergangsphase, um zu schauen, wie läufts überhaupt. Wenn wir merken, dass es überhaupt nicht funktioniert, sind wir jederzeit in der Lage den Poller unten zu lassen. Also es ist nichts verloren”. Da dachte der ein oder die andere im Stadtrat in einem Anflug von Kritik “ausser der Arbeitszeit und mehrere zehntausend Euro für den Poller”.

Um diese Gedanken gleich wieder zu verwerfen angesichts anderer abschreckender Nachdenk-Ergebnisse, die in der Stadtverwaltung so produziert werden (Einfahrtssperre in die Rheingrafen- ab der Panzerstrasse, Anwohnerparken im Bereich Korellengarten usw). Die Oberbürgermeisterin weihte Rat und Öffentlichkeit anschließend ein in die ganz praktischen Probleme, die eine Verwaltung so zu lösen hat: “aber es ist natürlich auch die Frage: wo machen Sie denn eigentlich eine Bürgerversammlung mit unbestimmter Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern?

Sie können ja nicht sagen, sie müssen leider draussen bleiben, wenn sie nur getestet sind – wo machen sie das?” Angesichts der unzähligen Leerstände großer Gebäude in der Neustadt (Weisse Taube usw), der Tatsache, dass sich der große Sitzungssaal der Stadt in unmittelbarer Nähe befindet, die Römerhalle fußläufig zu ereichen ist, aber auch der Schalterraum der Sparkasse am Kornmarkt seine Alltagstauglichkeit mit mehreren hundert Impflingen erst vor wenigen Tagen unter Beweis gestellt hat, eine sehr erstaunliche Frage.

Diese nicht konstruktiv zu beantworten läßt nur einen Schluß zu: gut, dass es die Ausrede Corona gibt, um keine Bürgerversammlungen durchführen zu müssen. Die Oberbürgermeisterin gab dann das Ergebnis weiterer verwaltungsinterner Nachdenkarbeit preis: “wir hattens überlegt auf dem Eiermarkt open air zu machen. Aber wenn wir dann anfangen einzelne Interessen vortragen zu lassen, finde ich ist es extrem schwierig. Denn es entsteht ja dann für die Einzelnen die Erwartung, dass sich alle anderen danach richten müssen”.

In welchem Paralelluniversum sich Dr. Heike Kaser-Meurer da verirrt hat, ist nicht bekannt. Die Freunde der Demokratie dürfen angesichts derartig abstruser Ausreden freuen, dass sich auf der Akropolis in Athen ehrliche, klare Einsichten durchgesetzt haben. Und die Mehrheit begonnen hat die Vielfalt der Partikularinteressen durch entsprechende Beschlüsse zu bündeln und zu ordnen. Wieso die Oberbürgermeisterin die Anhörung der Bürger*Innen für unnötig hält, machte sie mit dem Hinweis auf die angebliche Problemlösungskompetenz der Stadtverwaltung deutlich:

“Wir versuchen das zu erreichen, was wir erreichen wollten, was Wunsch der meisten Bürgerinnen und Bürger war, nämlich nachts Ruhe reinzubekommen und die Einfahrt von Taxis nachts zu verhindern und auch – ich sags etwas despektierlich – den Döner-Hol- und Bringverkehr gerade da auch im Bereich des Salzmarktes” zu unterbinden. Aufmerksamen Zuhörer*Innen mußte da gleich aus mehreren Gründen der Hals schwellen. Wenn öffentliche Verwaltung in der Lage und willens wäre, immer sachgerecht zu handeln, gäbe es doch die unzähligen Pannen und Fehlleistungen nicht.

Und ganz unabhängig davon besteht aus guten Gründen der demokratische Anspruch der Einwohner*Innen auf Teilhabe und Beteiligung. Auch wenn es um Poller geht. Selbst wenn das der Oberbürgermeisterin unangenehm ist. Mit dieser Aussage hat Dr. Kaster-Meurer aber nicht nur bewiesen, dass sie demokratietheoretisch längst den von der Gemeindeordnung vorgegebenen Kurs verlassen hat. Sondern auch ganz praktisch räumlich desorientiert ist. Denn die Probleme rund um den Salzmarkt haben mit dem Pauluskirchen-Poller überhaupt nichts zu tun.

Der regelt lediglich die Zufahrt zum Zwingel, der Jahn- und Klappergasse. Eine legale Möglichkeit von der Alten Nahebrücke durch die historische Neustadt zum Salzmarkt mit dem Auto gibt es nicht. Schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Die gab es schon nicht mehr, als Dr. Heike Kaster-Meurer nach Bad Kreuznach zuzog. Wer sich für die Stadt im engen Sinne interessiert, weiss das auch. Die Oberbürgermeisterin setzt jedenfalls weiterhin auf ihr Konzept der Experimente mit lebenden Menschen:

“Wir gehen in die Testphase, gucken wie es läuft. Und ich kann ihnen jetzt auch nicht sagen, es ist genau nach 5 Wochen, nach 12 Wochen dann eine Versammlung. Sondern wir gucken einfach. Erfahrungsgemäß lehrt uns das auch, wie wir es optimieren können”. Auch Hermann Holste hat nach diesen Ausführungen nur noch geguckt. Und nichts mehr gesagt. Vielleicht wußte er da bereits, dass die OBin bezüglich des Pollers genau das selbst gemacht hatte, was sie ihm und den Grünen vorwarf: Vormucken. Denn als Dr. Kaster-Meurer am 2.11. – mit Presse, ohne Funktionsnachweis – den Poller “einweihte”, hatten dutzende Nutzungsberechtigte ihre Chipkarte für die Einfahrt noch gar nicht erhalten. Nach zweijähriger Planungs- und Vorbereitungszeit durch die Stadtverwaltung.