Blattschuss mit der Kamera: zwei auf einen Streich

Vom tapferen Schneiderlein ist unser Fotograf noch ein Stück weit entfernt. Aber gleich zwei rechtswidrige Linksabbieger an unterschiedlichen Stellen auf einem Foto zu dokumentieren – das gelingt auch besser bezahlten und ausgerüsteten Kolleg*Innen nur selten. Gestern Nachmittag glückte der Schnappschuss kapitalen automobilen Fehlverhaltens in der Wilhelmstrasse. Der eine Fahrtrichtungsverweigerer bog von der Mühlen- verbotswidrig auf die Wilhelmstrasse ab, der andere zeitgleich von der Wilhelm- in die Kilianstrasse.

Im einen Fall wurde eine durchgezogene weiße Linie überfahren. Im anderen der Rechtsabbiegerpfeil mißachtet. Die Leistung unseres Fotografen wird allerdings durch dessen eigene Beobachtung geschmälert: weil in Bad Kreuznach so viele regelwidrig fahren, ist es nach seiner Einschätzung nur eine Frage der Statistik, um einen “Doppelverstoss” im Bild festhalten zu können. Das besondere an dem Foto ist also etwas, was man nicht sieht. Aber durch die Folge der aufgenommen Bilder belegt ist: zehn Sekunden vor dem “Linksverstoss-Doppel” war der Fotograf noch in der Kirschsteinanlage. Und acht Sekunden später auf der anderen Strassenseite.

So gesehen also doch ein Lichtbild-Blattschuss. Wer genau hinschaut, kann über der Motorhaube des hinteren Falschfahrers einen Motorradrollerfahrer erkennen, der sich korrekt nach hinten umschaut, um sich in den fliessenden Verkehr einzuordnen (Ausschnittsvergrößerung). Als er Sekundenbruchteile später losfährt, blickt er Gott sei Dank nach vorn, erkennt die Gefahr durch den Rechtsbrecher und bremst wieder ab. Es ist erst wenige Monate her, da wurde genau an dieser Stelle ein anderer Motorrollerfahrer Opfer einer Pkw-Fahrerin aus Rüdesheim, die ebenfalls die Mittellinie überfuhr.

Der junge Mann kam damals mit einem abendlichen Krankenhausaufenthalt davon. Aufgrund des täglichen Aufenthaltes an diese Stelle können wir versichern: irgendwelche zielführenden Kontrollen hat es seit dem nicht gegeben. Daraus kann nur eine Konsequenz gezogen werden: bevor alltäglicher Rechtsbruch in dieser Stadt kontrolliert wird, muss eine Person schwer verletzt werden oder zu Tode kommen. Auch wenn es nur eine Alibi-Veranstaltung war: drei schwere Unfälle auf dem Radweg in der Bosenheimer Strasse hatten (leider nur) eine 80minütige Präsenzveranstaltung der Polizei zur Folge.

Die unterlassenen Kontrollen im Pariser Viertel und an der Wilhelmstrasse sind auch deshalb besonders ärgerlich, weil die Linksabbiegerverstösse und die Einbahnstrassenleugnung immer wieder von den selben Autofahrenden begangen werden (über zwei Dutzend Mehrfachtäter*Innen hat unser Fotograf bereits im Bild festgehalten). Kontrollen dort würden also ein vielfach positiven Effekt haben: ein hoher Anteil von Intensivtäter*Innen würde bestraft, massenhaft negative Vorbilder aus dem Verkehr gezogen und das Problem selbst spürbar reduziert.

Aber die Verantwortungs- und Entscheidungsträger*Innen samt der großen Gruppe der kommunalpolitischen Schauspieler wissen das ja alles viel besser. Und solange keiner auf der Strasse stirbt, werden sie sich mit ihrer auf Mißstandsverwaltung beschränkten “Arbeits”weise auch durchsetzen. Aber am Grab des nächsten Opfers werden alle Ausreden, Beschönigungen und Lügen nicht mehr zählen. Dann wird abgerechnet.