Dr. Heike Kaster-Meurer: “ich weiß genau so wenig wie Sie”

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die Diskussion um die Verschiebung der Etatberatungen für 2022 im Finanzausschuss gestern Abend war gerade abgeflaut (siehe gesonderter Bericht in der heutigen Ausgabe). Da entfachte Karl-Heinz Delaveaux sie kurzerhand neu. Mit einer “Grundsatzfrage”. Die richtete der Vorsitzende der Fraktion FWG / BüFEP an die Oberbürgermeisterin: “wissen Sie schon was, was wir noch nicht wissen. Weil Sie davon ausgehen, dass der Herr Blechschmidt im November da ist?” Dr. Kaster-Meurer antwortete ohne zu zögern:

“Nein. Ich weiß genau so wenig wie Sie. Aber bis jetzt habe ich auch keinen gegenteiligen … also, ich gehe davon aus, dass seine Amtszeit am 18.11. beginnt. Wie soll ich denn sonst planen?” Ungerührt setzte Delaveaux seine offenbar vorbereitete Stellungnahme fort: “es hätte ja können sein, dass Sie schon etwas wissen. Ich kenne ja nur die Zeitungsberichte. Ich weiß, dass ein Klageverfahren läuft. Ich weiß, dass drei Stadträte bei der ADD noch was laufen haben. Und wir haben leider immer noch keinen Zwischenbericht, was daraus geworden ist”.

Auch darauf gabs von der Oberbürgermeisterin eine klare Antwort: “wenn ich den hätte, hätte ich den längst weitergegeben. Ganz sicher”. Diese Feststellung konterte Karl-Heinz Delaveaux in der ihm eigenen Art und Weise trocken mit der Aussage: “dann ist das sehr sportlich, da einen Termin für den 29.11. festzulegen”. Was der OBin eine bis dahin in der Diskussion unterlassene Erklärung entlockte: “ja gut, aber nach hinten schieben könnten wir es dann ja zur Not immer noch. Wenn es sich anders darstellt, müssen wir einfach neu überlegen. Aber jetzt müssen wir ja irgendwas planen.”

Kommentar: verschieben und irgendwas planen
Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die Aussagen waren keine der berühmten Freud’schen Versprecher. Sondern die konkrete Beschreibung, wie seit mehr als zehn Jahren in Bad Kreuznach Kommunalpolitik gemacht wird: “nach hinten verschieben könnten wir es dann ja zur Not immer noch” und “wir müssen ja irgendwas planen”, erklärte die Oberbürgermeisterin wörtlich bezogen auf die Beratung des neuen Stadthaushaltes für 2022. Dem zentralen und wichtigsten Dokument der Stadtgemeinschaft. “Verschieben” und “irgendwas”. Eigentlich ein erschreckendes Bekenntnis. Statt Probleme heute konkret anzugehen wird lieber in die Zukunft ausgewichen.

Statt Ideen zu entwickeln, mit der die Einwohner*Innen zum Mitmachen motiviert werden können, wird “irgendwas” geplant. Diese Aussagen gestern Abend im Finanzausschuss (zitiert in unserem Bericht “Dr. Heike Kaster-Meurer: “ich weiß genau so wenig wie Sie”) hätten die dort versammelten Verantwortlichen aufrütteln und zum Widerspruch anregen müssen. Davon war nichts zu hören und zu sehen. Weil fast alle unter der selben Decke mitwursteln, ergreift kein einziger das Wort. Dabei ist die Ausgangslage vollkommen klar. Alle Fakten liegen auf dem Tisch. Wann die Amtszeit von Bürgermeister Wolfgang Heinrich abläuft, steht seit acht Jahren fest.

Das ist nämlich gesetzlich geregelt. Der 17. November 2021 ist aufgrund der durch den Stadtrat 2013 erfolgten Wahl und Ernennung sein letzter Arbeitstag. Fast genau so lang steht fest, dass Dr. Kaster-Meurer diesen Tag herbeisehnt. Denn Wolfgang Heinrich widersprach ihr, wies auf ihre Fehler hin, deckte verwaltungsinterne Fehlleistungen auf. Als der aktuelle Bürgermeister seinen Urlaubsantrag einreichte, hätte die OBin nur darauf bestehen müssen, dass er die Etatberatungen Anfang November leitet. Aufgrund der Gesamtumstände hätte Wolfgang Heinrich auch rechtlich aufgrund seines besonderen Beamtenpflichtverhältnisses gar nicht anders gekonnt.

Und nach zwei Monaten Erholungsurlaub wäre er auch gut ausgeruht gewesen für diese Aufgabe. Die Wahrheit ist: genau das wollte Dr. Heike Kaster-Meurer nicht. Sie wollte nicht noch einmal hören, welche gravierenden Fehler bei der Zuarbeit vom Stadtbauamt aus ihrem Dezernat verbrochen wurden. Sie wollte nicht noch einmal erleben, dass den Kommunalpolitiker*Innen, die mit Spendierhosen Steuergeld raushauen, die Leviten gelesen werden. Wie einige Ratsmitglieder war sie froh, dass Heinrich sich selbst zurückgenommen hat.

Jetzt damit zu argumentieren, der Neue (Thomas Blechschmidt) solle die Beratungen leiten, zeigt die ganze Inkompetenz und Kurzsichtigkeit, mit der Stadtspitze und die Mehrheit der Ratsfraktionen vor sich hinstümpern. Bereits seit dem Herbst 2020 findet eine öffentliche Diskussion um die Zukunft von Wolfgang Heinrich als Bürgermeister und seine Nachfolge im Amt statt. CDU (12 Sitze) und SPD (9 Sitze) hatten sich in dieser Frage klar positioniert. Die CDU schon vor der Kommunalwahl 2019, als sie in einem Pressegespräch die Abwahl Heinrichs (damals noch SPD, heute parteilos) zu einem offiziellen Wahlkampfziel erklärten.

Die Sozialdemokraten machten unmißverständlich klar, den Genossen auf Zeit schnellstmöglich loswerden zu wollen. Die Heinrich-Kritik von den Linken/PBK (3 Sitze) war allgemein bekannt. Ebenso wie die nicht nachlassenden negativen Kommentare von Werner Lorenz (FDP) zum Habitus des Amtsinhabers. Damit war klar: die Mehrheit gegen Heinrich stand. Spätestens im Juni, als in der Wahrnehmung der Stadtratsmitglieder und der Öffentlichkeit Thomas Blechschmidt gewählt wurde, hätten die Verantwortlichen einen neuen Fahrplan für die Etatberatungen festlegen können.

Und in der Logik ihrer heutigen Argumentation (der Neue soll den neuen Haushalt mitgestalten pp) auch müssen. Aber diese Leute haben genau das getan, was sie am besten können: nichts. Wieso wurde von den 26 Ratsmitgliedern, die für Thomas Blechschmidt votiert haben, nicht schon im Juni, Juli oder August ein neuer Fahrplan für die Etatberatungen beschlossen oder zumindest gefordert? Weil das heute angeführte Argument schon damals ein Leichtgewicht war. Tatsächlich haben Manfred Rapp und Jörg Fechner mit ihren Hinweisen vollkommen recht:

Wenn die OBin dem Bürgermeister für die Etatberatungen frei gibt, dann soll sie ihn als seine Vertreterin im Amt eben auch vertreten. Genau das aber will Dr. Heike Kaster-Meurer nicht. Denn die Etat-Diskussionen im Finanzausschuss sind vom Aufeinanderprallen der unterschiedlichsten Interessen geprägt. Dort gibt es im Einzelfall Allianzen, die in der normalen Ratsarbeit nicht vorkommen. Damit kann die Oberbürgermeisterin nicht umgehen. Und es fehlt ihr auch an der nötigen Fachkompetenz (“ich weiss nicht, wie das Boot in meinen Etat gekommen ist”). So wird Thomas Blechschmidt durch den Heinrich-Urlaub zum Lückenbüsser.

Schön ist: alle, die sich an dieser Scharade beteiligen, dokumentieren öffentlich ihre begrenzten Fähigkeiten bei der Ausübung öffentlicher Ämter. Denn auch das ist klar: ohne Ergebnis des Prozesses beim Verwaltungsgericht in Koblenz wird es keine Amtseinführung für wen auch immer geben. Von diesem Prozess aber ist nach eigenen Angaben weder der Oberbürgermeisterin noch den Stadtratsmitgliedern irgend etwas bekannt. Insbesondere gibt es bis heute keinen Termin für eine mündliche Verhandlung. Wer die Usancen des Verwaltungsgerichtes kennt, ahnt es:

Der wird frühestens Anfang November stattfinden. Selbst wenn es dann noch im November ein Urteil so oder so gäbe: rechtskräftig wird dies vor dem 16. Dezember 2021 (dem letzten möglichen geschäftsüblichen Termin einer Stadtratssitzung in diesem Jahr) nicht. Es steht also heute schon fest, was Karl-Heinz Delaveaux mit seiner Wortmeldung gestern im Finanzausschuss angedeutet hat: Thomas Blechschmidt wird nicht am 18. November als Bürgermeister der Stadt Bad Kreuznach amtseingeführt.

Damit bricht die ganze Argumentation zur Verschiebung der Etatberatungen in sich zusammen. Es gibt nur eine seriöse Lösung: die Etatberatungen für 2022 werden wie geplant Anfang November 2021 durchgeführt. Der Stadthaushalt wird endlich wieder im gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmen verabschiedet in der Stadtratssitzung Ende November. Thomas Blechschmidt kann als Zuhörer die Sitzungen begleiten. Etwas über die Bad Kreuznacher Verhältnisse lernen. Und danach entscheiden, ob er seine Bewerbung aufrecht erhält.