Ein 50 km/h-Schild an der Salinenbrücke löst Diskussionen aus

Seit dem 10. August gilt auf der Salinenstrasse Tempo 30. Praktisch halten sich nicht alle daran. Das könnte sich ändern, wenn die ersten Urlaube vom Führerschein ausgesprochen werden. Trotz der monatelangen Vorbereitungszeit hatte die Stadtverwaltung einen Beschilderungsfehler gemacht. Es war das Bad Münsterer Ortsbeiratsmitglied Eckhard Jung, der ihn entdeckte: vor der Salinenbrücke fehlte stadtauswärts ein 50 km/h-Schild.

Seit letztem Freitag prangt das 50 km/h-Schild vor der Salinenbrücke. Und das ist auch gut so. Denn sonst …

Denn ohne dieses Schild, so Jung, würde die Geschwindigkeitsbegrenzung in westlicher Richtung weiter gelten bis zum 50 km/h-Schild kurz vor dem Felseneck. Sein entsprechender Hinweis an das Ordnungsamt wurde dort unverzüglich geprüft. Und für richtig bewertet. Keine 24 Stunden nach der Jung-Eingabe lag dem rührigen Ebernburger die schriftliche Bestätigung der städtischen Verkehrsbehörde vor, derzufolge das Schild tatsächlich fehlt (diese Seite berichtete). Und dann bewies die Stadtverwaltung, was sie kann, wenn sie will. Bereits einen Tag nach der Ankündigung per Email wurde das fehlende Schild aufgestellt.

… würde Tempo 30 bis zum Ortsausgang kurz vor dem Felseneck gelten.

Und prangt jetzt seit Freitag vergangener Woche gut sichtbar oberhalb der Glättewarnung vor der Salinenbrücke. So weit, so gut. Wäre da nicht die Diskussion in den Sozialen Medien. Dort wußten es allerlei “Spezialisten” besser als Eckard Jung und das Ordnungamt. Einige ältere Fahrzeugführer behaupteten sich daran zu erinnern, in der Fahrschule gelernt zu haben, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung nur bis zur nächsten Strasseneinmündung gilt. Der Fachanwalt für Verkehrsrecht und des Vertrauens dieser Seite hat die Sach- und Rechtslage für uns geprüft. Und bestätigt die Bewertung durch Eckard Jung und die Richtigkeit der Aufstellung des 50 Km/h-Schildes.

Grundsätzlich ende ein Tempolimit gemäß StVO erst dann, “wenn es durch eine Beschilderung explizit oder implizit (vorher wurde eine Streckenangabe oder eine Gefahrenstelle angegeben) gekennzeichnet ist”. Richtig sei weiterhin, dass in den Verwaltungsvorschriften der StVO verlangt wird, dass im Falle eines Streckenverbotes (wie für die Salinenstrasse) nach Kreuzungen bzw Einmündungen die Beschilderung zu wiederholen ist. Die gerichtlich mehrfach bestätigte Begründung dafür: der ortsunkundige einbiegende Fahrer kann ohne diese Zeichen von der reduzierten Höchstgeschwindigkeit ja nichts wissen.

“Vermeidbarer Verbotsirrtum”

ABER. Fehlt diese Wiederholungsbeschilderung dürfen Fahrzeugführende daraus NICHT schlußfolgern, dass das Streckenverbot aufgehoben ist (dies trifft nur für Halt- und Parkverbote zu). Obwohl es sich um ein bundesweites Thema handelt, gelten Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Hamm (NRW) für diese Frage als einschlägig. Und das OLG erkennt in der Annahme Streckenverbote, wie Zeichen 274, würden sich nach einer Kreuzung aufheben, einen “vermeidbaren Verbotsirrtum” (OLG Hamm, Beschluss vom 5.7.2001 – 2 Ss OWi 524/01 und Beschluss vom 08.01.1996 – 2 Ss OWi 1422/95). In verständliches Deutsch übersetzt:

Es ist ein offenbar weit verbreiteter Irrglauben, dass sich eine Geschwindigkeitsbeschränkung mit Zeichen 274 nach einer Kreuzung oder Einmündung wie von selbst aufhebt. Das Gericht stellt dazu klar: “Es ist einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass eine durch Zeichen 274 angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung als sogenanntes Streckenverbot erst an einem gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO aufgestellten Zeichen 278 endet”. Das decke sich auch mit der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1957, wonach Verbote nachdem diese wahrgenommen wurden, bei einheitlicher Fahrt auf der gesamten Strecke beachtet werden müssen (BGH, Urteil vom 25.09.1957 – 4 StR 367/57).

Diese Interpretation der StVO werde auch bei der Führerscheinprüfungen längst angewendet. So habe er TÜV Rheinland zuletzt 1990 darauf hingewiesen, dass die Prüflinge immer auf die Aufhebung eines Streckenverbotes durch ein Verkehrszeichen achten müssen. Aber wie es nunmal so ist, im ehedem römisch besetzten Teil Galliens und Germaniens. Es gibt natürlich ein kleines Dorf, in dem die Regeln der Großmacht nicht gelten. Bonn (ehemals Abkürzung für Bundeshauptstadt ohne nennenwertes Nachtleben).

Dessen Landgericht (ironische Anmerkung der Redaktion: in der Besetzung Astrix, Obelix und Taugenix) hat 2003 entschieden, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen mit Zeichen 274 auch für den Geradeausverkehr nur bis zur nächsten Einmündung gelten. Geschwindigkeitsbeschränkungen müssen nach Ansicht des LG Bonn demzufolge nach jeder Einmündung wiederholt werden, wenn sie weiter gelten sollen (LG Bonn, Urteil vom 19.05.2003 – 2 O 567/02). Fazit für Bad Kreuznach: Eckard Jung hat recht. Das Ordnungsamt hat mit dem Zusatzschild in diesem Punkt alles richtig gemacht. Und schneller als 50 km/h fahren über die Salinenbrücke eh nur Irre.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

27.08.21 – “Eckard Jung sichert 50 km/h für die Saline Theodorshalle”
11.08.21 – “Ab sofort gilt Tempo 30 auf der Salinenstrasse”
06.08.21 – “Viktoriastrasse freigegeben – Tempo 30 in der Salinenstrasse ab 10. August”
21.07.21 – “Dr. Bettina Mackeprang: E-Autos sollen 50 fahren dürfen”
27.06.21 – “Tempo 30 jetzt auch in der Salinenstrasse”
14.08.20 – “Neues aus dem PLUV: auf der Salinenstrasse kommt Tempo 30”