Gestern Abend: 3 neue “echde Kreiznacher” durch “Entwanzung”

Wenn Heike Sellen, Dieter Klinkerfuß und Judith Hummerich-Brakhuis heute beim Frühstückskaffee sitzen, müßte der Unterschied deutlich spürbar sein. Denn obwohl sie seit Jahrzehnten in der Nahe-Metropole leben, dürfen sie sich nämlich erstmals als “echde Kreiznacher” fühlen. Möglich gemacht hat diesen Bonus des Menschseins gestern Abend der Freundeskreis “Kreiznacher Johrmarkt” e.V. Dieter Gronbach, Stefan Kühlen und ihre Helfer*Innen haben 2015 die über 100 Jahre alte Tradition der “Entwanzung” wiederbelebt.

Und damit “die Aufwertung verdienter Mitbürger*Innen” ermöglicht, die bis in die siebziger Jahre hinein von Bad Kreuznacher Karnevalisten praktiziert wurde, dann aber irgendwann einschlief. Schon vor 1900 wurden in Kreuznach Zugezogene als Wanzen bezeichnet. Und bereits 1905 wurden verbindlich erste Kriterien für “Entwanzungen” entwickelt. Dabei hat der Jahrmarkts-Freundeskreis die Methodik der Nachkriegszeit deutlich entschärft. Wurden die Deliquenten damals noch mit allerlei krassen Flüssigkeiten überschüttet, die nicht nur auf der Kleidung Spuren hinterließen, wird heute nur noch reines Nahewasser eingesetzt.

Und das auch nur in homöopathischen Dosen. Allerdings, das ist in den Entwanzungs-Urkunden ausdrücklich festgehalten, muss dieses Wasser dem Fluß “oberhalb der Jahrmarktsbrücke” entnommen werden. Auch wenn der Zugang zur Nahe dort deutlich schwieriger ist. Eine Aufgabe, die Dieter Gronbach am vorgestrigen Samstag im Beistand des früheren Ordnungs- und Hauptamtsleiters Manfred Schäfer höchstpersönlich erledigte. Grund der klaren Regel: noch heute, in der DIXi-Klo-Zeit, wird unterhalb der Jahrmarktsbrücke, dort wo das Naheweinzelt steht, hemmungslos auf die Wiese und auch ins Wasser uriniert.

Und dieses damit für den ehrenhaften Zweck unbrauchbar gemacht. Das Nahewasser wird auch nicht von irgendwem auf die zu entwanzenden geträufelt. Sondern von Paten, bei deren Auswahl sich der Förderverein ganz besondere Mühe gibt. So war es kein geringerer als Dr. Andre Borsche, der Heike Sellens Aufwertung vornahm. Dieter Klinkerfuß wurde vom ältesten noch aktiven Schausteller der Stadt, Eitel Gräff, entwanzt. Und Judith Hummerich-Brakhuis erhielt die Nahewasser-Dusche von Ralf Leonhard, dem Vorsitzenden des örtlichen Schaustellerverbandes.

Dessen Auswahl wohl auch von der Tatsache mitentschieden wurde, dass er die Judith vor Jahrzehnten aus der Mengerschieder Provinz in die Stadt holte. Leider nahm kein Offizieller der Stadt an der Veranstaltung teil. Laut Vorsitzendem Dieter Gronbach hatten sich sowohl die Oberbürgermeisterin als auch der Jahrmarktsbürgermeister mit dem Hinweis auf durch die Jahrmarktsabsage ermöglichte Urlaubstage entschuldigt (weiterer Bericht folgt).