Wird der Ehrenamtstag zum Corona-Super-Spreader-Event?

Am 29. August soll der 18. Ehrenamtstag des Landes Rheinland-Pfalz in Bad Kreuznach stattfinden. Eine Großveranstaltung mit dreistelliger Mitwirkendenzahl. Und 5.000 zugelassenen Gästen. Ein Großteil davon reist aus allen Landesteilen in die Nahe-Metropole. Und das in Zeiten steigender Coronafallzahlen und Inzidenzen. Das bunte Angebot mit einer großen Fernseh- und Radiobühne, 56 Ständen und einer von 12 Organisationen getragenen Blaulichtmeile erinnert mehr an einen Jahrmarkt, als an eine Informationsveranstaltung. Und so gab es in der Bad Kreuznacher Einwohnerschaft neben Interesse auch kritische Nachfragen.

Deutlich ausformuliert in den Sozialen Medien: “den Jahrmarkt verbieten sie uns, aber so ein Spektakel wird erlaubt”, ist ein immer wieder gelesener Kommentar. Und tatsächlich ist die Ungleichbehandlung krass. Wie schon den Catweazle bei der Planiger Kerb wurde auch dem anstehenden Eröffnungsfest der Interkulturellen Wochen schon vor Monaten unter Hinweis auf Corona eine Bühne verboten. Dabei drängten sich bei den Planigern davor maximal nur wenige hundert Menschen. Bei den Interkulturellen Wochen sogar nur wenige Dutzend. Auf dem Kornmarkt wird es am Sonntag in einer Woche eine vierstellige Zahl sein.

Laute Kritik kommt weder aus dem Stadtteil noch von den Machern der Interkulturellen Wochen. Aber hinter der Hand wird diese grob unterschiedliche Behandlung deutlich verurteilt. Andere Kritiker der Landesveranstaltung weisen auf den gravierenden Unterschied hin, der sich aus der blosen Teilnehmer*Innenzahl ergibt. So seien, wie Planiger Kerb und auch der Bosenheimer Weinrock bewiesen haben, 500 oder auch 900 Menschen auf entsprechend grosser Fläche auch gruppendynamisch noch gut zu “händeln”. Ohne eine entsprechende Zahl von Einsatzkräften sei das bei mehreren tausend allerdings nicht mehr möglich.

Dazu komme, dass die Veranstaltung in Bosenheim nur vier Stunden dauere. Und sich die zusammen durchschnittlich täglich 900 Gäste der Planiger Kerb auf 13 Öffnungsstunden verteilten. Die 5.000 plus X Anwesenden im Ehrenamts-Käfig auf Alter Nahebrücke, Badewörth und Kornmarkt aber durchgängig sieben Stunden anwesend sein werden. Viele Menschen, ein Programm, das auf Kommunikation mit möglichst vielen unterschiedlichen Personen angelegt ist (anders als die Kerb und ein weinseeliger Abend, die/der im Kreis der Familie oder Freunden genossen wird), da befürchten einige ein “Corona-Super-Spreader-Event”.

Ganz unabhängig vom konkreten Ablauf: die Glaubwürdigkeit der Corona-Schutzpolitik geht so oder so verloren. Findet der Ehrenamtstag ohne epidemische Folgeschäden statt, wird die Kritk an der Absage des Jahrmarktes, des Fischerstechens, des Street-Food-Festivals und anderer Veranstaltungen sehr viel lauter werden. Kommt es zu einem Infektionsgeschehen, dürfte die dadurch ausgelöste Häme fast noch gefährlicher für die Verantwortlichen werden, als die Virusverbreitung. Der Planiger Ortsvorsteher Dirk Gaul-Roßkopf, der sich sehr für die Veranstaltung bei sich im Ort eingesetzt hat, kündigte für den Fall eines “nenneswerten Infektionsgeschehens” seinen Rücktritt vom Amt an.

Dazu kam es nicht, weil es keine Infektionen gab. Dirk Gaul-Roßkopf hat damit aber einen gradlinigen Fingerzeig gegeben. In Richtung Dr. Heike Kaster-Meurer. Die will den Ehrenamtstag mit der ganzen medialen Aufmerksamkeit für die Akteure unbedingt in Bad Kreuznach durchziehen. Was ebenfalls einen großen Widerspruch aufzeigt: monatelang tagten aufgrund der Arbeitsverweigerung der Oberbürgermeisterin in Bad Kreuznach weder der Stadtrat noch die Ausschüsse. Und einige Zeit lang nur digital, obwohl die damit verbundenen Mitwirkungs- und Informationsmöglichkeiten miserabel waren. Von der fast vollständig verschwundenen Transparenz für die Öffentlichkeit einmal abgesehen.

Der von Dr. Kaster-Meurer für diese demokratieschädliche Handlungsweise immer wieder angeführte Grund: Coronaschutz. Und jetzt spricht sich die selbe Amtsperson für eine Großveranstaltung aus, die das Risiko in sich trägt, der Stadt schwer zu schaden. Die Motivation dafür sollte doch wohl nicht etwa sein, dass die Genossin an der Stadtspitze der SPD-Landesmutter vier Wochen vor der Bundestagswahl eine ausgezeichnete Präsentationsmöglichkeit verschaffen möchte – koste es was es wolle? 2020 fand der 17. Ehrenamtstag digital statt. Warum soll das 2021 nicht auch möglich sein?