Grundrechtsverstoß vor der Stadtratssitzung: Pressevertreter ausgeschlossen

Ihrem ohnehin schon reichhaltigen Kapitel “Pleiten, Pech und Pannen” hat die Stadtverwaltung Bad Kreuznach gestern eine weitere, eigentlich unfassbare Episode hinzugefügt. Einem Stadtratsmitglied, einem stellvertretenden Ortsvorsteher, mehreren Bürgern und zwei Pressevertretern wurde (in einem Fall zeitweise) die Teilnahme an der “öffentlichen” Stadtratssitzung verwehrt. Ein dreiköpfiges Team der Redaktion dieser Seite wurde Augenzeuge, wie sowohl an der Kurhaus-Rezeption (zum Zeitpunkt, als der Saaltrakt noch verschlossen war) als auch später am Eingang zum Großen Kursaal Zutrittsberechtigte abgewiesen wurden.

Kay Maleton (links, stellvertretender Ortsvorsteher Bosenheims) mußte draussen bleiben, wie auch die beiden Redakteure. Stadtratsmitglied Rainer Wirz (zweiter von links) durfte passieren.

Begründung der gastgebenden Stadtverwaltung: das Hotel Kurhaus erlaube nur Geimpften, Geheilten und Getesteten den Zutritt. Mit dieser Begründung wurde sowohl dem Redakteur von Hanz-Online als auch einem Mitarbeiter des SWR der Zutritt verweigert. Beide wurden an eine Teststation verwiesen. Als Cerberusse betätigten sich Lukas Wirz und Jürgen Cron. Den beiden sympathischen Hauptamtsmitarbeitern war anzusehen, dass ihnen ihre Aufgabe unangenehm war. Die Rechtslage geprüft hatten sie leider aber auch nicht. Dabei muss man kein Volljurist sein, um den Grundrechtsverstoss sofort zu erkennen: alle Sitzungen sind öffentlich abzuhalten.

Sehr freundlich und höflich die Absage an der Kurhaus-Rezeption. Aus Sicht des Hotels auch nachvollziehbar. Die Stadt hätte sich dort halt nicht einmieten dürfen zu diesen Bedingungen.

Eine bundesgesetzliche Einschränkung (die selbstredend grundgesetzwidrig wäre) für nicht getestete Personen hat der Bundestag nie beschlossen. Demzufolge besteht der Kardinalfehler der Stadtverwaltung darin, dass diese wohlwissend um die (privatrechtlich selbstverständlich zulässigen) Einlassbedingungen des Kurhauses die Sitzung dorthin anberaumte. Nur zur Klarstellung: selbst wenn die Stadtverwaltung dies nicht gewußt hätte, wäre im Falle der ersten Zurückweisung durch das Kurhaus-Personal klar gewesen, wie eine an Recht und Gesetz orientierte Verwaltung zu handeln hat:

Entweder das Kurhaus zu einer grundgesetzkonformen Handlungsweise anzuhalten. Wozu dieses wie dargelegt nicht verpflichtet ist. Oder die Sitzung unverzüglich an einen anderen Ort (Schulturnhalle o.ä.) zu verlegen. Oder eben abzusagen. Wie Recherchen der Redaktion dieser Seite ergeben haben, liegt der Sachverhalt aber noch schlimmer. Wieder einmal hat Dr. Heike Kaster-Meurer der Stadt das Problem eingebrockt. Bereits in der nichtöffentlichen Hauptausschusssitzung am 5. Juli 2021 erklärte sie nach übereinstimmenden Zeugenaussagen, der einzige freie Saal sei der im Kurhaus.

Dort dürften aber nur Geimpfte, Geheilte oder Getestete teilnehmen. Trotzdem diese Aussage leicht erkennbar gegen die Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt, ergab sich im Hauptausschuß kein Widerspruch. Die Zeugen, von der Redaktion dieser Seite mit der Rechtslage konfrontiert, stellten dazu nahezu übereinstimmend fest: “ich habe mir dabei nichts gedacht”. Was die Oberbürgermeisterin zu tun hätte, wenn sie sich an das Grundgesetz gebunden fühlen würde, ist ganz einfach: die gesamte Sitzung für null und nicht zu erklären, alle Beschlüsse aufzuheben und zu einer neuen Sitzung einladen.

Macht Dr. Kaster-Meurer dies nicht, entsteht eine höchst interessante Situation. Da mit den Bürgern und den Pressevertretern “die Öffentlichkeit” ausgeschlossen wurde und damit der Öffentlichkeitsgrundsatz vorsätzlich schwerwiegend verletzt ist, kann sich jede Bad Kreuznacherin und jeder Bad Kreuznacher bei der Stadtverwaltung gegen die gestern getroffenen Entscheidungen wehren mit dem Hinweis auf deren Rechtswidrigkeit. Was wegen des ausgeschlossenen Ratsmitgliedes auch für die nichtöffentlichen Beratungen gilt. Betroffen ist auch die Oberbürgermeisterin selbst.

Denn die sie betreffende Entlastung für das Hauhaltsjahr 2018 ist nicht rechtmäßig erfolgt. Jedes einzelne Stadtratsmitglied, das durch die Berichterstattung dieser Seite von dem Rechtsbruch erfährt, ist berechtigt alle oder auch nur einzelne, mißliebige Beschlüsse anzufechten. Die weitreichenste Rechtsverletzung hat natürlich das ausgeschlossene Ratsmitglied erfahren. Da in dessen Fall u.a. die in § 22 Gemeindeordnung (GemO) normierten “Ausschließungsgründe” sämtlich nicht zutreffen, trifft die Stadtverwaltung die volle Wucht des Landesgesetzes:

“Eine Entscheidung ist unwirksam, wenn … eine mitwirkungsberechtigte Person ohne einen Ausschließungsgrund nach Absatz 1 von der Beratung oder Entscheidung ausgeschlossen wurde”. Dies trifft schon auf die Beschlußfassung über die Tagesordnung zu. Das ist zwar rechtlich nicht so relevant, macht aber die Schwere der Rechtsverletzung deutlich. Wie es mit der Sitzung weitergehen kann, sagt die GemO: “sie gilt jedoch als von Anfang an wirksam, wenn nicht innerhalb von drei Monaten ihre Ausführung vom Bürgermeister ausgesetzt oder sie von der Aufsichtsbehörde beanstandet wird. Die Wirksamkeit tritt nicht gegenüber demjenigen ein, der vor Ablauf der Dreimonatsfrist einen förmlichen Rechtsbehelf eingelegt hat, wenn im Verlauf dieses Verfahrens der Mangel festgestellt wird.

Die ausgesetzte oder beanstandete Entscheidung ist unverzüglich unter Vermeidung des Fehlers, der zur Aussetzung oder Beanstandung geführt hat, zu wiederholen”. Ein Stadtrat, in dem mehr Volljurist*Innen als Arbeiter-, BusfahrerInnen, Krankenschwestern und Gastronomiefachpersonen zusammen sitzen, läßt all das geschehen. Daher ist es für Bad Kreuznach ganz logisch, dass es nicht ein Dr.jur., sondern ein Gastronom ist, der mehrere tausend Beitragspflichtige vor der örtlichen Variante des Tourismusbeitrages schützt.