Warum wir nicht über Selbstmorde berichten

In der Nacht von Freitag auf Samstag kreisten Hubschrauber über Bad Münster. Die Einwohner*Innen im Stadtteil wissen, was das bedeutet. Ein Mensch hat seinem Leben ein Ende gesetzt. Nicht nur der Lärm der Fluggeräte raubt den Anwohner*Innen den Schlaf. Auch die Erinnerung an die vielen Einzelschicksale, die so in ihrer Nachbarschaft endeten. Auch wenn die Berichterstattung schon vor Jahrzehnten eingestellt wurde. Über Arbeitskolleg*Innen, Freunde und Verwandte spricht sich doch die ein oder andere Geschichte herum.

Am Wochenende erreichten uns zwei Anfragen zu der menschlichen Katastrophe am frühen Samstagmorgen. Deren wesentlicher Inhalt auf eine Frage reduziert lautet: “warum berichtet ihr nicht über diese Fälle?” Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) hat zu diesem Thema Empfehlungen erabeitet, die für uns eine wichtige Orientierungshilfe sind. Die Kernaussage lautet: “eine sensible Berichterstattung in den Medien kann eine präventive Wirkung haben. Die Mehrheit der Menschen, die einen Suizid erwägen, sind diesem Entschluss gegenüber ambivalent.

Im Vordergrund steht häufig nicht der Wunsch zu sterben, sondern die Vorstellung, so wie bisher nicht weiterleben zu können”. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde der Einfluss von Medienberichten auf suizidales Verhalten nachgewiesen. Die DGS führt dazu ein Beispiel aus Wien an: in der Hauptstadt Österreichs “waren Mitte der 80er Jahre vor allem U-Bahn-Suizide häufig Gegenstand der Berichte in den Medien. Durch eine vom Österreichischen Verein für Suizidprävention initiierte zurückhaltende Berichterstattung in den Medien reduzierte sich die Zahl der U-Bahn-Suizide um mehr als 70 % und blieb seitdemauf niedrigem Niveau.”

Ein ähnlicher Effekt wurde auch in München beobachtet. Bekannt ist das Phänomen allerdings schon aus dem 18 Jahrhundert. Nachdem Johann Wolfgang von Goethe 1774 den Roman “Die Leiden des jungen Werther” veröffentlicht hatte, ergab sich eine „Suizidwelle“ im Land. Seit dem wird in diesem Zusammenhang auch vom “Werther-Effekt” gesprochen.

Informations- und Hilfsangebote für Menschen mit Depression

# Wissen, Selbsttest und Adressen rund um das Thema Depression unter www.deutsche-depressionshilfe.de
# deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei, Mo, Di, Do: 13:00 – 17:00 Uhr, Mi, Fr: 08:30 – 12:30 Uhr)
# fachlich moderierte Online-Foren zum Erfahrungsaustausch für Erwachsene www.diskussionsforum-depression.de und junge Menschen ab 14 Jahren www.fideo.de