Meinung: Sieben

Bewertung von
Claus Jotzo

Wer nicht katholisch ist, kennt die sieben Todsünden möglicherweise aus Kino oder Fernsehen. In dem Blockbuster “Sieben” jagen Morgan Freeman (Lt. Sommerset) und Brad Pitt (Lt. Mills) einen von Kevin Spacey gespielten Serienmörder. Der tötet beispielhaft grausam Menschen, die die Todsünden (Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Trägheit) verkörpern bzw begingen. Nach einer aus Sicht der Kriminalpolizisten erfolglosen Jagd stellt sich der Täter unerwarteter und unerzwungener Weise.

Er bietet sogar an, sich schuldig zu bekennen, wenn er die beiden Ermittler zu dem Ort führen darf, an dem er die angeblich beiden letzten Opfer verborgen hat. Auf der Fahrt in die Wüste verrät er den Hintergedanken seiner Verbrechen: er will der Gesellschaft ihr sündiges Verhalten klar machen. Um dieses Ziel zu erreichen, habe er etwas Spektakuläres getan, das die Aufmerksamkeit der Menschen erregt. In dem der Serienmörder Mills schwangere Frau tötet und ihm deren Kopf per Boten präsentiert, verführt er den Polizisten zum Mord an sich, dem wehrlosen Gefangenen.

Womit vor den Augen der Öffentlichkeit auch die Todsünde “Zorn” plakativ realisiert ist. Um die Gier einiger Grundstückseigentümer am Galgenberg zu personalisieren und den Zorn der Öffentlichkeit hervorzurufen, bedarf es heute keiner grausamen Gewaltverbrechen mehr. Das ist ganz bequem mit einem Post bei Facebook möglich. Im konkreten Fall: durch Veröffentlichung der Namensliste und der jeweils einbehaltenen meist sechsstelligen Geldbeträge. Verbunden mit der Frage:

Warum verweigern diese Personen (ggf ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter der Ankündigung der Rückforderung) eine 90%-Zahlung der Erschließungskosten an eine vertrauenswürdige städtische Gesellschaft, obwohl sie nach eigenen Worten nur die übrigen 10% für unberechtigt halten? Obwohl die Namensliste zur Klärung der komplexen Rechts- und Sachfrage null beiträgt, hatte Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer ihr Hauptamt am Dienstag vergangener Woche veranlaßt, den Stadtratsmitgliedern die “Anlage Fremdanlieger Erschließungsvertrag” gesondert zuzusenden.

Natürlich mit dem Vermerk “vertraulich” *. Denn die OBin sagt es ja immer wieder selbst: wenn “vertraulich” auf kommunalen Papieren steht, etwa auf Prüfberichten oder bei Personalsachen, ist das eine Garantie dafür, dass nichts an die Öffentlichkeit dringt (IRONIE!). Tatsächlich beabsichtigt die Oberbürgermeisterin durch die von ihr erst ermöglichte Veröffentlichung ein Ablenkungsmanöver. Sie möchte die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein paar Gierhälse richten. Und damit vertuschen, dass sie persönlich als Baudezernentin und als Aufsichtsratsvorsitzende der Gewobau versagt hat.

Als Vorgesetzte des Stadtbauamtes hat sie das anderenorts krachend (Bsp: Bubenstück, Bingen) gescheiterte Modell “Erschliessungsträger” zu verantworten (weil sie den eigenen Leuten die entsprechende Arbeit ersparen wollte, um diesen mehr Zeit zu verschaffen für politisch gewünschte Projekte wie die Fahrradgarage und die Pop-up-Radwege). Als Aufsichtsratsvorsitzende der Gewobau war sie dann über Jahre nicht in der Lage einen relevanten Beitrag zur Lösung zu leisten.

U.a. weil sie Zeit und Energie mit der Abwehr der massiven Kritik des Landesrechnungshofes verplempert hat, statt längst bewiesene Fehler einzusehen und einzugestehen. Die Mehrzahl der betroffenen Grundstückseigentümer muss übrigens nur die weltliche Reaktion auf ihr Verhalten fürchten. Die religiöse Dimension spielt in diesen Fällen keine Rolle. Denn diese Eigentümer sind überwiegend evangelisch. Und lediglich für Katholiken könnte es dick kommen. Denn nach deren Sichtweise wenden sich Sünder bzw Sünderin von der Gemeinschaft mit Gott ab.

Aber auch da gibt es eine seit Jahrhunderten bewährte Lösung. Um Vergebung zu erlangen, müssen Sünder ihre Sünden bereuen und sich Gott wieder bewusst zuwenden. Praktisch möglich durch die Ablasszahlung und den Ablass. So ist folgende Rechnung am Galgenberg vorstellbar: für die Erschließung nichts an die Gewobau zahlen, statt dessen 10% an die Kirche spenden. Und sich mit den 90 Prozent aufs Himmelreich freuen. Dumm nur, dass noch keine(r) geklärt hat, wie die Kohle an Petrus vorbeigeschafft werden kann, um sich auch dort ein paar Extras gönnen zu können.

* So generiert frau Aufmerksamkeit mit einem Extra-Anschreiben: “Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Ratsmitglieder, leider ist uns ein Fehler unterlaufen und bei der gestern verschickten Vorlage zum nichtöffentlichen TOP bzgl. Erschließung in den Weingärten fehlte die Anlage (Anmerkung der Redaktion: in der feinsäuberlich die Namen der Zahlungsverweigerer und die Geldbeträge aufgelistet sind). Diese schicken wir Ihnen mit dieser Mail nach. Mit freundlichen Grüßen”

Die “Sieben Todsünden”

Die “Todsünden” dürfen nicht mit den “10 Geboten” verwechselt werden. Eine Liste der Todsünden steht weder im Alten noch im Neuen Testment. Sie sind eine Erfindung der katholischen Kirche. Die erste bekannte Aufstellung, die noch acht Sünden enthielt, stammt vom Mönch Evagrius Ponticus (345-399). Papst Gregor I. (540-604) überarbeitete diese Aufstellung im 6. Jahrhundert. So entsatnd die Liste der “Sieben Todsünden” der katholischen Kirche. Dies sind: Hochmut (lateinisch: superbia), Habgier / Geiz (lateinisch: avaritia), Wollust (lateinisch: luxuria), Jähzorn (lateinisch: ira), Völlerei (lateinisch: gula), Neid (lateinisch: invidia) und Faulheit (lateinisch: acedia).

Bei diesen Sünden handelt es sich um jene schwerwiegensten Regelverstösse, die von der katholischen Kirche als besonders verwerflich eingeschätzt werden. Durch deren Verwirklichung verlässt der Gläubige bewußt und wohlwissend die Gemeinschaft mit Gott. Doch auch diese schweren Sünden können in der Sichtweise der katholischen Kirche vergeben werden: der Sünder kann Vergebung erlangen, wenn er bereut und sich Gott wieder bewusst zuwendet.