“Die ganze Welt kann es hören”

Weil es leider nicht selbstverständlich ist, die gute Nachricht vorab: was der Stadtrat am vergangenen Donnerstag unter dem Punkt “Änderung der Hauptsatzung” beschliessen sollte, war in der Vorlage konkret dargelegt. Sogar übersichtlich als Gegenüberstellung alte und neue Fassung präsentiert. Und die Änderungsvorschläge waren auch verstanden worden. Das ergab sich aus der diesbezüglichen ausführlichen Diskussion. Künftig sollen Stadtrats- und Ausschusssitzungen live im Internet übertragen und dort zwei Monate lang nachgeschaut werden können.

Kaum hatte Nicola Trierweiler vom Stadtrechtsamt, von der Oberbürgermeisterin als “Frau Thiergarten” begrüsst, die Vorlage erläutert, gabs den ersten Protest aus dem virtuellen Ratsrund. Wilhelm Zimmerlin (Fraktion FWG / BüFEP) meldete vehement Widerspruch an. Eine Liveübertragung verletzte seine bisherigen Rechte. Und der Umstand der Speicherung und Präsentation im Internet mache Mißbrauch möglich.

So sei es möglich, Zitate aus dem Zusammenhang zu reissen oder wahrheitsverfälschend neu zusammenzustellen. Zimmerlins Fazit: “dieser Beschluss kann so nicht rechtens sein”. Dieser Einschätzung schloss sich Ratsfrau Mariana Ruhl “vollinhaltlich” an. Und auch Gerhard Merkelbach und Dr. Herbert Drumm MdL (alle drei Fraktion FDP / Faire Liste / Freie Wähler) lehnten die Veränderung rundheraus ab. Alle vier gaben unumwunden zu Protokoll, dass sie für den Fall einer Annahme der Änderung Hilfe beim Verwaltungsgericht suchen werden.

Gegen die Veränderung positionierte sich auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Thomas Wolff. “Ich verstehe die Aufregung nicht”, antwortete Annette Thiergarten (Grüne) auf die Ablehnungsfront ihrer Vorredner. Um sich dann mit dem Hinweis, die Veränderung “dient der Transparenz”, klar für die neue Fassung auszusprechen. Dr. Silke Dierks (CDU) unternahm den Versuch einer Erklärung. Sie stellte heraus, dass “die Leute verstehen wollen, warum wir welche Entscheidung treffen”. Die Weitergabe vollständiger Argumentationslinien ermögliche dieses Verständnis und schaffe Transparenz.

Jürgen Locher schloss sich ausdrücklich den Dierks-Ausführungen an. Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Stadtrat berichtete von einer Vielzahl guter Erfahrungen, die er schon mit der bisherigen zeitversetzten Übertragung durch das Projekt kreuznachgehoert.de von GässjerFM gemacht habe. Werner Lorenz (Fraktion FDP / Faire Liste / Freie Wähler) hat nach eigener Aussage kein Problem damit, dass weitergesendet wird, was er gesagt hat: “die ganze Welt kann es hören”. Gerhard Merkelbach beantragte die Rückverweisung der Sache in den Hauptausschuss. Dieser Antrag wurde mit 19 Ja- gegen 21 Neinstimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt.

Ein Änderungsantrag Wilhelm Zimmerlins scheiterte mit 19 Ja- gegen 20 Neinstimmen bei einer Enthaltung. Der Verwaltungsvorschlag wurde sodann mit 21 Ja- gegen 19 Neinstimmen bei einer Enthaltung angenommen. Wieso bei den in einem Zeitraum von nur wenigen Minuten nacheinander vorgenommenen Abstimmungen jeweils eine unterschiedliche Zahl von Stimmen abgegeben wurde, erläuterte die Oberbürgermeisterin nicht. Aufgrund des von Dr. Kaster-Meurer gewählten elektronischen Abstimmungsverfahrens ohne Anzeige fürs Publikum war es nicht möglich nachzuvollziehen, welche Stadtratsmitglieder jeweils abgestimmt haben und welche nicht. Und erst recht nicht, wie sie abgestimmt haben.