EILMELDUNG: Bosenheim bekommt 1.000 grüne Dächer!

Wieder einmal ist dem Bosenheimer Ortsvorsteher Dr. Volker Hertel ein beispielloser Coup gelungen. Nach dem einzigen Wildfleisch-Automaten im Stadtgebiet und dem weltweit ersten Nachweis der Art “Bosenfink”, gelang ihm jetzt der Beitritt Bosenheims zu einem europäischen Förderprogramm. Aber lesen Sie die Dokumentation des bürokratischen Husarenstückes in den Worten des Mannes, der die Sprache rheinhessischer Winzer ebenso gut versteht, wie die der Monsterbehörde in Brüssel, Dr. Volker Hertel:

“Liebe Bosenheimer Leute, endlich mal eine gute Nachricht! Und dann noch so unerwartet! Bosenheim wurde in das Europaweite Programm „Commune de mille toits verts / Kommune der 1000 grünen Dächer“ aufgenommen! Das zähe Ringen hat sich gelohnt. Obwohl das Programm europaweit ausgeschrieben ist, ist es noch fast unbekannt. Es ist mir gelungen die intensiven Verhandlungen mit der EEA, der Europäischen Umweltagentur, unbemerkt von der Öffentlichkeit zu führen, obwohl diese ihren Sitz bekanntlich in Kopenhagen hat.

Nachdem im Jahr 2019 die Metropole Berlin den Zuschlag bekam (https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/stadtgruen/gruendaecher/), hatte ich nicht damit gerechnet, dass unser kleines Bosenheim überhaupt in die engere Auswahl kommen könnte. Und doch hat die Bosenheimer Bewerbung die Jury überzeugt. Die Zielsetzung des Programms ist die Kompensation indigen induzierter Emissionen, wie Kohlendioxid, Stickoxide, Feinstaub und anderer Luftschadstoffe, sowie Lärm. Eine Teilnahme ist nur für jene Kommunen möglich, bei denen 95,7% dieser Emissionen – jede für sich – zweifelsfrei von Einheimischen stammen.

Dieser Prozentsatz ist für unser kleines Dorf eine hohe Hürde, tragen doch die Fahrzeuge Auswärtiger auf der B428 und der Rheinhessenstraße einiges an Fremdemissionen bei. Hier danke ich allen Einheimischen für deren selbstlose Mithilfe: Nur durch den engagierten Einsatz eigener PKWs und einer nicht unerheblichen Menge betagter Traktoren konnten wir den Anteil der Eigenemissionen so weit anheben, dass die Emissionen Durchreisender deutlich unter den maximal zulässigen 4,3% geblieben sind. Ich möchte ausdrücklich auch denen danken, die ihr Auto zwar seltener als benutzen, als es wünschenswert wäre, dieses Manko aber durch das beherzte Verfeuern nassen Holzes, beschichteter Spanplatten und gelber Säcke im heimischen Kamin mit Erfolg kompensieren.

Kurz und gut: Wir nehmen ab sofort am Programm „Commune de mille toits verts“ teil! In naher Zukunft können wir uns an 1000 grünen Dächern in Bosenheim erfreuen. Diese Dächer verbessern das Klima, sie erzeugen Sauerstoff, binden Kohlendioxid und Feinstaub. Sie speichern das Regenwasser, sie schlucken den Lärm, anstatt ihn an der festen Dachhaut zu reflektieren. Sie sorgen dafür, dass das Dachgeschoss im Winter warm, im Sommer kühl bleibt! Das zu Erreichen ist eine einmalige Chance, und so habe ich zusammen mit Virginijus Sinkevičius, dem EU-Kommissar für Umweltschutz, den Vertrag schon heute Nacht in einer kleinen Feierstunde im Gemeindehaus unterzeichnet.

Traurigerweise war die Öffentlichkeit nicht zugelassen, der Infektionsschutz geht vor. Die Medien werden in den nächsten Tagen sicherlich ausführlich berichten. Mit der Teilnahme am Programm haben wir uns als Kommune verpflichtet, 1000 Dächer in Bosenheim bleibend zu begrünen. Ob intensiv, also mit mehr als 15 cm Substrathöhe, oder extensiv mit weniger Substrat, bleibt jedem Hausbesitzer dabei selbst überlassen. Die Begrünung wird von der EU großzügig gefördert, vorausgesetzt, es wird ausschließlich das zertifizierte Saatgut verwendet.

Kopfzerbrechen hat uns anfangs die verbindliche Anzahl der zu begrünenden Dächer gemacht, denn hier sind keine Unterschreitungen zulässig. In Bosenheim gibt es derzeit 457 Wohnhäuser. Damit fehlen 543 Dächer zu den 1000 notwendigen. Nebengebäude können hier ausnahmsweise nicht berücksichtigt werden, denn nach der EU-Verordnung 2018/4711 über die Egalisierung von Fachtermini im Hochbau werden Dächer von Nebengebäuden, auch wenn sie begrünt werden, nicht als eigenständiges Dach im Sinne der paneuropäischen Bauordnung gewertet, ungeachtet einer tatsächlichen baulichen Trennung (s. PanEuBO §§ 3141 ff)

Wir konnten hier jedoch ein Schlupfloch in der Programmausschreibung finden: Nirgendwo im Ausschreibungstext ist festgelegt, dass die zu begrünenden Dächer zwingend Dächer von Immobilien sein müssen. Somit ergibt sich die Möglichkeit, auch die Dächer von Fahrzeugen zu begrünen, soweit sie nicht dauerhaft, eben „immobil“ auf dem fraglichen Grundstück abgestellt sind.

Von einer intensiven Begrünung raten wir bei Fahrzeugen ab, vor allem bei Kleinwagen, da die zulässige Dachlast, insbesondere bei Dauerregen, recht schnell überschritten wird. Vorsicht ist allerdings auch bei extensiver Begrünung geboten, denn sobald sich Nester von Bodenbrütern wie Wachteln oder Kiebitz zeigen, ist mit einem Fahrverbot bis zum Schlupf der Küken zu rechnen. Bei Nesthockern wie der Feldlerche ist hier zudem noch die etwa 10tägige Nestlingszeit hinzuzurechnen.

Bei der Fahrzeugwäsche ist der Waschanlagenbetreiber zwingend darauf hinzuweisen, dass die obere Walze abgeschaltet wird, um das Fahrzeug nicht versehentlich zu skalpieren. Die Wäschen sollten in der sommerlichen Trockenheit einmal wöchentlich und dann durchdringend erfolgen. Besitzer eines Fahrzeug mit Schiebedach können diese Funktion nutzen, um alle 14 Tage eine Wurzeldüngung vorzunehmen. Beim Schließen des Daches ist darauf zu achten, keine Regenwürmer einzuklemmen. Maulwürfe kommen bei extensiv begrünten Fahrzeugdächern im allgemein nicht vor.

Neben den allgemeinen Vorteilen begrünter Dächer winken uns als teilnehmender Kommune weitere Vorteile. So werden allen Einwohnern und Einwohnerinnen Benzingutscheine gewährt, die zum Bezug steuerbefreiten Kraftstoffs berechtigen. Sie können allerdings nur für Fahrten innerhalb Bosenheims genutzt werden. Bei der ortsüblichen Fahrzeugnutzung sollte das aber keine wesentliche Einschränkung bedeuten. Weiterhin werden jedem Fahrer wöchentlich 5 Freipunkte für das Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamts in Flensburg gewährt. Sie können für Geschwindigkeitsübertretungen innerhalb der Ortslage eingelöst werden können, allerdings nicht mehr als 3 Punkte innerhalb von 24 Stunden.

Als besondere Vergünstigung werden bei Polizeikontrollen zur Bestimmung des Blutalkohols nur solche Getränke berücksichtigt, die außerhalb Bosenheims erzeugt oder gekauft wurden. Abgelehnt habe ich allerdings die sonst so begehrte Ismirdo-che-Gal-Parkberechtigungkarte(1). Sie hätte alle dazu berechtigt
# den häuslichen Stellplatz dauerhaft leer zulassen und mit dem Fahrzeug die Straßen vollzustellen.
# die eigene Garage mit Fahrrädern, Schlitten, Booten und Gerümpel vollzustopfen, bis sie nicht mehr als Stellplatz nutzbar ist.
# an Engstellen so zu parken, dass wirklich keiner mehr vorbeikommt
# ohne 5-m-Abstand an Kreuzungen zu parken, auch an unübersichtlichen
# Gehwege auch an Hauptstraßen mit dem parkenden Fahrzeug vollständig abzuriegeln. Sollte das Fahrzeug dafür ausnahmsweise zu schmal sein, darf auch quer geparkt werden
# auf dem Friedhofsparkplatz wochenlang alles abzustellen, was irgendwie Räder hat oder früher einmal hatte
# in der Feuerwehrausfahrt zu parken und bei Vollalarm noch in Ruhe den Kaffee beim Bäcker auszutrinken
# in verkehrsberuhigten Zonen auch noch die letzte Lücke zuzustellen

Ich habe diese Parkkarte für Bosenheim abgelehnt, weil sie den heimischen Kraftfahrern und Kraftfahrerinnen keinerlei Erleichterung bei der Parkplatzsuche brächte. Mit der Teilnahme Bosenheims am Programm „Commune de mille toits verts“ sehe ich einer blühenden Zukunft entgegen und wünsche allen in Bosenheim zunächst einmal einen schönen April, vor allem einen schönen Ersten April”.

(1) Ismirdo-che-Gal, *1902 in Douglas, Isle of Man, +1974 in Flensburg, Diplomatensohn lateinamerikanischer Abstammung. Che-Gal erhob am Gründonnerstag des Jahres 1926 mit seiner Erfindung des Parkens in dritter Reihe auf der Gegenfahrbahn das Falschparken endgültig zur Kunstform. Noch heute erinnern ermahnte Falschparker an den Bohémien des ruhenden Verkehrs, in dem sie durch dreimaliges Ausrufen seines Namens jeglicher Kritik an ihrem Verhalten die Sinnhaftigkeit nehmen.