Werner Lorenz: Plädoyer für das Bosenheimer Bad

Wie in der aktuellen Berichterstattung gestern angekündigt, veröffentlicht diese Seite nachstehend den Textentwurf der Rede, die Stadtratsmitglied Werner Lorenz (FDP) in der Sitzung am 18. März 2021 gehalten hat. Die in diesem Text angegebenen Details sind teilweise seit Jahrzehnten intern bekannt. Die Tatsache, dass erst rund 62 Jahre nach der Eingemeindung Bosenheims darüber öffentlich in einer Stadtratssitzung gesprochen wird und zB auf der Stadtseite viele dieser Fakten schlicht verschwiegen werden, zeigt das Versagen von Stadtverwaltung und Stadtrat bei der Binnenintegration und beim Innenmarketing.

Das ist keine neue Entwicklung und nicht allein der amtierenden Oberbürgermeisterin und den aktuellen Stadtratsmitgliedern anzulasten. Aber es zeigt eines der großen Probleme der Bad Kreuznacher Kommunalpolitik auf. Es wird über viele schöne Dinge gelabert. Zeitgleich wurden höchst relevante stadtgesellschaftliche Prozesse über Jahrzehnte vernachlässigt. Die Redaktion dieser Seite ist überzeugt: gäbe es funktionierendes Innenmarketing und wirksame Binnenintegration – alle anderen kommunale Aufgaben wären leichter zu bewältigen, weil sich mehr Einwohner*Innen fürs Mitmachen mobilisieren lassen würden.

Ein Beleg für das Totalversagen in dieser Frage ist: keinem einzigen Politiker und der Presse war das erschreckenste Ergebnis der Landtagswahl vom vergangenen Sonntag auch nur einen angemessenen Kommentar wert: die im Stadtgebiet auf rund 54% gesunkene Wahlbeteiligung. Demnach waren sieben Wahlkreisbewerber*Innen und 13 Parteien nicht in der Lage, 46% – fast die Hälfte – der Wahlberechtigten zum Wählen zu motivieren: was sagt das aus, über die soziale und politische Bindewirkung des örtlichen Polit-Systems? Doch nun zur Lorenz-Rede:

“Sehr geehrte Oberbürgermeisterin, liebe Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat von Bad Kreuznach, wir müssen nicht lieb sein, sondern beweisen, dass Glaubwürdigkeit und Zusagen von uns eingehalten werden. Schon 1961 bei den ersten Gesprächen zwischen der Stadt KH und der Gemeinde Bosenheim hat Herr Zisken (CDU-Stadtrat) dem Gemeinderat von Bosenheim erklärt, dass man an dem kleinen Dorf Bosenheim kein Interesse habe, sondern nur das Gebiet in östlicher Richtung. Dieses wurde von mehreren Stadträten und Landtagsabgeordneten sowie dem neugewählten Landrat Hans Schumm bekräftigt – man wolle keine Einwohnermehrung, sondern nur Entwicklungspotential im Osten schaffen.

Die Gemeinde Bosenheim hatte für diesen Gemarkungsteil mit zwei rechtskräftigen Bebauungsplänen bereits belegt. Daraufhin kauften die Firmen Fundgrube, Max Rehm, Bussmer, Holzhandlung Kurz, Bauunternehmung Lemke und Heeb dort Grundstücke. Um dieses Gebiet dann auch mit ausreichend Wasser zu versorgen, wurde eine neue Druckleitung vom Wasserversorgungsverband Wörrstadt gelegt und von Bosenheim mit 1 Millionen DM bezahlt. Die Stadt KH hatte zur damaligen Zeit 37.172 Einwohner. In einem Protokoll der Stadtverwaltung ist nachzulesen:

„Es ist notwendig, dass die Stadt im Osten ausgeweitet wird.“ Und mit einer Eingemeindung Bosenheims stünden der Stadt dann auch 115 ha potentieller Gewerbeflächen zur Verfügung. Am 30.10.1968 wurde eine Bürgerbefragung zur Eingemeindung in Bosenheim durchgeführt; 78% der Bosenheimer haben diese Eingemeindung abgelehnt! Ähnlich auch die Meinung der Planiger Bürger. Von 1961 an hat OB Muß und sein Nachfolger alles getan, um das Territorium von Bad Kreuznach zu erweitern. Es gab jedoch auch Überlegungen eine Verbandsgemeinde aus den Orten Volxheim, Hackenheim, Bosenheim, Pfaffen-Schwabenheim, Planig, Ippesheim und Biebelsheim zu gründen.

Die Bemühungen eine VG zu gründen, wurde von KH mit aller Macht bekämpft. Dem stellvertretenden Landrat des Kreises Bingen und gleichzeitiger hauptberuflicher Bürgermeister von Planig, wurde deswegen ein lukrativer Beigeordneter-Posten in der Stadt Bad Kreuznach angeboten. Dieses kam aber nicht zustande, weil es ein anderer wurde. Also brauchte es ein neues Mittel um Planig und Bosenheim doch noch einzugemeinden. Um die Gemeinden in Bosenheim und Planig milde zu stimmen, wurden Versprechungen von Seiten der Stadt gemacht.

In dem ausgearbeiteten Eingemeindungsvertrag waren mehrere Punkte unter § 10 aufgelistet, wie z. B. die Erhaltung und Betreibung des Schwimmbades ohne zeitlichen Ablauf! Unter § 11 wurde ganz klar festgehalten, dass die Gewerbesteuereinnahmen in die Gemeinde Bosenheim zurückfließen, sogar auch wenn diese steigen. Diese Vereinbarung ist definitiv nicht eingehalten worden. Das beweist der große Sanierungsstau im Bosenheimer Freibad. Das sind bis heute die Vertragsbedingungen, beschlossen am 4.6.1969 von OB Fink und dem gesamten Stadtrat. Warum gibt es dieses Bad überhaupt?

Es wurde vor 90 Jahren von Frauen und Männern in Eigenleistung mit einfachen Mitteln gebaut. Das Land dazu haben die Bauern und Winzer gegeben, um etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun. Es diente als Feuerlöschteich und als Schwimmbad und wurde mit einfachen Mitteln betrieben. Hier übt mittlerweile die 6. Generation das, was sie anderen Orts vor dem Ertrinken bewahrt. Das Schwimmbad in Wohnort nähe garantiert die überlebenswichtige Schwimmfähigkeit, so die DLRG und die Schwimmverbände.

Wenn dann ein Mitglied des Finanzausschusses der Stadt Bad Kreuznach heute, von einer „Nazi-Pfütze“ redet, beschmutzt das die ehrenhafte Leistung unserer Vorfahren ungeheuerlich und sollte Konsequenzen haben. Mit unserer jetzigen Haushaltspolitik bürden wir kommenden Generationen große Lasten auf. Die Beispiele dafür sind vielfältig. Allem voran: die Mobilitätsstation! Über 7 Mio. für freiwillige Leistungen, die Betonung liegt auf freiwillig. Aber für die vertraglichen Vereinbarungen soll kein Geld vorhanden sein! Schon einmal im Juni letzten Jahres lag Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gesundheit der Badegäste so am Herzen, dass der Badebetrieb ausfiel.

Nun kommt das Argument von den Gegnern unseres Bades, der Vertrag biete keine Ewigkeitsgarantie. Für mich ist das eine merkwürdige Vorstellung von Ewigkeit. So wird vom Deutschen Bundestag zur Verpflichtung von Eingemeindungsverträgen festgehalten: Sie unterliegen grundsätzlich den Regeln des allgemeinen Vertragsrechts. Demnach gilt der Grundsatz der Vertragstreue, also sind Verträge grundsätzlich für beide Parteien rechtlich bindend. Eine Vertragspartei kann sich nicht einseitig von den vertraglichen Verpflichtungen lösen.

Die aufnehmende Gemeinde ist daher grundsätzlich an ihre Zusagen gebunden. Es wird dort festgehalten: In Eingemeindungsverträgen getroffenen Zusagen sind rechtsverbindlichen Charakters. Es gibt Menschen die über 60 oder 70 Jahre in einem Haus wohnen, das Sie, ihre Eltern oder Großeltern vor vielen, vielen Jahren gekauft haben, im guten Glauben, dass der damalige Eigentümer nicht plötzlich vorbeikommt und das Haus einfach zurückfordert. Wer will hier von Ewigkeit reden, wer will davon reden das solche Verträge an Gültigkeit verlieren? Das kann und darf nicht sein.

Und überhaupt, was heißt Ewigkeit?! 1972 gab es den ersten Vorstoß der Stadt Bad Kreuznach zur Schließung des Schwimmbads. Wir haben einen Vertrag, wir in Bosenheim zweifeln diesen Vertrag nicht an, sondern erfüllen unsere Verpflichtungen. Und so fließen die Steuereinnahmen aus dem Gewerbegebiet, Jahr für Jahr in die Stadtkasse. 1 Millionen jedes Jahr. Wir erwarten schlicht und einfach, dass auch der andere Vertragspartner, die Stadt Bad Kreuznach, sich an diesen Vertrag hält! Wer einen Vertrag unterschreibt übernimmt Verantwortung und erwartet Verantwortung.

Wenn sich eine Seite nicht an den Vertrag hält, wird man diesen Vertag in Frage stellen müssen. Lassen Sie es nicht soweit kommen. Bei einem Prozess werden wir alle verlieren. Wir verlieren Zeit und die Stadt Bad Kreuznach verliert Ansehen. Es ist mir vollkommen klar, dass wir uns finanziell in schwierigen Gewässern bewegen. Wir erlauben uns 7,2 Millionen freiwillige Ausgaben, die u. a. durch Wahlversprechen ausgelöst wurden. Vor der letzten Kommunalwahl haben, wir vom Schwimmbadförderverein, eine Diskussion mit allen für den Stadtrat antretenden Parteien durchgeführt.

Damals hat der Geschäftsführer der Bad GmbH, Klaus Dreesbach, festgehalten, dass 100.000 € für die Technik gebraucht würden. Sowie 1 Millionen für den dauerhaften Fortbestand investiert werden müssten. Heute wissen wir aufgrund des aktuellen fortgeschriebenen Gutachtens, beauftragt durch die BAD GmbH, dass es zwei Sanierungsvarianten gibt: eine über 1,1 Mio. € und die andere Variante über 1,3 Mio. €. Frau Manz von den Grünen hielt in dieser Podiumsdiskussion fest: „Dieses Schwimmbad hat eine Daseinsberechtigung.“ „Das Bad ist nicht verhandelbar,“ war das Argument von Herrn Butz.

“Vertrag ist Vertrag”, so die AFD. Faires Bad Kreuznach, kurz und bündig: „Das Bad muss bleiben!“ Die CDU mit Herrn Rapp hielt fest, dass 2 Herzen in seiner Brust schlagen. Aber Herr Rapp muss aus seiner beruflichen Tätigkeit wissen, wie das mit Verträgen und Vereinbarungen ist. Die FDP hat erkannt das ihre frühere Auffassung zu dem Bad nicht in Ordnung war und spricht sich deshalb heute in aller Deutlichkeit für dessen Erhalt aus. Man erwartet, dass wir Bosenheimer uns als Kreuznacher fühlen.

Wer sich aber die Geschichte unseres Schwimmbads vor Augen führt, wird verstehen, dass man sich mit einem solchen Vertragspartner nur schwer identifizieren kann. Ich halte ausdrücklich fest: Für Sie mag das vielleicht wie ein Witz klingen, für uns ist es totaler Ernst. Natürlich denken wir nicht erst seit gestern über eine Ausgemeindung unseres Dorfes aus dem Gemeindeverbund nach. In all den Jahren und im stetigen Kampf um u.a. dieses Freibad wird dieser Wunsch immer größer. Bei der jüngsten Landtagswahl wurde uns vermittelt, wie verlässlich unsere Politiker sind. Heute kann bewiesen werden, dass dieser Stadtrat vertragstreu und auch verlässlich ist.

Zum Schluss will ich der SPD-Fraktion danken, dass sie gemeinsam mit uns einen Weg suchen, wie die Zukunft ohne den stetigen Kampf zur Erhaltung für dieses Freibad gestaltet wird. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass mein weitausgeholtes Plädoyer Sie zum Nachdenken bringt und wir mit Ihrem JA für das kleine Familienbad im Osten unserer Stadt rechnen. Um die Zeit nun nicht noch weiter voranschreiten zu lassen, verzichten wir auf die namentliche Abstimmung. Bad Kreuznach-Bosenheim, 18.03.2021, Werner Lorenz”

Werner Lorenz spricht am 18. März 2021 in der Stadtratssitzung, die erstmals im Leonardo-Hotel stattfand, für den Erhalt des Bosenheimer Freibades.