Dr. Herbert Drumm: Überlegungen zu einer weiterführenden Bildungspolitik

Gastbeitrag von
Dr. Herbert Drumm

Von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unseres Landes, unserer Republik, sind die geistigen Fähigkeiten unserer Bürgerinnen und Bürger – der einzige chancenreiche Rohstoff, den wir besitzen. Diese Fähigkeiten müssen lebenslang, aber vor allem in jungen Jahren bestmöglich entwickelt und gefördert werden, sowohl in der Breite als auch in der Spitze. Für die Breitenförderung wird viel getan, doch die Spitze kommt zu kurz. Hier besteht Handlungsbedarf! Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Arbeitswelt in naher Zukunft von Künstlicher Intelligenz und Robotik geprägt sein.

Einfache Arbeiten wird es nur noch in geringem Maße geben. Handwerk und verschiedene Dienstleistungen werden wohl am längsten gebraucht. Ihre Stärkung muss ein bildungspolitisches Ziel sein, das allerdings durch die Abschaffung der „alten“ Realschule sehr erschwert wird. Noch dringender benötigt werden hervorragend ausgebildete junge Menschen, die in der Lage sind, Weiterentwicklungen in den verschiedensten Bereichen anzustoßen und durchzuführen – vor allem in naturwissenschaftlicher und technischer Hinsicht – und zudem Spitzenpositionen auszufüllen. Des Weiteren wird es kaum mehr lebenslange Arbeitsplätze geben.

Geistige Flexibilität und die Fähigkeit, sich in neue Gebiete einzuarbeiten, wird also von herausragender Bedeutung sein, vor allem in „höheren Positionen“. Dazu müssen gerade bei diesen Menschen sowohl ein möglichst hoher Allgemeinbildungs- und Wissensstand erreicht als auch ihre besonderen persönlichen Fähigkeiten gefördert werden. Trotz großer digitaler Bibliotheken sind z.B. ein umfangreiches Faktenwissen sowie die Schulung und das Beherrschen von vielen Methoden unabdingbar für vernetztes Denken. Aus diesem entspringen durch Anstöße aus den verschiedensten Bereichen neue Ideen – die entscheidende Grundlage für wegweisende Entwicklungen.

Während die Hochschule die spezialisierte Ausbildung leistet, muss die Schule die entscheidende, breite Grundlage gewährleisten. Dies ist derzeit bei herausragenden Schülerinnen und Schülern oft nicht mehr der Fall. Wir brauchen also einen neuen gymnasialen Zweig, der sich dieser Problematik annimmt. Zugangsvoraussetzungen sind vor allem Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit der Schülerinnen und Schüler. In der Regel kann dies an Grundschulen am besten beurteilt werden. Und ganz ohne Unterstützung des Elternhauses geht es auch nicht. Hochbegabtenklassen sind ein Schritt in diese Richtung, doch man muss sie überdenken und weiterentwickeln.

Und noch eines: Die Spitzenförderung muss eine besondere Aufgabe der staatlichen Schulen sein. Sie sollte nicht zu sehr privaten Anstalten überlassen werden. Aber nun zu einigen grundlegenden praktischen Folgerungen:Die Entwicklung der Kinder verläuft heute schneller als noch vor wenigen Jahren. Die Kindertagesstätten leisten einen guten Beitrag zur frühkindlichen Bildung und vorschulischen Erziehung. Daher sollte das Schuleintrittsalter durch einfache Verschiebung der Fristen im Schnitt um ein halbes Jahr vorverlegt werden. Dies würde für die Kommunen auch eine Entlastung im Kita-Bereich nach sich ziehen.

Die Entwicklung guter Schülerinnen und Schüler wird in der Grundschule behindert, wenn ein Großteil der Zeit wegen mangelnder Deutschkenntnisse anderer verloren geht. Daher müssen entweder beim Eintritt „normale“ Deutschkenntnisse vorhanden sein, oder es müssen Klassen nach Deutschkenntnissen differenziert werden. Um eine möglichst umfassende Allgemeinbildung zu erreichen, wobei gerade auch die letzten Klassen und das Alter eine große Rolle spielen, ist das neunjährige Gymnasium nötig, eventuell mit Überspringungsmöglichkeiten. Durch den früheren Schuleintritt ergibt sich ein Zeitkompromiss.

Im neuen gymnasialen Zweig sollen nicht nur Grundlagen für besondere wissenschaftliche und wirtschaftliche Leistungen gelegt werden, sondern aus ihm sollen auch Führungspersonen hervorgehen. Gerade diese Menschen müssen in Zukunft immer mehr Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft übernehmen – bis hin zum politischen Bereich. Daher wird es immer wichtiger, dass sie mitten im Leben stehen, nicht über allem schweben und den Bezug zur Basis behalten. Darauf muss gerade hier großer Wert gelegt werden.

Um die zur Förderung notwendige Zeit zu haben, muss dieser neue Zweig in Halbtagsform ablaufen bei höchstens ein bis zwei verplanten Nachmittagen, auch für Arbeitsgemeinschaften – oder die Einbeziehung von Samstagen. Und es müssen verbindlich Kontakte nach „draußen“ bestehen, z.B. durch Praktika und verbindliche Teile des Unterrichts (s.u.). Bei entsprechenden Stundentafeln kann man sich an Vorbildern z.B. aus den Hochbegabtenklassen orientieren. Für einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig gibt es meines Erachtens bei den Hauptfächern und den Leistungskursen in der Oberstufe kaum Wahlmöglichkeiten:

Deutsch, Mathematik, Physik (entfällt in den Anfangsklassen oder wird dort eventuell durch die zweite Fremdsprache ersetzt), eine Fremdsprache. In den unteren Klassen muss großes Gewicht auf Fremdsprachen gelegt werden, das sich dann Schritt für Schritt in den naturwissenschaftlichen Bereich verschiebt. Ein Einstieg in der 5. Klasse mit zwei Fremdsprachen erscheint mir sinnvoll. Dabei sollte eine der Sprachen Latein sein, weil dadurch logische Fähigkeiten besonders trainiert werden. Für die Verzahnung zum außerschulischen Leben sind die musischen Fächer und Sport bestens geeignet.

Die Schülerinnen und Schüler dieses Zweiges sollten in der Regel verpflichtend zwei Sportarten in Vereinen betreiben, darunter einen Mannschaftssport. Sinnvoll wäre sicherlich auch ein asiatischer Konzentrationssport. Darüber hinaus sollten sie in mindestens einer außerschulischen musischen Gruppe aktiv sein. Der angesprochene Halbtagsunterricht ermöglicht alle diese Aktivitäten. Zum Schluss noch eine Überlegung grundsätzlicher Art: Wenn wir bei aller kulturellen Vielfalt auch in Zukunft ein einheitlicher Staat bleiben wollen, ist es von allergrößter Bedeutung, die Fächer Gemeinschaftskunde, Ethik sowie den konfessionellen Religionsunterricht neu zu überdenken. Dies wird Teil eines weiteren Artikels sein.

Dr. Herbert Drumm ist Kreistags- und Stadtratsmitglied für die Freien Wähler und kandidiert im Wahlkreis 17 als Direktkandidat für den Landtag