Sozialdemokraten wechseln die Taktik

An der Sitzung des Finanzausschusses am 11. Januar nahm kein SPD-Ausschußmitglied teil. Angesichts von über 1.000 akut Infizierten und einer Inzidenz über 200 lehnten die Genossen Präsenzsitzungen strikt ab. Gestern besetzten die Mitglieder der SPD-Stadtratsfraktion drei der ihnen zustehenden vier Plätze: Dr. Heinz Rüddel, Björn Wilde und Yunus Senel nahmen an der Sitzung teil. Dr. Rüddel erklärte dazu auf Anfrage der Redaktion dieser Seite, dass seine Fraktion nach wie vor Videokonferenzen bevorzuge.

Aber “angesichts der deutlich unter 200 gesunkenen Inzidenzwerte” sei ein neuer Beschluss gefaßt worden. Nun ist jedem einzelnen Genossen überlassen, ob er-sie-es an Präsenzsitzungen teilnimmt. Tatsächlich hat sich die Lage an der Infektionsfront deutlich entspannt. Zumal sich ein großer Teil des Geschehens in Stadt und Kreis in Senioren- und Krankeneinrichtungen abspielt. Allerdings dürfen bei dem Taktikwechsel der SPD-Fraktion auch andere Überlegungen eine Rolle gespielt haben.

Im Januar hoffte man beim gemeinsamen Boykott mit den Grünen auf Präsenz-Gegner auch aus anderen Fraktionen. Und damit auf die Beschlußunfähigkeit von Sitzungen. Da aber die Linke trotz klarer Ablehnung der Präsenzsitzungen ebenso klar ja sagt zur Wahrnehmung von Verantwortung im Amt, Lothar Bastian (Grüne) lieber Angesicht zu Angesicht tagt und Wolfgang Bouffleur die Möglichkeit, an Stelle eines SPD-Fraktionsmitgliedes mitzustimmen gerne annahm, hätte sich die SPD beim Festhalten am Fernbleiben selbst ins kommunalpolitische Abseits gestellt, weil selbst das Daheimbleiben von “Videofreunden” aus der CDU die Sitzungen nicht verhindert hätte.

Und ganz so selbstzerstörerisch sind die Sozialdemokraten in Bad Kreuznach dann auch wieder nicht. Übrigens. Ein 100% erfolgreicher Boykott war eigentlich nur der gegen den Namensgeber vor rund 150 Jahren. Als britische Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg deutsche Waren boykottiert sehen wollten und diese daher mit der Zwangsaufschrift “Made in Germany” versahen, mutierte der Boykott zur erfolgreichsten Absatzförderungsmaßnahme der Nachkriegszeit.