Aufgespiesst: die schöne neue digitale Abhörwelt

Zugegeben. Neu ist das nur für Bad Kreuznach. Denn hier haben sich die kommunalen Gremien bis gestern Abend immer in Präsenz getroffen. Öffentlich. Aber auch nichtöffentlich. Gedanken, Argumente und Unflätigkeiten wurden Auge in Auge ausgetauscht. Abgesehen von Ergebnissen und Tatsachen, auf die die Einwohner*Innen ohnehin einen Rechtsanspruch haben, wurde selten etwas “durchgestochen”. Und so gut wie nie berichtet. Eigentlich eine heile Welt für Geheimniskrämer. Wen hat auch schon interessiert, welches Ratsmitglied wen daheim zu Besuch hat.

Mirko Kohl präsentierte sich gestern Abend in der Videositzung des Hauptausschusses nicht nur konzentriert, sondern mit dem Winzenheimer Wappen im Rücken auch als Stadtteil-Patriot.

Wann wer gerade bei heiklen Themen das WC aufsucht. Oder durch sonst welche Tätigkeiten vom Sitzungsgeschehen abgelenkt ist. Die schöne neue digitale Welt macht eine totale Kontrolle der Sitzungsteilnehmenden möglich, die daheim oder im Büro an ihren Tablets und PCs sitzen. Wie der Hacker unseres Vertrauens der Redaktion bestätigt hat, ermöglicht die von der Stadtverwaltung eingesetzte Technik “praktisch keinen Schutz vor der unbemerkten Anwesenheit unbefugter Dritter”.

Der Oberbürgermeisterin mochte man als Beobachter zwischendrin immer mal wieder zurufen: bitte etwas mehr Begeisterung.

Und damit ist nicht die technisch mögliche Ausspähung von Teilnehmenden untereinander gemeint. Sondern ein Zugriff “von aussen”. Der dabei dank der Webcams und Heim-Mikrophone auch mitbekommt, was sich dort tut, wo die Teilnehmer*Innen städtischer Videokonferenen die Übertragung verfolgen. Das kann natürlich jenen Stadtrats- und Ausschußmitgliedern, die sich im Sitzungssaal versammelt haben, egal sein. Und die anderen verlassen sich eben auf die Stadtverwaltung. Und sind somit ihrem “Freund und Lauscher” ungeschützt ausgeliefert.