Stadträte sicher vor der Kamera – Einwohner*Innen gefährdet im Sitzungssaal

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Seit gestern “informiert” die Stadtseite bad-kreuznach.de über die für morgen geplante Stadtratssitzung als Videokonferenz. Wer auf “Politik” klickt, liest unter der Überschrift “Videokonferenzen”: “Die anstehende Stadtratssitzung am 14.01.2021 wird mittels einer Videokonferenz nach § 35 Abs. 3 GemO durchgeführt. Der* Sitzung können Sie im neuen Sitzungssaal, ehem. Telekomgebäude, Brückes 2-8, 55545 Bad Kreuznach ab 17:30 Uhr verfolgen. Weitere Informationen und Unterlagen finden Sie im Ratsinformationssystem.”

“Zwei-Klassen-Angebot”

Klickt man auf das RIS, wird dort lediglich die Tagesordnung angezeigt. Zwei Tage vor der Sitzung wird der Öffentlichkeit noch nicht einmal der Zugangslink zur Videoübertragung angeboten – falls es den gibt. Sondern interessierte EinwohnerInnen werden allen Ernstes in den Sitzungssaal geladen. In dem soll es nach der Einschätzung der Videobefürworter wegen der COVID19-Seuche so gefährlich sein, dass die Stadtratssitzung virtuell stattfinden muß. Von dieser Seite befragte Stadtratsmitglieder, allesamt Präsenzsitzungsbefürworter, brachten ob dieser Vorgehensweise ihr Unverständnis über dieses städtische “Zwei-Klassen-Angebot” zum Ausdruck.

Als weiterer Grund der Verärgerung wird eine vom Hauptamt per Email vom 8.1.2021 angekündigte, aber bis gestern nicht eingehaltene Unterstützungszusage angeführt: “ich möchte Sie noch darauf hinweisen, dass ich Sie nächste Woche telefonisch kontaktieren werde. Ich werde mit Ihnen besprechen, ob es zum Ablauf der Sitzung bzw. zum System selbst noch Fragen gibt und Sie evtl. persönlich in der System einweisen und einen Probelauf zu zweit durchführen”, schrieb der zuständige Mitarbeiter. Drei Ratsmitglieder haben der Redaktion dieser Seite glaubwürdig versichert, dass es einen solchen Anruf nicht gegeben hat.

Kein Testlauf für die Öffentlichkeit

Und fragen daher voll Ironie: “wann soll die Unterstützung kommen, am Tag nach der Sitzung?” Auch eine von der Stadt schon vor sechs Tagen verbreitete Ankündigung ist am Morgen des Tages vor der Sitzung noch nicht umgesetzt: “die Zugänge zu den jeweiligen Online-Sitzungen werden rechtzeitig über das Rats- und Bürgerinformationssystem https://bad-kreuznach-stadt.gremien.info/ zur Verfügung gestellt”. Von “rechtzeitig” kann schon seit Tagen nicht mehr die Rede sein. Auch einen Testlauf für die Öffentlichkeit gab es nicht.

Städtische Videokonferenzen: bisher Pleiten, Pech und Pannen

Und dass, obwohl die in den vergangenen Monaten von der Stadtverwaltung unternommenen Versuche von Videokonferenzen käglich gescheitert sind. So mußte – in Anwesenheit der Oberbürgermeisterin – der Beginn einer gemeinsamen Sitzung des Stadtrates und des Finanzausschusses im Großen Kursaal um über 30 Minuten verschoben und die Sitzungszeit entsprechend verlängert werden, weil die Zuschaltung zweier Referenten über das Internet nicht gelang.

“Herr Kohl, hören Sie mich?”

Und vom ersten Versuch einer Videokonferenz mit Mitgliedern des Hauptausschusses im November ist vielen noch der verzweifelte, wiederholte Ruf der OBin in Erinnerung: “Herr Kohl, hören Sie mich?” Es dauerte dann Minuten, bis der Winzenheimer Ortsvorsteher erst zu sehen und dann auch zu hören war. Die sogenannte Hybridsitzung wurde durch diese und andere Pannen um ein Vielfaches der für eine Präsenzsitzung benötigten Zeit verlängert.

* Der falsche Artikel ist ein Originalzitat.