“Verkehrssicherungspflicht ist nicht mehr gewährleistet”

Jährlich sterben in Deutschland Menschen an Astbruch. Zu Personenschäden und Sachbeschädigungen, insbesondere an Autos, kommt es tagtäglich. Aufgrund von Gerichtsurteilen gelten mittlerweile bundesweit hohe Standarts hinsichtlich der Kontrolle von Strassen-, Friedhofs- und Parkbäumen. Nur wenn diese eingehalten werden, zahlt im Schadenfall die GVV Kommunal als Versicherer der Stadt. Zudem sind die Verantwortlichen nur dann von persönlicher Haftung und strafrechtlicher Verfolgung freigestellt. In Bad Kreuznach ist das ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr der Fall. Und das trotz akuter Problembäume.

“Es müssen dringende Baumarbeiten durchgeführt werden”, teilte Hans Sifft vom Tiefbauamt bereits am 16. Dezember den Verantwortlichen mit. Der Grund des Notrufes ist unmißverständlich. Einzelne Bäume “gefährden die Sicherheit von Passanten bzw dem Strassenverkehr”. Dieser Zustand für sich ist nichts Ungewöhnliches. Eigentlich sogar ein Zeichen für gute Verwaltungsarbeit. Denn das von den Stadtbäumen ausgehende Gefährdungspotential ist nur deshalb bekannt, weil zwei entsprechend qualifizierte Mitarbeiter im Tiefbau- und Grünflächenamt alle Bäume in einem festgelegten Turnus kontrollieren.

Deren Feststellungen werden peinlich genau dokumentiert. Und als Aufträge für entsprechende Baumpflegearbeiten an den Bauhof gegeben. Dieser Vergabeweg hat für die Stadt gleich mehrere Vorteile. Zum einen wird in dringenden Fällen, etwa nach Unwettern, sofort gehandelt. Zum anderen stellt der Bauhof deutlich geringere Rechnungen, als private Baumpflegedienste. Doch damit ist am Jahresende Schluß. Also in zwei Tagen. Denn jener Bauhof-Mitarbeiter, der in den vergangenen Monaten die entsprechenden Aufträge in luftiger Höhe zur vollsten Zufriedenheit erledigt hat, darf das nicht mehr machen.

Und er will es mittlerweile auch nicht mehr zu den bisherigen Konditionen. Von seinen Kollegen wird er als “handwerklich geschickt und sehr fließig” beschrieben. Aber weil er keine Berufsausbildung vorweisen kann, verweigert ihm das Personalamt der Stadtverwaltung eine angemessene Bezahlung. Bei einem privaten Unternehmen würde er abgesehen von weiteren Vorteilen auf einen Schlag 300 bis 600 Euro netto mehr verdienen. Für die gleiche Tätigeit versteht sich. Auch aus diesem Grund haben sich bereits zwei seiner Vorgänger für den Weg in die Privatwirtschaft entschieden und unabhängig von einander Anfang diesen Jahres und im Sommer der Stadtverwaltung den Rücken gekehrt.

Schon damals machte die Leiterin der städtischen Personalabteilung, Isabelle Merker, in der Wahrnehmung vieler Bauhofmitarbeitenden unangenehm auf sich aufmerksam. Sie stellte fest, dass der motivierte Mitarbeiter die Baumpflegearbeiten nicht übertragen bekommen darf, weil er nicht über eine Berufsausbildung verfüge. Statt nun die Gehaltseinstufung so hochzusetzen, dass der Bauhof qualifiziertes Personal akquirieren konnte, hielt Merker an der marktunüblichen niedrigen Entlohnung fest. Folge: sämtliche Anstrengungen des Bauhofes zur Anwerbung von geeignetem Personal scheiterten.

Denn aus guten Gründen wollte der Bauhof Typen wie „Ledergesicht“ oder dessen Kumpane aus “The Texas Chain Saw Massacre” nicht an die betriebseigenen Kettensägen lassen. Der fleißige Mitarbeiter zeigte ab dem Sommer auch noch die Eigenschaft “gutmütig” – und erledigte die Arbeit der mit EG 7 eingestuften Stelle für viel weniger Geld (EG 3). Als dann aber auch noch die in Aussicht gestellte Zulage verweigert wurde, zog er die Notbremse. Und verrichtet ab dem Neujahrstag nur noch die einfachen Arbeiten, für die er auch bezahlt wird. Die Rücksichtslosigkeit des Personalamtes führt zu dramatischen Folgen für die Stadt.

Maximilian Kost formuliert diese so: “wir haben gegen unsere Pflichten verstoßen, wenn wir nicht Sorge dafür tragen, dass notwendige Arbeiten im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht auch durchgeführt werden. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass unsere Versicherung leistungsfrei wird und die Stadt einen Schaden damit selbst zu tragen hätte”. Kost rät seinen Kollegen daher “eine schnelle Lösung der Problematik an”. Sachlich und erfrischend klar zieht Philipp Geib (Tiefbauamt) daraus die Konsequenz:

“Nach den Ausführungen von Herrn Kost ist ab 1.1.2021 im gesamten Stadtgebiet die Verkehrsicherungspflicht nicht mehr gewährleistet. Somit haftet die Stadt für alle Schäden und Unfälle (100%). Weiterhin entsteht ein nicht definierbares Risiko (“Gefahr für Leib und Leben”) für ALLE”. Da kann man nur hoffen, dass ausserhalb von Bauhof, Rechtsamt und Tiefbauamt nun endlich auch alle anderen Verwaltungsteile, wie das Personalamt, den Ernst der Lage verstehen. Und sofort handeln. Denn selbst die teuren Privatkräfte sind bis mindestens Februar 2021 nicht verfügbar. Das hat die Verwaltung bereits ermittelt.

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29.03.19 – “Aufwändige Baumpflege in der Planiger Strasse”
11.02.19 – “Baum-Artistik im Schloßpark”