Fahrradgarage steht leer: wird das wirklich der Flop des Jahrhunderts?

Seien wir ehrlich: auch als die ersten Autoparkhäuser aufmachten, standen die nicht gleich voll. Die Parkgebühr war höher als auf den Plätzen. Einige Schritte mehr zu Fuß nötig. Selbst heute noch parken die Bad Kreuznacher*Innen lieber im Freien als in den dafür gebauten Häusern. Scheinbar sind die Unterschiede zwischen Auto- und Radfahrer*Innen – abgesehen vom Fortbewegungsmittel – gar nicht so groß, wie allgemein unterstellt wird. Beim Fahren im Alltag ist es augenfällig: in beiden Gruppen gibt es den Typ “Wildsau”, der-die-das ohne Rücksicht auf Verluste losbrettert.

Schönes, aber leeres Gebäude: Räder werden hier nicht abgestellt.

Sei es auf zwei sei es auf vier Rädern. Ebenso wie die “SonntagsfahrerInnen”. Und natürlich die Normalos, die sich einfach an die Regeln halten. Aber nicht nur beim Fahren, auch beim Parken scheinen sich Auto- und RadfahrerInnen viel ähnlicher zu sein, als beide Gruppen selbst glauben. Vor genau vier Wochen öffnete die Fahrradgarage am Bahnhof. Genutzt wird sie allerdings nicht. Der vom Stadtbauamt berechnete Bedarf schlägt sich – jedenfalls bisher – nicht in Fahrradabstellungen nieder. Obwohl diese derzeit gar nichts kosten. Einfach hochschieben, abstellen und anketten.

Während die Fahrradgarage leer steht, stellen Pendler ihre Räder nach wie vor lieber in den Regen auf dem Bahnhofsvorplatz ab.

Eine (nicht repäsentative) Umfrage dieser Seite an den beiden Werktagen vor Weihnachten lieferte folgendes Ergebnis: nur eine von sieben Fahrradabsteller*Innen vor dem Bahnhof wußte, dass die Fahrradgarage in diesen Wochen kostenlos genutzt werden kann. Keine der sieben Personen hatte das Gebäude, obwohl es offen steht, besichtigt. Zwei gaben ehrlich zu, der Umweg hin und zurück sei ihnen zu lang und zeitraubend, weil sie regelmäßig erst “auf den letzten Drücker” am Bahnhof ankommen. Und gleich vier gaben an, dass Ihnen das Fahrradhaus nicht mehr Sicherheit für ihr Zweirad vermittelt, als der Stellplatz an der Treppe vor dem Bahnhofhaupteingang.

Geschützt sind allein die ein bis zwei Räder täglich, die im VIB-Bereich gegen Extra-Gebühr abgestellt werden.

Eine klare Aussage dazu: “hier draussen geht es tagsüber. Da findet soziale Kontrolle statt. In dem Gebäude hält einen Dieb doch keiner auf”. Drei der Befragten sehen gar nicht ein fürs Radabstellen zu zahlen. Eine Radfahrerin rechnete uns vor: “ich kaufe nur gebrauchte Räder für höchstens 100 Euro je. Gut ein Jahr halten die durch. Da zahle ich doch nicht das Mehrfache und habe trotzdem keine Garantie”. Einen Vergleich sollte die Stadtverwaltung unbedingt untersuchen: die Nutzung der Fahrradstation in der Roßstrasse und die Zweiräderabstellung rund um den Kornmarkt.

Zwar seit 1.12.2020 offiziell voll in Betrieb. Aber weder die Ein- und Ausgangssperre an der Rampe noch die Schließfachanlage noch die Zu- und Ausgänge sind komplett fertiggestellt.

Auch in den letzten Nieselregen-Tagen standen die Räder auf dem Platz – und nicht unter dem Dach. Obwohl die Entfernung sogar kürzer ist, als am Bahnhof. Und die Anlage in der Innenstadt ebenerdig und gut einsehbar ist. Einen Fehler sollten die Verantwortlichen jetzt nicht machen: sich auf das Wetter rausreden. Die Tatsache, dass es an der Nahe Frühjahr, Herbst und Winter gibt, mithin ungünstige Umstände für Fortbewegung im Freien, war auch 2016 bei der Bedarfserhebung bekannt.

Voll mit Rädern ist allein das von OK Move genutzte Mietradlager.

Damals wurden 145 Nutzer*Innen täglich ermittelt. Heute kann jeder sehen, dass tatsächlich – auch mitten im Winter – viele Menschen mit dem Rad in der Stadt unterwegs sind. Es kann also nicht darum gehen die Nichtnutzung durch das Wetter zu erklären. Zumal in den Beschlußvorlagen zum Bau der Millioneninvestition an keiner Stelle der Hinweis steht, dass der Bedarf nur in den Sommermonaten besteht.

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