Dr. Kaster-Meurer sagt Stadtratssitzung ab

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Claus Jotzo

Öffentlich mochte die Oberbürgermeisterin das nicht erklären. Eigens für diese Nachricht mußte der Hauptausschuß gestern Abend im Großen Kursaal warten, bis die Presse gegangen war. Erst im nichtöffentlichen Teil dann die Überraschung. Erstmals seit Jahrzehnten wird es keine Stadtratssitzung im Dezember geben. Dr. Kaster-Meurer sagte gestern Abend gegen 20 Uhr die für den 17. Dezember vorgesehene Stadtratssitzung ab. Der Grund ist nicht etwa Corona. Sondern der Wegfall zweier relevanter Tagesordnungspunkte.

Einer ist die Beratung und Verabschiedung des Stadthaushaltes für 2021. Zu der wird es aus den bereits in der Sonntagsausgabe dieser Seite genannten Gründen nicht kommen (“Stadthaushalt für 2021 wird nicht am 17. Dezember verabschiedet”). Denn das Personalamt der Stadtverwaltung hat einmal mehr versagt. Um sich ein paar Stunden Mehrarbeit zu sparen, wurde der Entwurf des Stellenplanes für 2021 bis heute nicht erstellt. Weil der erst am Mittwoch dieser Woche vorliegt, ist in diesem Jahr nicht mehr genug Zeit für die gesetzlich vorgeschriebene 14tägige Offenlage vor der erst nach dieser Frist zulässigen Abstimmung im Stadtrat.

Gestern Abend stand der Termin noch im Ratsinformationssystem. Aber die Sitzung findet nicht statt.

Der zweite Grund liegt in einer der Lieblingsbeschäftigungen des Stadtrates. Der Neuwahl von Ausschüssen und Aufsichtsräten. In diesem Punkt ist die Stadtverwaltung immerhin so ehrlich und räumt ihre fachliche Inkompetenz ein. Die trotz vier bezahlter Volljuristen regelmäßig zu Pleiten, Pech und Pannen führt. Wie von dieser Seite mehrfach berichtet, hat sich die Zusammensetzung der Fraktionen im Stadtrat seit dessen Neuwahl am 26. Mai 2019 bereits mehrfach verändert.

Veränderungen durch Zusammenschlüsse, Aus-, Über- und Eintritte

Zusammenschlüsse, Aus-, Über- und Eintritte haben aus der von den Wähler*Innen bestimmten 12-10-8-4-3-2-1-1-1-1-1-Formation* eine 12-9-8-6-3-3-(2+1)-Struktur** gemacht. Dadurch ist eine juristisch hochkomplexe Gemengelage entstanden. Die kann mit den alten Instrumenten, Gerichtsurteilen und Kommentaren aus den neunziger Jahren und davor, nicht mehr bewältigt werden. Denn in den vergangenen 20 Jahren wurde das Kommunalrecht mehrfach reformiert.

Eine Vielzahl von Rechtsfragen ohne Antwort

Galt etwa bei der Kommunalwahl 1999 noch eine 3,03%-Hürde (an der mit dem Ergebnis vom 26.5.19 Faire Liste, Freie Wähler, PBK, FWG und BüFEP allesamt gescheitert wären), entfiel diese Jahre später ersatzlos. Gleichwohl drückte sich der Gesetzgeber um an die neue Rechtslage angepaßte Klarstellungen und Regelungen. Diese sind nämlich nicht so einfach darstellbar, weil im Einzelfall Grundrechte von gewählten Mandatsträgern berührt werden. Innen- und Justizministerium machten sich da in seltener Eintracht mit dem Landtag einen schlanken Fuß. Und ließen eine Vielzahl von Rechtsfragen offen ohne Antwort im Raum stehen.

Rechtsweg vors Verwaltungsgericht

Betroffenen Kommunalpolitikern bleibt aktuell somit nur der Rechtsweg vor die Verwaltungsgerichte. Da die Streitwerte in diesen Sachen lächerlich niedrig sind (was wir nicht kritisieren, weil das in der Theorie den freien Zugang für Viele ermöglicht), dürfen Rechtsanwälte ohne Honorarvereinbarung nur Gebühren berechnen, die über die Kosten eines geschäftsüblichen Arbeitsessens kaum hinausgehen. Und nur diese Beträge müssen später als “angemessen” von den unterlegenen Kommunalverwaltungen erstattet werden. Dafür kann ein Rechtsanwalt eine solche Sache nicht vertreten. Honorarvereinbarungen sind unumgänglich.

Klagebereite Ratsmitglieder

Wer also (was nicht vorgeschrieben ist) für die Vertretung vor dem Verwaltungsgericht auf einen Rechtsanwalt angewiesen ist, bleibt – vorher absehbar – selbst als Sieger auf einem Teil seiner Kosten sitzen. Was eine Klagewelle verhindert hat. Im Bad Kreuznacher Stadtrat ist die Lage eine vollkommen andere. Hier sitzen “Überzeugungstäter” im besten Sinne neben hoch motivierten Ratskollegen, die aufgrund beruflichen Erfolges über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, um vor Gericht zu ziehen. Und daher ist tatsächlich eine sorgfältige Prüfung der Rechtslage durch die ADD und das Innenministerium geboten.

An Themen mangelt es nicht

Sollte sich nämlich herausstellen, dass eine Ausschußneuwahl unrechtmäßig stattfand oder unterlassen wurde, kann das die Stadt teuer zu stehen kommen. Zurück zur Absage der Sitzung: natürlich gäbe es ausreichende andere Themen, über die im Rat der Stadt dringend und ausführlich zu diskutieren wäre. Aber man muss auch die (sich leider in den Minderheit befindlichen) engagierten und in der Ausschußarbeit fleißigen Stadtratsmitglieder verstehen, die die Ausübung ihrer Mandate ernst nehmen. Und neben den Sitzungen der Stadt auch an unzähligen weiteren Treffen und Terminen zur inhaltlichen Vorbereitung teilnehmen.

Jahresabschlußrede gestrichen

Und daher sich daher auf die Frage der OBin, ob aus deren Reihen ein unaufschiebbarer Beratungsbedarf besteht, auf die Lippen gebissen und den Mund gehalten haben. En passant wurde auf diese Weise mit der Dezembersitzung auch eine jahrzehntelange Tradition beendet. Was nicht so schlimm ist, weil sie offenbar nicht mehr gewünscht wird. Die Jahresabschlußrede des ältestens Ratsmitgliedes. Die fiel schon 2018 aus (und wurde Anfang 2019 nachgeholt), weil die Oberbürgermeisterin nicht daran dachte und Magda Forster (CDU) sich nicht selbst in den Vordergrund drängen wollte. Jürgen Eitel (FDP) war vor einem Jahr selbstbewußter.

Wolfgang Bouffleur ist Stadtratsältester

Ende diesen Jahres, das mit seinen vielen Einschnitten Unmengen an Stoff und Anlaß für den ein oder anderen tiefergehenden Gedanken lieferte, wird es wieder keine Rede geben. Und ob Wolfgang Bouffleur, dem diese ehrenvolle Aufgabe zugefallen wäre, zum Schluß der Stadtratssitzung Ende Januar 2021 nach den absehbar streitigen Etatberatungen und einer zeitraubenden Ausschußneubesetzung kurz vor der Landtagswahl und angesichts der Bundestags- und OB-Wahl, noch einmal einen Rückblick ins Vorjahr vornehmen mag, darf bezweifelt werden.

* = CDU-SPD-Grüne-AfD-FDP-Linke-Faire Liste-Freie Wähler-PBK-FWG-BüFEP
** = CDU-SPD-Grüne-FFF(FDP, Faire Liste, Freie Wähler+Wolfgang Bouffleur)-AfD-(FWG/BüFEP+Wolf Dieter Behrendt)-(Linke+PBK)

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