Wird der Gewobau-Aufsichtsrat zur Losbude?

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Claus Jotzo

Gewobau-Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger war gestern fleißig am Telefon. Glückwünsche für die am Donnerstagabend in der Stadtratssitzung gewählten Aufsichtsratsmitglieder. Hinweise zur ersten Sitzung. Die Amtszeit des alten Aufsichtsgremiums endete im März diesen Jahres. Rund acht Monate mußte die städtische Gesellschaft ohne Aufsichtsrat auskommen. Trotz der Vielzahl der Geschäfte und Aufgaben, die zu bewältigen sind. Die Oberbürgermeisterin hatte als Grund für die Notwendigkeit der schnellstmöglichen Aufsichtsratswahl das Erfordernis der Genehmigung des Jahresabschlusses für 2019 genannt.

Beratungsbedarf bei Grundstücksgeschäften

Tatsächlich muß der am 31.12.2020 im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Allerdings geht es dort um den Gläubigerschutz. Und nicht um die steuerlichen Vorlagepflichten. Daher ist es rechtlich vollkommen ausreichend, wenn der jeweils aktuelle Buchhaltungsstand fristgemäß gemeldet wird. Die Veröffentlichung des vom Aufsichtsrat genehmigten und verabschiedeten “Endstandes” ist nicht erforderlich. Dies kann in Form von Korrekturmeldungen auch später ohne jede Rechtsfolge nachgeholt werden. Tatsächlicher Beratungsbedarf für einen Aufsichtsrat besteht vielmehr in den Grundstücksgeschäften, die zum Beispiel im Neubaugebiet “In den Weingärten” anstehen.

“Städtisches Dutzend” muß einheitlich abstimmen

Es gibt also tatsächlich einiges zu tun. Was eine zeitnahe Konsituierung des Aufsichtsrates samt Wahl von Vorsitzender(m) und Stellvertreter(-in) erforderlich macht. Im 18köpfigen Aufsichtsgremium hat die Stadt mit 12 Mitgliedern die klare Mehrheit. Gemäß der Rechtslage muß sich dieses “städtische Dutzend” vor jeder Sitzung auf eine inhaltliche Linie einigen und im Gremium selbst dann einstimmig abstimmen. Eine der 12 Personen ist gesetzt. Es handelt sich um das gemäß Geschäftsverteilungsplan der Stadt für die Gewobau zuständige Stadtvorstandsmitglied. Derzeit ist das die Oberbürgermeisterin.

Konflikt hinter den Kulissen

Diese war auch die Aufsichtsratsvorsitzende in der zurückliegenden Amtsperiode. Als ihr Stellvertreter amtierte Jürgen Locher (Linke). Gewählt werden Vorsitzende(r) und Stellvertreter(-in) von allen 18 Aufsichtsratsmitgliedern. Da aber die 12 städtischen einheitlich abstimmen müssen, ist allein deren Meinungsbildung von Bedeutung. Und dort bahnt sich schon seit Monaten hinter den Kulissen ein Konflikt an. Denn bei den Fraktionen von CDU, FFF (FDP, Faire Liste, Freie Wähler), AfD und FWG / BüFEP ist die Unzufriedenheit über die Amtsführung von Dr. Heike Kaster-Meurer bei der Gewobau riesengroß.

Neuanfang

Die vom Landesrechnungshof aufgedeckten Mißstände sind nur formal abgehakt. Über die damals dokumentierten Praktiken und das aktive Mittun der Oberbürgermeisterin, insbesondere über ihre hilflosen und letztlich vor Gericht gescheiterten Vertuschungsversuche, herrscht noch heute breite Verärgerung. Die Konsequenz dieses Teils der ehrenamtlichen Kommunalpolitik: besser ein Neuanfang mit einer oder einem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Demzufolge kam der Wahl der neuen elf Aufsichtsratsmitglieder vorgestern im Stadtrat ein besondere Bedeutung zu.

6 : 6

Weil es dem SPD-Co-Fraktionsvorsitzenden Holger Grumbach durch seine Stimmangabe für den grünen Wahlvorschlag gelang, dem Kooperationspartner einen zweiten Platz im Aufsichtsrat zu sichern, stehen sich innerhalb des “städtischen Dutzends” zwei gleich große Blöcke gegenüber: sechs Mitglieder von CDU (2), FDP (2), AfD (1) und FWG / BüFEP (1). Und sechs Mitglieder von SPD (3, inklusive OBin), Grünen (2) und Linken (1). Würden diese Mitglieder auch entsprechend abstimmen, käme es zu einem Novum innerhalb der städtischen Gesellschaften:

Glücksspiel mit weitreichenden Folgen

Einem Losentscheid über den Aufsichtsratsvorsitz. Ein Glücksspiel mit weitreichenden Folgen. Denn bei künftigen Sachentscheidungen im Aufsichtsrat würde im Falle eines Patts im “städtischen Dutzend” das Votum des oder der Aufsichtsratsvorsitzenden entscheiden. Fazit: weil Dr. Heike Kaster-Meurer sich – in blindem Gehorsam unterstützt von der SPD-Stadtratsfraktion – ohne jede Rücksicht auf Konsequenzen an jedes einzelne Zipfelchen Macht klammert, das ihr noch bleibt, wird der Aufsichtsrat der Gewobau zur Losbude und ein Glücksspiel entscheidet über die Spitze im Aufsichtsrat der werthaltigsten städtischen Gesellschaft.