Wahl-Posse um den Gewobau-Aufsichtsrat

Bewertung von
Claus Jotzo

Elf Plätze hat der Stadtrat im Aufsichtsrat der Gewobau zu besetzen. Sieben Fraktionen möchten da gern berücksichtigt werden. Zwei Wahlverfahren sind möglich. Zum einen der “Gemeinsame Wahlvorschlag”. Demnach werden die elf Plätze nach den derzeitigen Stärkeverhältnissen der Fraktionen vergeben. Nach Berechnung der Oberbürgermeisterin hätte dies zu folgender Verteilung geführt: 3 Plätze für die CDU, je 2 für SPD und Grüne, je einer für FDP+Co und AfD (= 9). Die zwei verbleibenden freien Plätze müßten, so erläuterte dies Dr. Kaster-Meurer gestern Abend in der Stadtratssitzung, zwischen den Fraktionen von SPD, Linken und FWG / BüFEP ausgelost werden.

Damit bestand das Risiko, dass entweder die Linken oder FWG / BüFEP nicht im Aufsichtsgremium vertreten gewesen wären. Trotzdem kam kein Protest gegen diesen Vorschlag von Linken-Fraktionschef Jürgen Locher. Obwohl er beim Losen schon schlechte Erfahrugen machen mußte. Wilhelm Zimmerlin (FWG / BüFEP) war allerdings mit einem Glücksspiel nicht einverstanden. Und auch Dr. Herbert Drumm setzte sich für die Alternative ein. Die heisst Verhältniswahl. Was dieses Wort nicht verrät, ist ein hochspezifisches Detail, das der Oberbürgermeisterin gestern in der Sitzung entfallen war. Der Kreis der bei dieser Wahlvariante Vorschlagsberechtigten ist sehr groß.

Es sind nämlich neben den Fraktionen auch alle “Wahlvorschlagsträger”. Also die Listen und Parteien, die an der Kommunalwahl teilnahmen und mit mindestens einer Person im Stadtrat vertreten sind. Das sind nicht sieben, sondern elf. Weil Dr. Kaster-Meurer das nicht wußte, ging sie die bei ihr auf einem Zettel notierten Vorschläge der Fraktionsgröße nach von oben durch. Für die CDU waren neben deren Fraktionsvorsitzenden Manfred Rapp, Helmut Kreis, Norbert Welschbach, Mirko Kohl und Rainer Wirz notiert. Nur 10 Stimmen wurden per Handzeichen für diese Kandidaten abgegeben. Denn Anna Roeren-Bergs und Dr. Silke Dierks nahmen entschuldigt an der Sitzung nicht teil.

Die SPD hatte Günter Meurer, Peter Grüßner und Yunus Senel benannt. Und da die erste Überraschung. Von den zehn anwesenden Sozialdemokraten stimmten nur acht für die eigenen Kandidaten. Nachvollziehbar die von Wolfgang Bouffleur verweigerte Stimme: der Winzenheimer Stadtratsälteste verfügt zwar immer noch über das Parteibuch der Genossen, hatte die SPD-Fraktion aber bereits nach der Stadtratssitzung im September verlassen. Sensationell allerdings das Abstimmverhalten von Holger Grumbach. Der ist Co-Fraktionsvorsitzender der SPD, stimmte aber ebenfalls nicht für die eigenen Kandidaten. Schon der nächste Wahlgang schaffte Klarheit warum.

Aufgerufen waren für die grüne Fraktion Juliane Rohrbacher und Günter Sichau. Die erhielten 7 Stimmen, obwohl die grüne Fraktionsführung Andrea Manz und Hermann Bläsius entschuldigt fehlte, mithin nur sechs grüne Stadtratsmitglieder anwesend waren. Grumbach verstärkte diese Gruppe und machte aus dem Sextett ein Septett. Danach rief Dr. Kaster-Meurer den Wahlvorschlag der FDP auf – und verlor minutenlang vollkommen den Überblick. Mitverantwortlich dafür – neben ihrer Wissenslücke – Dr. Herbert Drumm. Der Physiker wurde für die Freien Wähler als Solitär in den Stadtrat gewählt.

Dr. Drumm ist dort neben Karl-Heinz Delaveaux der einzige, der das komplexe Ausschußwahlrecht bis in den letzten Winkel versteht. Er ist zudem erst vor ein paar Tagen der Fraktion FDP / Faire Liste beigetreten, die wir seit dem FFF nennen. Und brachte als Morgengabe eine Wahlüberraschung mit. Eine Idee, mit der die Unwissenden übertölpelt wurden. Sein erstes Opfer war die Oberbürgermeisterin. Die referierte brav von ihrem Zettel ablesend den Wahlvorschlag der FFF-Fraktion: “Oliver John und Volker Stephan: gibt es weitere Wahlvorschläge der FDP-Fraktion?” fragte die OBin.

Die Antworten von Fraktionschef Jürgen Eitel kamen nur akustisch bei Dr. Kaster-Meurer an, die zunächst von “FDP-Fraktion und die Faire Liste” fabulierte, um dann resignierend festzustellen: “Irgendwie kommen die Namen ja auf meine Liste oder”. Die Eitel-Antworten führten bei der Oberbürgermeisterin nicht zu einem Erkenntnisgewinn. Dr. Kaster-Meurer hatte nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung, was der FDP-Fraktionssprecher ihr erklären wollte. “Also Sie sind eine Fraktion … ja natürlich, sie können vorschlagen, sie können 100 Leute vorschlagen – nee elf”, versuchte sie die Lage zu beschreiben.

Um dann schon etwas vorsichtiger zu erklären: “also, die politische Gruppe, die sich jetzt jedenfalls nach meiner Information neuerdings gebildet hat, ist die Gruppe FDP-Faire Liste und die Gruppe Freie Wähler, die ist zusammen”. Da ertönte (für die sachkundigen Zuhörer: ENDLICH) Widerspruch aus dem Hintergrund. Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann gab zu Protokoll: “nein, die politische Gruppe, wie sie in den Stadtrat gewählt worden ist”. Da verstand die OBin: “Dann ist es ja nur die FDP”. Um Dr. Kaster-Meurer auf diesem Erkenntnisweg zu weiteren Einsichten zu verhelfen, schaltete sich nun der Spiritus Rector der Situation, Dr. Herbert Drumm ein:

“Ich kann das aufklären. Es gibt einen Wahlvorschlag der politischen Gruppe FDP. Der heisst Volker Stephan. Es gibt einen anderen Wahlvorschlag der politischen Gruppe Faires Bad Kreuznach, der heisst Oliver John. Das sind zwei getrennte Wahlvorschläge, über die einzeln abgestimmt werden muß”. Und wir merken an: es gibt einen Erklärbär, der auf den Vornamen “Herbert” hört – wenn auch nicht immer – und der als Freier Wähler erklären kann, wieso sowohl Faire Liste als auch die FDP, trotzdem in einer Fraktion vereint, jeweils einen liberalen Parteigänger vorschlagen dürfen.

Und das beide gesondert zu wählen sind (weil nämlich sowohl FDP als auch Faire Liste Wahlvorschlagsträger sind und allein daher das Recht dazu haben). Die sichtlich verunsicherte Oberbürgermeisterin ließ dann zunächst über den Wahlvorschlag der FDP, Volker Stephan, abstimmen. Der erhielt die drei Stimmen der FDP-Mitglieder Mariana Ruhl, Jürgen Eitel und Werner Lorenz. Danach kam der Wahlvorschlag der Fairen Liste, Oliver John (FDP-Mitglied) zu Abstimmung. Auch auf ihn entfielen 3 Stimmen. Nämlich die von Dr. Herbert Drumm, Gerhard Merkelbach und Wolfgang Bouffleur.

Während die große Mehrzahl der Ratsmitglieder noch versuchte dieses Schauspiel zu verstehen und nachzuvollziehen, wurde für die Fraktion Die Linke Jürgen Locher mit den drei Stimmen von Die Linke / PBK gwählt. Ruck-Zuck erhielt auch Karl-Heinz Delaveaux 3 Stimmen: seine, die von Wilhelm Zimmerlin und die dritte von Wolf-Dieter Behrend. Und auch Jörg Fechner, Wahlvorschlag der AfD, konnte die 3 Stimmen seiner Fraktion vollständig verbuchen. Damit war der Wahlvorgang zwar abgeschlossen.

Es fehlte aber noch die Auswertung, also die Zusammensetzung der elf gewählten Aufsichtsratsmitglieder. Dazu wurden die Stimmergebnisse von Hauptamtsmitarbeiter Lukas Wirz in eine Spezialsoftware eingegeben. Und heraus kam dann folgende Besetzungsliste:

CDU – 10 Stimmen – 2 Plätze (Manfred Rapp und Helmut Kreis)
SPD – 8 Stimmen – 2 Plätze (Günter Meurer und Peter Grüßner)
Grüne – 7 Stimmen – 2 Plätze (Juliane Rohrbacher und Günter Sichau)
FDP – 3 Stimmen – 1 Platz (Volker Stephan)
Faire Liste – 3 Stimmen – 1 Platz (Oliver John)
Linke – 3 Stimmen – 1 Platz (Jürgen Locher)
FWG / BüFEP – 3 Stimmen – 1 Platz (Karl-Heinz Delaveaux)
AfD – 3 Stimmen – 1 Platz (Jörg Fechner)

Halten wir die Besonderheiten dieser Wahl und des Ergebnisses kurz fest:

Im Rat der Stadt sind nur sieben Fraktionen vertreten. Aber acht politische Gruppen sitzen jetzt im Aufsichtsrat der Gewobau. Dabei ist die mit 12 Sitzen im Stadtrat mit Abstand größte Fraktion CDU ebenso nur mit zwei Aufsichtsräten vertreten, wie die FDP, die im Stadtrat allerdings nur über ein Viertel der Mitglieder (3) verfügt, wie die CDU. Und SPD-Co-Fraktionschef Holger Grumbach stimmt nicht für die eigenen Genossen, sondern aus eiskaltem Machtkalkül für die Grünen.

Dazu eine Oberbürgermeisterin, der während des Wahlvorganges von der Stadtrechtsdirektorin die Regeln der von ihr geleiteten Abstimmung erklärt werden mussten. Wer das live miterleben “durfte”, dem drängt sich zwangsläufig die Frage auf, warum sich ganz Deutschland über Schilda lustig macht. Nur weil die versucht haben das Licht in Säcken ins Rathaus zu schleppen. Statt Fenster einzubauen. Wenn jemals überregional bekannt wird, was bei uns abgeht, redet von Schilda kein Mensch mehr.