Bereichert schon bald eine Volljuristin mit künstlerischer Ader das Stadtrechtsamt?

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Personalien in einer Kommunalverwaltung sind eigentlich eher journalistische Ladenhüter. Der durchschnittliche Bad Kreuznacher kann kaum die Stadtvorstandsmitglieder korrekt benennen. Die Namen der schlechter bezahlten Amtspersonen sind den meisten Leuten unbekannt. Zumindest war das so bis Dr. Heike Kaster-Meurer zur Oberbürgermeisterin gewählt wurde. Denn seit dem hat sich in der Verwaltung einiges getan. Sachverhalte, die die Öffentlichkeit beschäftigen. Wie der auffällig hohe Krankenstand. Vor allem beim Führungspersonal.

Leitungsstellen unbesetzt

Teilweise, wie bei Feuerwehrchefin Manuela Liebetanz verbunden mit juristischen Auseinandersetzungen gegen die Stadt. Noch nie in den vergangenen 60 Jahren gab es so viele Umbesetzungen und Ausfälle in Leitungsfunktionen, wie in den vergangenen neun Jahren. Die aktuelle Liste wird angeführt vom Leiter des Hauptamtes (dauerkrank), des Bauhofes (ebenfalls) und des Jugendamts (neue berufliche Aufgabe). Ausgeschieden ist vorzeitig die Leiterin des Tiefbauamtes. Neu zu besetzen die Leitungsstelle beim Ordnungsamt. Und einige Stellvertreterposten (wie im Jugend- und Stadtbauamt) sind vakant oder nur kommissarisch besetzt.

Gesundheitsbedingte Fehltage

Gesundheitsbedingte Fehltage schon im letzten und in diesem Jahr sind auch bezüglich Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann zu beklagen. Eine weitere Juristin befindet sich im Mutterschutz / Elternzeit. Die Stadt ist daher auf der Suche nach einer Vertretung. Die glaubt Dr. Kaster-Meurer gefunden zu haben. Und schlägt dem Stadtrat vor, in seiner heutigen Sitzung eine Volljuristin aus der Landeshauptstadt einzustellen. Die Personalie wird den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern wie folgt schmackhaft gemacht.

“Tätigkeiten in rechtlichen und europäischen Fragen”

Zunächst wird mitgeteilt, dass die Kandidatin 2004 die zweite juristische Staatsprüfung abgelegt hat. Und dann werden ihre beiden juristischen Arbeitsstationen benannt: “Im Anschluß daran war sie von 2006 bis 2007 als Justiziarin und Leiterin der Rechtsabteilung der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibnitz e.V. in Bonn tätig. Ihr Aufgabengebiet umfaßte dabei umfangreiche Tätigkeiten, insbesondere natürlich in rechtlichen und europäischen Fragen. Von 2007 bis 2009 war sie Europareferentin der Max-Planck-Gesellschaft.

Nationale Forschungsförderung

Dabei war sie für die Betreuung der Max-Planck-Institute in der europäischen und nationalen Forschungsförderung zuständig”. Danach, so die Beschreibung der Stadtverwaltung, folgte eine “Familienphase” und ein “Studium in Kunstgeschichte”. Die aktuelle Tätigkeit der Bewerberin wird als die einer “Juristin bei der Anja Gockel GmbH in Mainz” beschrieben. Als Begründung dafür, warum sich die in Mainz lebende Familienmutter beruflich nach Bad Kreuznach verändern möchte, führt die Stadtverwaltung an: sie “möchte sich nun wieder mit dem öffentlichen Recht befassen”.

“So zu sein, wie man es gerne gewesen wäre”

Diese Beschreibung der beruflichen Tätigkeit der Bewerberin paßt allerdings nach Beobachtung einiger Entscheidungsträger, die die Redaktion dieser Seite darauf aufmerksam machten, nicht zu deren Selbstdarstellung. In der ist von einer “Familienphase” nicht die Rede. Vielmehr gibt sie für die Zeit ab 2009 an als Künstlerin tätig zu sein. In einem Presse-Beitrag, der unter der Überschrift “Es ist nie zu spät, so zu sein, wie man es gerne gewesen wäre (George Eliot)” veröffentlicht wurde unter dem die Bewerberin selbst als “Redaktion” angegeben ist, wird sie als “segelbegeisterte Künstlerin” bezeichnet.

Volljuristin und freischaffende Künstlerin

An anderer Stelle in dem Text heisst es: sie “ist freischaffende Künstlerin”. Diese berufliche Tätigkeit stellt sie auf ihrer Hompage auch genau so dar. Für den Zeitraum von 2009 bis heute, in dem die Stadtverwaltung sie u.a. in einer “Familienphase” und einer juristischen Tätigkeit für die Gockel GmbH verortet, gibt sie selbst an als Künstlerin gearbeitet zu haben. In ihrer Selbstdarstellung fehlt jederweder Hinweis auf eine juristische Tätigkeit für die Gockel GmbH. Statt dessen führt sie für die Jahre 2018, 2019 und 2020 jeweils eine Ausstellung für Anja Gockel an.

Powerfrau mit dem Potential für frischen Wind

In der Vorstellung der Stadtverwaltung vollkommen unerwähnt ist, dass die Bewerberin “seit dem 1. November 2017 mit ihrem Atelier auf das Gelände der alten Waggonfabrik gezogen ist und sich mit dem Wiesbadener Fotograf Peter Hähnel im Phoenixstudio zusammengetan hat”, wie ein Pressebericht verrät. Die Arbeit des Stadtrechtsamtes bekommt also mit dieser Einstellung eine künstlerische Note. Und eine echte Powerfrau mit dem Potential für frischen Wind.

Vernissage am 1. November in Nackenheim

Durch eine freischaffende Künstlerin, die seit seit dem 1. November 2017 in einer Ateliergemeinschaft arbeitet, seit 2018 zusätzlich als Juristin bei der Anja Gockel GmbH in Mainz tätig ist und Ausstellungen organisiert. Die nächste wird schon am kommenden Sonntag (1.11.2020) eröffnet. Im Nackenheimer Ortsmuseum. Dort sind ihre Werke unter der Überschrift “Call for Freedom“ bis zum Januar 2021 zu sehen. Wer die Mainzer Künstlerin, die vielleicht schon bald Bad Kreuznacher Stadtjuristin ist, persönlich kennenlernen möchte, hat am kommenden Sonntag in der Vernissage zwischen 14 und 18 Uhr die Möglichkeit dazu. Allerdings ist aus Coronaschutzgründen eine Anmeldung erforderlich.