Streit um den Nikolausmarkt eskaliert

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Veranstalterin des Nikolausmarktes ist die Stadt. Die operative Umsetzung hat sie an eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) von Schaustellern delegiert. Die würden statt Däumchen zu drehen gern einen Weihnachtsmarkt durchführen. Aber unter den Coronaschutzauflagen ist das nicht einfach. Wenn so viele Buden, Stände und Attraktionen wie in den Vorjahren aufgebaut werden, reicht der Platz wegen den zusätzlichen geforderten Abständen auf und um den Eiermarkt nicht. Eine Alternative muß gefunden werden. Das ist leichter gesagt als getan.

 

Denn eine Ausweitung innerhalb der Neustadt scheitert gleich in beide möglichen Richtungen. Im Bereich Salzmarkt / Bocksgasse an der zu starken Hanglage. Und in dem Abschnitt der Mannheimer Strasse bis zum Zwingelbrunnen am fehlenden Platz (Feuerwehrdurchfahrt pp). Die Schausteller hatten sich daher statt für eine Reduzierung ihres Angebotes pfiffig und geschäftstüchtig für einen Umzug an die Pauluskirche entschieden, um das Angenehme mit dem Lukrativen zu verbinden. Ein Weihnachtsmarkt in Sicht- und Rufweite des Kornmarktes und der Fußgängerzone, also dem Bereich mit der mit Abstand höchsten Kundenfrequenz im Stadtgebiet, läßt ein gutes Geschäft erwarten.

Denn wer die bunten Lichter sieht, die Stimmungsmusik hört und die Leckereien-Stände riecht, der findet leicht den Weg aufs Badewörth. Anders als in die historische Neustadt, wo der Markt selbst die belebende Attraktion war. Und auch genau mit dieser Absicht etabliert wurde. “Wir wollten damals eben nicht einen x-beliebigen Weihnachtsmarkt, der ja überall hätte stattfinden können, sondern einen Publikumsmagneten für unsere Altstadt”, erinnert Lothar Bastian (Grüne), der nicht nur von heren Zielen plappert, sondern schon vor über 30 Jahren mit dem Kauf und der Sanierung eines alten Hauses in der historischen Neustadt gezeigt hat, dass er selbst seinen Worten Taten folgen läßt.

Um dieser Absicht auch im Coronajahr Respekt zu bezeugen, traf der zuständige Ausschuß für Messen und Märkte am 8. Oktober nach ausführlicher Diskussion einmütig eine Festlegung: “Es wird beschlossen die Stände des Nikolausmarktes 2020 in der Stadt unter Einbeziehung der historischen Neustadt und der Alten Nahebrücke zu verteilen”. Am Tag darauf, dem 9. Oktober, trafen sich die Schausteller. Und auch die fanden einen einheitlichen Lösungsvorschlag: den Aufbau eines Weihnachtsmarktes unter den Platanen in der Kurhausstrasse Höhe Pauluskirche. Als geschlossene und mit Gittern abgezäunte Veranstaltung mit Gästezählung.

Es war nun die Aufgabe des zuständigen Beigeordneten Markus Schlosser die beiden gegensätzlichen Positionen unter einen Hut zu bringen. Schlosser lud auf Bitte mehrerer Ausschußmitglieder Ende letzter für den Mittwoch kommenden Woche zu einer weiteren Ausschußsitzung ein. Und legte gestern den – neuen – Verwaltungsvorschlag vor. In dem heisst es klipp und klar: “es wird beschlossen, dass der Nikolausmarkt 2020 in der Kurhausstraße in Höhe der Pauluskirche veranstaltet wird”. Dieser Schwenk des Beigeordneten gegen den Beschluß des Fachausschusses hat vielfältigen Widerspruch hervorgerufen. Zunächst einmal in dem Gremium selbst.

Denn die treuen Freunde der historischen Neustadt, u.a. Helmut Kreis (CDU), Lothar Bastian (Grüne) und Karl-Heinz Delaveaux (FWG / BüFEP) wollen nicht tatenlos zusehen, wie die Bad Kreuznacher Altstadt abgehängt wird. Und haben erkannt, dass die Vorgehensweise der Schausteller eine Blaupause werden könnte für die Austragung künftiger Interessenskonflikte. Für eine größere Zahl von Ausschußmitgliedern, mit denen die Redaktion dieser Seite gestern sprach, ist eines ganz klar: so wie in der neuen Beschlußvorlage festgehalten “geht es nicht!” Zu Wort gemeldet hat sich gestern Abend aber auch Annette Bauer.

Die Vorsitzende des Fördervereins Klein Venedig Bohème e.V. setzt sich seit mehr als zehn Jahren mit Herzblut für die historische Neustadt ein. Und wandte sich mit einem emotionalen Appell an Markus Schlosser. Zunächst erinnert sie an die vielen Jahre des Kampfes in den städtischen Gremien, in denen auch ohne den Vorwand Corona immer wieder die Bereitschaft bestand dem Schausteller-Wunsch nach Umzug in die Innenstadt nachzugeben: “Schon in meiner Messe- und Märkte-Ausschusszeit habe ich Ferdi Peters und CDU-Kollegen beknien müssen, dass der Nikolausmarkt da bleibt wo er ist,” stellt Annette Bauer fest.

Und fährt fort: “sie haben es mir zuliebe damals gemacht, sonst wäre er auf dem Kornmarkt gelandet. Und dann wäre der historische Stadtteil auch in der Weihnachtszeit abgeschnitten. Es geht ja auch um die Geschäftsleute dort, die schon Federn haben lassen müssen”. Dann wird Annette Bauer an Markus Schlosser persönlich gerichtet deutlich: “Wo bleibt da die verantwortliche Unterstützung von Ihnen und auch einiger anderer Verantwortlicher in Politik und Verwaltungen? Hört der Kampf denn nie auf? Da wirbt man mal wieder im SWR um Ehrenamtliche, aber Politik unterstützt in keinster Weise. Oder? Man hat es nicht geschafft hier eine vorzeigbare Struktur GEMEINSAM zu entwickeln.

Seit zwanzig Jahren lebe ich hier im Viertel und es ist trotz unserer ehrenamtlichen Bemühnungen immer weiter bergab gegangen. Und nun? Sind Sie Wirtschaftsdezernent oder nicht? Haben Sie unseren Rundgang vergessen (AsF), wo Sie sich interessiert angeschlossen haben?” Die Antwort des Beigeordneten fällt sachlich-kurz aus: “Liebe Frau Bauer, vielen Dank für Ihre Hinweise, Anregungen und auch berechtigte Kritik. Am Mittwoch, 28.10.2020 findet ab 17.30 eine öffentliche Sitzung des Marktausschusses zu dem Thema statt. Gerne können Sie sich in die Diskussion mit einbringen. Bin gespannt auf Ihre Lösungsansätze, weil nur mit Kritik, ist es auch nicht getan. Beste Grüße.”

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

18.10.20 – “Lothar Bastian widerspricht Nikolausmarkt-ARGE”
12.10.20 – “Wird der Nikolaus- zum Paulusmarkt?”
08.10.20 – “Nikolausmarkt wird zur Nikolausmeile”

Die neue Beschlußvorlage der Stadtverwaltung im Wortlaut:

Es wird beschlossen, dass der Nikolausmarkt 2020 in der Kurhausstraße in Höhe der Pauluskirche veranstaltet wird.

Erläuterungen zu Drucksachennummer: 20/428: Die Arbeitsgemeinschaft Nikolausmarkt (kurz: Arge) hat nach mehreren Gesprächen bezüglich des Standortes des Nikolausmarktes erklärt, dass aus wirtschaftlichen und Platzgründen als Standort nur die Kurhausstraße in Höhe der Pauluskirche zur Durchführung des diesjährigen Nikolausmarktes für sie infrage kommt. Der ursprüngliche Standort rund um die Nikolauskirche scheidet aufgrund der durch Vorgaben der Kreisverwaltung einzuhaltenden Abstände aus. Die Arge hat im Gespräch mit dem Altstadtverein über die Möglichkeit der Einbindung der Altstadt beraten.

Der Altstadtverein (Anmerkung der Redaktion: dort ist Beate Bruns Vorsitzende und der Verein hat nichts zu tun mit Annette Bauers Fördervereins Klein Venedig Bohème e.V.) hat in einem Mail erklärt, dass er es zwar gerne gesehen hätte, dass der Weihnachtsmarkt in der Altstadt verbleibt, aber auch großes Verständnis dafür zeigt, dass in diesem Jahr den besonderen Verhältnissen Rechnung getragen werden muss. Der Nikolausmarkt soll wie folgt veranstaltet werden, dabei wurden die Vorgaben der Kreisverwaltung zur Durchführung von Weihnachtsmärkten strikt beachtet: Das Veranstaltungsgelände wird komplett eingezäunt.

Jeweils in Höhe Bonhoeffer Haus und unterhalb Schirmbar soll ein Ein- und Ausgang errichtet werden. Die mögliche Anzahl gleichzeitig sich auf der Veranstaltungsfläche befindenden Personen wurde anhand der Brutto-Veranstaltungsfläche mit 490 errechnet. Die Personenzahl wird anhand der Ausgabe von Chips durch die Arge kontrolliert. Der Zugang zu Bonhoeffer Haus, Kindergarten und Kirche wird sichergestellt, ohne das Veranstaltungsgelände betreten zu müssen. Ebenso werden die Rettungswege freigehalten. Eine Kontaktnachverfolgung erfolgt nicht. Die Abstände zwischen den Ständen werden gemäß Vorgaben mit 3 m bzw. 5 m, gegenüber mit mindestens 6 m eingehalten.

Verzehr an Ständen ist nicht erlaubt, hierzu werden Steh-/Sitzbereiche entlang der Mauer am Mühlenteich eingerichtet mit mindestens 3 Zugängen. Die Zugänge werden gekennzeichnet und mit Matten ausgelegt, um die Grünflächen zu schonen. Die Grünflächen zwischen den Ständen und der Mauer zum Mühlenteich werden abgesperrt (Flatterband bzw. Bauzäune). Unter die Stände, die auf den Grünflächen stehen, werden ebenso Matten gelegt. Diese Vorgehensweise ist auch mit dem Grünflächenamt so besprochen. Die Flächen, die sich im Besitz der Kirchengemeinde befinden, werden komplett gesperrt.

Die Arge ist verpflichtet die Besucher auf die eigens eingerichteten Ess-/Trinkbereiche hinzuweisen und auch zu kontrollieren, dass kein Verzehr außerhalb dieser Zonen stattfindet. Der Bereich der Kurhausstraße wird temporär für den Kfz-Verkehr und den Fahrradverkehr gesperrt und umgeleitet werden. Die genauen Zeiten werden noch mit der Verkehrsabteilung abgestimmt. Die Arge übernimmt das Aufstellen und Beiseitestellen der Barken morgens und abends. Auf ein Rahmenprogramm wie in den Vorjahren sowie auf Beschallung (außer am Kinderkarussell) wird verzichtet.

Lediglich angedacht ist der Besuch des Nikolauses am 6.12. zum Verteilen von Geschenken an Kinder. Ob dies aus Coronasicht jedoch durchführbar ist, muss kurzfristig entschieden werden. Gebühren werden nach Beschluss des Ausschusses für Messen und Märkte nicht erhoben. Die Nebenkosten für Strom und Wasser gehen zu Lasten der Arge. Der Gebührenerlass muss auch den Standbetreibern zugute kommen. Gemäß Aussage der Arge-Vertreter müssen diese sowieso nur die Kosten für Strom und Wasser zahlen”.