Hat Gerhard Merkelbach Annette Thiergarten bei einem Rechtsverstoß erwischt?

Bewertung von
Claus Jotzo

Die Oberbürgermeisterin kennt zwei Arten von Vorschriften. Eine für alle anderen. Und eine für sich selbst. Weil sie – auch ohne Raketenjäckchen – super-trooper-toll ist, gilt das, was für das gemeine Volk bestimmt ist, natürlich nicht für sie. So belehrte die OBin im Stadtrat die Ratskolleg*Innen, beim Reden immer eine Maske zu tragen, um andere zu schützen. Sie selbst sprach Minuten später ohne Maske in ein von anderen mitbenutztes Mikrophon. Auch bei der Einhaltung der in der Gemeindeordnung und örtlichen Bestimmungen definierten Regeln ist Dr. Kaster-Meurer kein Vorbild.

Der Kulturausschuß tagte am 9. September 2020.

Um andere zu diskreditieren, zitiert sie gern aus der Geschäftsordnung des Stadtrates (die sie in Unkenntnis der korrekten Begrifflichkeit “Hauptsatzung” nennt). Was da drin steht, bindet auch die Oberbürgermeisterin als Vorsitzende. Aber daran hält sie sich nicht. Zum Beispiel an die vorgeschriebene Verhaltensweise bei Befangenheit. Wenn sich Dr. Kaster-Meurer selbst für befangen erklärt, was in der Stadtratssitzung im August zwei Mal vorkam, müßte sie sich gemäß Vorschrift “in dem für die Zuhörer/-innen bestimmten Teil des Sitzungsraumes aufhalten”.

Fehler der OBin führt zu Wiederholungen

Im derzeit genutzten Stadtrats-Sitzungsraum, das ist der Große Kursaal, bedeutet dies: entweder raus ins Treppenhaus. Oder rauf auf die Empore. Die Wege dahin sind Dr. Kaster-Meurer zu weit. Also stellt sie sich im Sitzungsraum hinter die Pfosten. Und läßt sich während der laufenden Sitzung auf ein lustiges Versteckspiel mit unserem Fotografen ein. Letzteres ist natürlich nicht verboten. Mehr eine Stilfrage. Wers halt gern mit Pfosten hat … Der Stehplatz im Sitzungssaal schon. Also verboten. Wenn ein Ratsmitglied dieses Fehlverhalten innerhalb der 3-Monats-Frist rügt, müssen alle diese Tagesordnungspunkte und Abstimmungen wiederholt werden.

“Mitteilungsvorlage” mit Beschluß zur Vorgehensweise

Einen solchen Fehler, also einen Verstoß gegen die Verhaltensregeln für Befangenheitsfälle, wirft Gerhard Merkelbach (Fraktion FDP / Faire Liste) dem Stadtratsmitglied Annette Thiergarten (Grüne) vor. Diese soll sich in der Sitzung des Kulturausschusses am 9. September rechtswidrig an der Diskussion eines Tagesordnungspunktes beteiligt haben. Es geht um die Drucksache 20/344 vom 3.9.2020 mit dem Titel “Neues ‘Eisernes Buch’ der Stadt Bad Kreuznach”. Die war zwar in der Einladung als “Mitteilungsvorlage” getarnt. Tatsächlich wurde aber sehr ausführlich, über eine halbe Stunde lang, mit unzähligen Redebeiträgen, das Thema beraten.

Grit Gigga mahnte

Und der ursprüngliche Verwaltungsvorschlag abgeändert. Hauptrednerin und Ideengeberin für die Neuregelung: Annette Thiergarten. Diese kritisierte nicht nur den ursprünglichen Verwaltungsvorschlag. Sondern auch die Arbeitsweise der Jury, die sich mit keinem der eingereichten Entwürfe der ersten Ausschreibung zufrieden gezeigt hatte. Dies ging so weit, dass sich die Leiterin des Kulturamtes, Grit Gigga, zu dem Hinweis genötigt sah, sie fühle sich mit der Diskussionsituation unwohl, da sich an der Diskussion Personen beteiligten, die zum Bewerberkreis der von der Jury verworfenen Vorschläge zählen, mithin in eigener Sache sprachen.

Kommunalpolitisch oder auch privatwirtschaftlich motiviert?

Stadtratsmitglied Gerhard Merkelbach hat jetzt erfahren, dass sich Annette Thiergarten selbst an dieser Ausschreibung beteiligte, im Ausschuß die Jury also in eigener Sache kritisierte. Schon vor drei Wochen hat die Redaktion dieser Seite bei der Stadtverwaltung diesbezüglich interventiert und um Aufklärung gebeten. Neben einer Eingangsbestätigung ohne jede substantielle Reaktion. Nach Eingang der Merkelbach-Beschwerde gestern Mittag hat die Redaktion dieser Seite Annette Thiergarten unter Mitteilung der Vorwürfe um eine Stellungnahme gebeten. Aber keine Antwort erhalten. Daher muß für heute offen bleiben in welchem Umfang sie sich um die Nachfolgeregelung des “Eisernen Buches” bemüht hat. Und ob dieses Engagement rein kommunalpolitisch oder auch privatwirtschaftlich motiviert war.