Stadt versäumte beim Parking Day die Erhebung wertvoller Daten

Bewertung von
Claus Jotzo

Der Parking Day in der Viktoriastrasse vor zwei Jahren diente lediglich der Veranschaulichung. Denn anders als es die Veranstalter heute leider darstellen, gab es da bereits das wegweisende Konzept des Stadtplanungsamtes für die Umgestaltung der Innenstadt-Zufahrt. Es hatte sogar schon eine kommunalpolitische Diskussion in den Gremien stattgefunden. Und lediglich ein haushaltsrechtlicher Querschläger verhinderte die Umsetzung der “endgültigen” Lösung. Das ermöglichte die große Stunde des Stadtplaners Bettino Hans Gagliani. Der mit seinem Team ein “Provisorium” plante. Damit sogar die Auto-Lobby überzeugte. Und die ersten Bäume der Stadtgeschichte in der Viktoriastrasse ermöglichte.

Wohlgemerkt mit einem am Ende breiten Konsens. Auch wenn in der Bauphase gemeckert wurde. Leider steht es in keinem Protokoll: möglich wurde der Erfolg, weil die Planung das Fehlverhalten der Masse der Bad Kreuznacher AutofahrerInnen adapierte und sich zu Nutze machte. Die fuhren nämlich auf einer jahrezehntelang eigentlich zweispurigen Strasse aus Dummheit, Bequemlichkeit oder Unfähigkeit fast alle einspurig. Generationen von Rechtsabbiegern in die Wilhelmstrasse und Geradeausfahrern zum Bourger Platz wurden Tag für Tag wahnsinnig, weil vor ihnen die Richtung Salinenstrasse orientierten FahrzeuglenkerInnen statt wie vorgeschrieben sich links zu halten mittig fuhren.

Tatsächlich ist in der Viktoriastrasse dem Autoverkehr keine Verkehrsfläche weggenommen worden. Im wahrsten Sinne des Wortes wurde tote Strassenfläche mit Bäumen und einem Radstreifen belebt. Ganz ähnlich ist der Erfolg der Radspur am Bourger Platz zu erklären. Dort hätte man zweispurig fahren können (gemäß Rechtsfahrgebot sogar müssen). Aber die einfach strukturierten Bad Kreuznacher Fahrzeuglenker haben dies nie gemacht. Und daher hat der Wegfall von “Autoverkehrsfläche” dort niemanden tatsächlich gestört. Das ist, wenn man so will, bisher das einzige Überbleibsel vom Parking Day 2019, der den Bourger Platz in den Mittelpunkt stellte.

Auch wenn das Planungsamt die Aufwertung dieses Fleckchens Innenstadt noch im Blick und einen tollen Plan hat. Mit der Planiger Strasse und dem Anspruch “Durchgangsverkehr rauszuhalten” hat sich die Initiatorengruppe des diesjährigen Parking Days schlicht verhoben. Nichts gegen das Engagement. Aber schon die praktische Umsetzung am 19.9.2020 war suboptimal. Sie unterschied sich kaum vom Konzept der Viktoriastrasse, obwohl eine ganz andere Zielstellung vorgegeben war. In der nördlich gelegenen Parallelstrasse war klar: eine Spur bleibt in jedem Fall als Haupteinfallstrasse für den Pkw-Verkehr erhalten. In der Planiger sollte ja genau das verhindert werden: Durchgangsverkehr.

Wer das möchte, darf daher nicht die selbe 1-Tages-Gestaltung zur Verdeutlichung eines ganz anderen Zielkonzeptes wählen. Wer eine Strasse als “Verkehrsberuhigten Bereich” beschildert, muß ihn auch so nutzen. Also Autos nur gleichberechtigt. Und nicht wie in der Planiger Strasse am vorletzten Samstag praktiziert weiterhin dominant. Richtig wäre gewesen: Stände und Spiele auf der Strasse. Und nicht auf die Parkplätze. Dort hätte man die Autos langschlängeln lassen sollen. Zudem wurde eine Riesenchance vertan. Weil in der Verwaltung und in ihrem politischen Umfeld viel zu viele zulassen, dass die Oberbürgermeisterin Tag für Tag einfach nur dünn drüber plappern darf.

Zuletzt im Planungausschuß die Rheingrafenstrasse betreffend. Dr. Kaster-Meurer wollte diese von der Panzerstrasse aus zumachen, um wortwörtlich “zu testen und auszuprobieren” was passiert (die Stellungnahme dazu kommt noch gesondert). Bleiben wir beim Testen. Wenn Tests am lebenden Menschen in Bad Kreuznach unter ärztlicher Aufsicht neuerdings als Anamnese-Methode im Verkehrsbereich eingesetzt werden: warum dann nicht am Parking Day? Warum haben die Test-fixierten Amtspersonen keinen der geschwindigkeitsmessenden Smileys in der Planiger Strasse aufgestellt, um einerseits den Autofahrer*Innen augenfällig zu machen, wie viel zu schnell diese fahren.

Und andererseits über vier Stunden lang eine konkrete Auswertung zu erhalten, wie schnell der durchschnittliche Innenstadtraser trotz “Belebung” und allem pi-pa-po einen “Verkehrsberuhigten Bereich” durchquert? Dies geschah leider nicht. Weshalb Fakten und Daten fehlen. Was zur Folge hat, dass auch bei der nächsten Diskussion zu diesem Thema wieder jede(r) Beliebigkeitsargumente verwenden und rumschwafeln kann. Das schadet der Sache. Es spricht nicht für die Veranstalter des Parking Day, dass sie das nicht erkennen, sondern in Treue fest kritiklos hinter der Oberbürgermeisterin hermarschieren. Die Mitmenschen von der Notwendigkeit und den Vorzügen der Verkehrswende zu überzeugen geht anders.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

22.09.20 – “Parking Day in der Planiger Strasse deutet Möglichkeiten an”
18.09.20 – “In der Planiger Strasse gilt am Samstag Schrittgeschwindigkeit”