„Abriss stoppen!” Dr. Andreas Popp legt dem Stadtrat 2.000 Unterschriften vor

Gastbeitrag von
Dr. Andreas Popp

“Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen das Ergebnis einer Unterschriftensammlung überreichen. Die Aktion stand unter dem Motto „Abriss stoppen! Wir fordern von Stadtrat und –verwaltung die Einhaltung des Denkmalschutzes, den Erhalt der alten Bauwerke inklusive der Salinen und eine Baumschutzsatzung. Die Resonanz war ausserordentlich positiv, was sich vielleicht weniger an der Menge von immerhin 2.000 Unterschriften widerspiegelt, man bedenke auch hier den Einfluß der Corona-Epidemie, sondern vielmehr an den durchweg bestätigenden Kommentaren im Sinne von „endlich jemand, der uns eine Stimme gibt“. Besonders interessant war der 2. Teil der Sammlung am Kornmarkt.

Meine Empfehlung an Sie, den Stadtrat: machen Sie das auch mal und hören Sie Volkes Stimme. Erste Erkenntnis und da danke ich Herrn Heinrich, der vor Kurzem das Wort vom „Gerücht der Mauschelei“ hier eingeführt hat. Mauschelei, ein niedliches Wort. Ein Gerücht, das in der Stadt außerordentlich verbreitet ist. Gerüchte entwickeln sich ja gerne auf dem Boden mangelnder Information. Deshalb erneut die Empfehlung, sprechen Sie mit den Leuten, stellen Sie Transparenz her. Zweitens: Fassungslosigkeit herrscht bei der Situation des Brückenhauses mit der Schwedenkugel.

Fassungslosigkeit auch bei der Idee, zwei der Salinen still zu legen. Immer wieder erwähnt wurde der Zustand des Kurviertels.. Dazu eine Anekdote: Ich hatte vor einigen Monaten Kontakt zu einer Reisejournalistin aufgenommen und angefragt, ob sie nicht vielleicht Lust hätte, einen Artikel Über Bad Kreuznach mit BME, dem Rheingrafenstein und dem Rotenfels und dem Blick auf die Ebernburg zu schreiben. Frau Elsemarie Maletzke, in den sechziger Jahren auf dem Lina-Hilger Gymnasium, sie schreibt seit Langem vorzugsweise für die FAZ.

„Nein“, antwortete mir Frau Maletztke, sie sei vor einiger Zeit noch einmal in KH gewesen – sie lebt jetzt in Frankfurt – habe das Kurviertel besucht und sich vom Anblick enttäuscht auf der Hacke umgedreht. Erwähnt wurde das Diebold-Haus, das seinerzeit ohne Not abgerissen wurde, der Felsenkeller, der mit seiner Lüftelmalerei heute die Funktion eines Hofbräuhauses einnehmen und ein Touristenmagnet sein könnte . Stattdessen gibt es dort jetzt einen H&M. Usw usw. Nicht zu vergessen die Baumschutzsatzung, die vielen Leuten sehr am Herzen liegt und entsprechend dazu bewogen hat, ihre Unterschrift zu leisten.

Die Bedeutung von Bäumen für das städtische Mikroklima hier in der Talsenke wurde ja kürzlich auch von Herrn Galiani hervorgehoben.Kurzum: es sind die Bausünden der letzten Jahrzehnte, nicht nur der letzten Jahre, die die Bürger veranlasst haben zu unterschreiben. Das sind Unterschriften als Ausdruck enttäuschter Heimatliebe, gepaart mit Wut und leider auch Resignation. Eine in hunderten von Jahren gewachsene Stadt ist ja mehr als nur ein Haufen Steine, dessen Erhaltung Geld kostet. Kürzlich wurde in der AZ ein Artikel mit der Überschrift “Bad Kreuznach ignoriert seine Kultur“ veröffentlicht. Wie wahr.

Die Stadt opfert kurzsichtigerweise die Denkmale ihrer Jahrhunderte zurückreichenden Baugeschichte für den kurzfristigen Profit. Ich zitiere: „Wenn sich denn schon ein Investor meldet, dann müssen wir – also die Stadt – ihm auch was bieten.“ Im Allgemeinen heißt das Abriß. Das Problem ist: was weg ist, ist weg. Nehmen wir an dieser Stelle als positives Beispiel den umgestalteten Kornmarkt, ein gelungenes urbanes Zentrum. Was jedoch wäre gewesen, wenn vor Jahren das Projekt einer Mall mit dem Abriss der gesamten Häuserzeile zwischen Sparkasse und der Ecke Mannheimer Strasse realisiert worden wäre.

Gut, die Fassade des Kaffee Kiefer hätte man erhalten und ein paar Meter nach vorne verlagert, „um das Flair der Stadt zu erhalten“ wie es seinerzeit hieß. Und wie wäre es heute um das Flair der Stadt bestellt, wenn der Investor damals nicht abgesprungen wäre? Man kennt ja das Schicksal solcher Malls in anderen Städten, denn die anfängliche Begeisterung pflegt schnell nachzulassen, auch die Omi aus Abtweiler verliert bald das Interesse und kauft ihren Lippenstift wieder beim Aldi in Meisenheim.

Wie also wird es weitergehen? Nachdem ein langfristiges Konzept zum Stadterhalt fehlt und der politische Wille weiterhin auf die Erzielung eines kurzfristigen Profits gerichtet ist, steht die fortgesetzte Zerstörung der Stadt ins Haus, und man wird sich auch in der Zukunft über mangelndes Interesse von Touristen beklagen müssen. Denn eigentümlicherweise sucht der Tourist das Alte, weil er das schön findet, er sucht nicht das mehrstöckige Betonensemble mit Lego-Flair. Die Stadt schert das nicht, sie erkennt nicht ihr Potential und verscherbelt ihr Tafelsilber für zB 46 Eigentumswohnungen mit 69 Stellplätzen in der Tiefgarage.

Die Stadt legt keinen Wert auf Denkmalschutz, sie schiebt die Verantwortung von sich und sagt, das sei Sache der Eigentümer. Die aber sind häufig entweder überfordert oder gleichgültig, lassen ihr Eigentum verkommen und pfeifen auf den Denkmalschutz. Siehe beispielsweise gerade das Brückenhaus mit der Schwedenkugel. Die Stadt sagt, sie habe kein Geld, gibt aber laut Statistischem Landesamt 18% mehrfür ihre Verwaltung aus als der Durchschnitt vergleichbarer Städte. Das sind immerhin 7,2 Mio pro Jahr, jedes Jahr!

Wie man hört inzwischen sogar noch einmal 2 Mio mehr. Das ist indiskutabel. Warum funktioniert das in anderen Städten? Bamberg, Villingen im Schwarzwald, Soest oder auch Meisenheim gleich hier um die Ecke, Städte, die nicht über einen Mangel an Touristen klagen. Ich möchte deshalb mit einer Bitte schliessen: Denken Sie um! Verlassen Sie die eingetretenen Pfade Ihrer Vorgänger! Investieren Sie in die Vergangenheit und investieren Sie dadurch in die Zukunft”.

Dr. Andreas Popp hielt diese Ansprache am 24.9.2020 in der Einwohnerfragestunde des Stadtrates. Vor lauter Pandemieangst ließ ihn die Oberbürgermeisterin die Unterschriften nicht an den Tisch des Stadtvorstandes bringen, sondern Dr. Popp mußte diese im Publikumsbereich ablegen, wo sie von einem Verwaltungsmitarbeiter abgeholt wurden.