Jugendamt: Dr. Kaster-Meurer hat 800.000 Euro städtischen Mehraufwand verschwiegen

Von Gabriele Stroh
und Claus Jotzo

Schon jetzt steht fest: mindestens 800.000 Euro in 2020 und rund 900.000 Euro im kommenden Jahr ist das Defizit beim städtischen Jugendamt größer, als die Oberbürgermeisterin dies im Jugendhilfeausschuß (JHA) vor genau drei Wochen angegeben hat. Mit diesem Ergebnis schockte Wolfgang Heinrich gestern Abend in einer Sondersitzung des Finanzausschusses die ehrenamtlichen Haushaltspolitiker der Stadt. Noch am 2.9.20 hatte Dr. Kaster-Meurer behauptet, die Mehrbelastung für die Stadt durch die von ihr im Alleingang ausgehandelte neue Finanzvereinbarung der Stadt mit dem Kreis das Jugendamt betreffend liege bei “rund 1,5 Millionen Euro”.

Bereits für 2019 ein Mehr-Minus von 300.000 Euro

Schon in der Sitzung des JHA hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende Manfred Rapp diese Angabe hinterfragt. In der Folge hatte die städtische Kämmerei die Behauptung der Oberbürgermeisterin überprüft. Und festgestellt, dass aufgrund des Rechnungsergebnisses für 2019 die tatsächliche zusätzliche Mindereinnahme mit 1,8 Millionen Euro um fast 300.000 Euro über dem von der Oberbürgermeisterin angegebenen Wert liegt. Bürgermeister Heinrich dazu fast schon verharmlosend: “1.812.000 Euro sind ein recht unterschiedlicher Betrag zu den 1,5 Mio, von denen der Jugendhilfeausschuß bei seinem Beschluß ausgegangen ist”.

“Einsparungen unzulässig”

Und in den Folgejahren wird es noch schlimmer: Für dieses Jahr gab Wolfgang Heinrich das zusätzliche Defizit mit 2.295.000 Euro an, in 2021 werde sich dies auf 2.387.000 Euro erhöhen. Tendenz für die Folgejahre – weiter steigend. Den von Dr. Kaster-Meurer am 2.9.20 in Aussicht gestellten “Einsparungen” in Höhe von rund 1 Million Euro liegt eine Rechnung zugrunde, “die unzulässig ist, weil sie einfach so nicht möglich ist”, stellte der Bürgermeister fest. Denn bei den willkürlich gekürzten Ausgaben handele es sich um “gesetztliche Kosten, da kann man nicht einfach 25% kürzen”.

“Verhandlungen zum Schaden der Stadt”

Diese Beträge seien “rein willkürlich” abgezogen worden, um die Mindereinnahmen nicht als das dastehen zu lassen, was sie tatsächlich seien: das Ergebnis von “Verhandlungen zum Schaden der Stadt”. Dies habe allein die Oberbürgermeisterin zu verantworten, die vorsätzlich weder den Kämmerer noch den Sachverstand der städtischen Finanzverwaltung in die Verhandlungen einbezogen habe. Unterstützt wurden diese Ausführungen des Kämmerers von Oliver John. Der Liberale bestätigte Heinrichs Rechtsaufassung, dass die im JHA gekürzten Ansätze von den städtischen Gremien “nicht beeinflußbar” seien, sondern sich allein an den konkreten Jugendhilfefällen orientierten.

Bläsius: Befremden über die Zahlen

John erinnerte an seinen Antrag, in dem er gefordert hatte, die Oberbürgermeisterin bzw eine aussagefähige Person des Jugendamtes zur Sondersitzung zuzuladen, “um das konkret anzuspechen und zu klären, wie man dazu kommt diese “Einsparungen” vorzuschlagen”. Widerspruch kam von Hermann Bläsius. Der Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen brachte sein “Befremden” zum Ausdruck, dass “wir heute hier so die Zahlen kriegen”. Diese müßten eigentlich “für alle Ausschüsse gleich vorliegen”, also im Jugendhilfeausschuß wie im Finanzausschuß. Bläsius wies darauf hin, dass es sich bei den Angaben für 2020 und die Folgejahre um “Prognosen und nicht reale Zahlen” handele.

Zimmerlin: “es geht um viel Geld”

Um dann zum Kernpunkt seiner Argumentation zu kommen: “es geht um eine Vereinbarung, um die wir 2 Jahre gerungen haben”. Würde diese nicht abgeschlossen, sei ein Rechtsstreit mit dem Kreis wahrscheinlich, “das ist nicht das, was wir wollen und sollte nicht sein”. Nach Auffassung der Grünen sei die Sondersitzung des Finanzausschusses nicht “notwendig”, weil man das “auch in der Stadtratssitzung hätte vorlegen können”. Wilhelm Zimmerlin widersprach seinem früheren Fraktionskollegen, dem “lieben Hermann”. Das Stadtratsmitglied (FWG / BüFEP) erinnerte daran, “da es um viel Geld geht”. Daher sei die Sondersitzung des Finanzausschußes notwendig gewesen.

Henke: “das ist ja wie evangelisch und katholisch”

Durch die neue Vereinbarung werde der Landkreis um einen Millionenbetrag besser gestellt. Daher sei klar, warum der Kreistag dem Entwurf zugestimmt habe. Dies sei aber keine Vorentscheidung für den Stadtrat. Für Michael Henke geht es in der Finanz-Frage um “Glaubwürdigkeit”. Das kommunalpolitische grüne Urgestein fragte offen: “wem kann man vertrauen? Da gibt es im einen Ausschuß diese Zahlen und im anderen diese hier”. Um dann festzustellen, “ich bin doch nicht als Schiedsrichter hier, das ist ja wie evangelisch und katholisch”. Der wortgewandte frühere Pfarrer zeigte sich “empört über diese Art und Weise.

Schiffbruch wegen falscher Zahlen

Wenn man sowas macht muß der Jugendhilfeausschuß dabei sein und rückwirkend erklären, warum die auf diese Zahl kommen”. Henkes Problem: “ich muß einer Seite vertrauen können. Und ich vertraue Ihnen genau so wenig wie dem Jugendhilfeausschuß, da muß etwas Gemeinsames erarbeitet werden”. Michael Henke kündigte an aus diesem Grund an der Abstimmung nicht teilzunehmen und mahnte: “wenn wir ablehnen kann der Kreis festsetzen, was wer will.” Wolfgang Heinrich stellte dazu klar, dass er und der Finanzausschuß nichts dafür könne, “wenn die Fachdezernentin ihren eigenen Weg fährt und dann Schiffbruch erleidet, weil sie die falschen Zahlen vorgelegt hat”.

Auszug der drei Grünen

Daraufhin entwickelte sich ein mehrminütiger friedlicher Tumult, den die drei Ausschußmitglieder der Grünen durch das Zusammenpacken ihrer Unterlagen und die Abgabe von Kommentaren ausserhalb der Rednerliste hervorriefen. So kommentierte Hermann Bläsius die Heinrich-Aussagen mit “es ist lächerlich, was der Stadtvorstand macht” und “dafür ist mir meine Zeit zu schade”. Heike Fessner, Michael Henke und Hermann Bläsius verließen anschließend die Sitzung. Bürgermeister Heinrich kommentierte den Grünen-Auszug trocken mit dem Hinweis “auch das ist eine Form von Demokratie.

Oliver John (FDP) widerlegt Hermann Bläsius (Grüne)

Man kann auch die Augen zu machen, die Vogel-Strauß-Methode machen, sich Zahlen auf Zettelchen schreiben, die man gerne hätte, die aber leider nicht so sind, wie man sie gerne hätte. Man kann die Konsolidierung als Stadt mitmachen für den Kreis und zahlt zusätzlich noch eine schöne Kreisumlage”. In seinem zweiten Redebeitrag erinnerte Oliver John (FDP) daran, dass die Oberbürgermeisterin die Verhandlungen mit dem Kreis erst sehr verspätet Ende letzten Jahres aufgenommen hatte. Damit widerlegte er die Behauptung von Hermann Bläsius (Grüne), es sei zwei Jahre verhandelt worden und stellte unter Zustimmung vieler Ausschußmitglieder fest:

Laufzeit thematisiert

“Was wir jetzt hier machen hätte schon vor 12 Monaten stattfinden müssen, vor dem Auslaufen der alten Vereinbarung.” Allein aus diesem Grund, weil Dr. Kaster-Meurer die Verhandlungen nicht rechtzeitig geführt habe, “sind wir in dieser brisanten Lage”. Anschließend thematisierte John als erstes Ausschußmitglied die Laufzeit des bis 31.12.2024 datierten Vertragsentwurfes. Deren Länge und die erst ab 1. Juli 2024 mögliche Kündigung sei ein “großer Haken”, weil damit dem Stadtrat die Abgabe des Jugendamtes verwehrt werde. John plädierte für eine “maximal Laufzeit bis Ende 2021, bis man sich neu aufgestellt hat”, weil sonst die Rücknahme des Abgabebeschlusses durch die kalte Küche drohe.

Delaveaux übte fundamentale Kritik

Anschließend kam Karl-Heinz Delaveaux, der mit seinem am 29.11.2018 vom Stadtrat angenommenen Antrag die Jugendamtsdiskussionen der vergangenen fast zwei Jahre ausgelöst hatte, mit einer “fundamentalen Kritik” zu Wort. In einer Stegreif-Rede faßte der FWG / BüFEP-Fraktionsvorsitzende die Fehlleistungen und Defizite der Oberbürgermeisterin zusammen. Delaveaux erinnerte daran, dass in der Stadtratssitzung Ende November 2018 sowohl Stadtrechtsdirektorin Häußermann als auch Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer auf dezidierte, wiederholte Frage klar angegeben hätten, der Jugendhilfeausschuß sei in der Abgabefrage nicht zuständig und nicht anzuhören.

“Damals konnte man sich jeden Spaß erlauben”

Eine Rechtsfrage, die ein Gutachter der Landesregierung vor zwei Monaten ganz anders einschätzte. Delaveaux führte weiterhin das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages und den früheren Beigeordneten Horst Pfeifer als relevante Unterstützer des Abgabebeschlusses an. Im Extra-Lob für Pfeifer erwähnte Delaveaux den historischen Hintergrund der in den zwanziger Jahren gefaßten Entscheidung für ein eigenes Stadtjugendamt: “damals hat die Kur floriert, da konnte man sich jeden Spaß erlauben – heute haben wir kein Geld mehr.” Und Karl-Heinz Delaveaux stellte klar, dass es den Abgabebefürworten nicht darum gehe Jugendliche schlechter zu stellen, “so wie es im JHA dargestellt wird”.

“Kleine Unverschämtheit gegenüber der Kreisverwaltung”

In dieser Aussage verstecke sich “eine kleine Unverschämtheit gegenüber den Mitarbeiter*Innen der Kreisverwaltung, die sich künftig um den Kinder- und Jugendschutz kümmern sollten. Dr. Herbert Drumm (Freie Wähler) führte aus, was der eigentliche Anlaß für die Kündigung der alten Finanzvereinbarung war. Weil das städtische Jugendamt nicht in der Lage war nachvollziehbare und prüffähige Abrechungen vorzulegen, habe der Kreis gekündigt in der Absicht einen Vertrag auszuhandeln, um die Abrechnungsprobleme zu beseitigen. Mit einem für die Stadt ernüchternden Ergebnis, bei dem “der Kreis nun zwei Millionen besser dasteht”.

Dr. Drumm: Pyrrhussieg für den Kreis

Dies sei für den Kreis sehr schön, aber ein Pyrrhussieg. Denn der Kreis werde “2-3 Millionen Euro Mehrkosten” haben, wenn er auch das Stadtjugendamt übernehmen müsse. Dr. Drumm stellte dazu fest: “es gibt Leute, die sehr klar gesagt haben wie sie sich entscheiden werden, wenn die finanzielle Situation deutlich schlechter wird für die Stadt. Und ich denke es gibt in der Zukunft eine ziemlich klare Mehrheit für die Abgabe des Jugendamtes”. Analog zu Oliver John plädierte Dr. Drumm für eine Laufzeit von “maximal zwei oder drei Jahren”, kam aber zu dem Schluß: “wer das Jugendamt in der Stadt halten will, muß diesen Vertrag ablehnen”.

Heinrich: Stadt saniert Kreishaushalt

Bürgermeister Heinrich stützte diese Ausführungen mit dem Hinweis “wir sanieren den Haushalt des Kreises” und bezifferte die von der Stadt gezahlte Kreisumlage auf 29 Millionen Euro. Heinrich, als früheres Kreistagsmitglied auch über die dortigen Finanzen gut im Bilde, informierte den Finanzausschuß darüber, dass “die Dörfer keinen Cent für die Jugendhilfeleistungen zahlen”. Das übernehme zu 100% der Kreis, der von der Stadt verlange, 25% selbst tragen. Weil viele seiner Argumente von anderen Diskussionsteilnehmern bereits ausgeführt worden waren, meldete sich CDU-Fraktionschef Manfred Rapp erst gegen Ende der Aussprache zu Wort.

Rapp entdeckt Fehler in Jugendamts-Aufstellung

Er wies auf einen Fehler in der Aufstellung des Jugendamtes für den Jugendhilfeausschuß hin. Dort wurde der Eindruck erweckt, als habe die Stadt noch rund 3 Millionen Euro vom Kreis zu bekommen für den Abrechnungszeitraum 2015 bis 2018. Richtig ist aber, wie Bürgermeister Heinrich bestätigte, dass der Kreis der Stadt diesen Betrag in Form von Abschlägen zuviel überwiesen hat, das Geld also rückgezahlt werden muß. Dies werde im Abschluß für 2018 verbucht, kündigte Heinrich an. Das Geld wird der Stadtkasse aber erst jetzt fehlen, wenn der Kreis den Betrag von der nächsten Abschlagszahlung abzieht.

Beschluß mit 10 Ja- gegen eine Neinstimme

Am Ende beschloß der Finanzausschuß mit 10 Jastimmen gegen die Stimme von Jürgen Locher (Linke) die Empfehlung an den Stadtrat, dem Vertragsentwurf der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über Finanzausgleichleistungen des Landkreises Bad Kreuznach an die Stadt nicht zuzustimmen. An der Abstimmung nahmen teil die CDU mit vier von fünf Mitgliedern, FDP / Faire Liste und AfD mit je zwei Mitgliedern, Die Linke und FWG / BüFEP mit je einem Mitglied und Bürgermeister Wolfgang Heinrich. Damit war der Finanzausschuß trotz des Boykottes der SPD (4 Mitglieder) und des Auszuges der Grünen (3 Mitglieder) und der Abwesenheit eines Christdemokraten beschlußfähig.

Flucht aus der Verantwortung: SPD boykottiert Finanzausschuß
Bewertung von
Claus Jotzo

Gestern Abend tagte der Finanzausschuß. An einem symbolträchtigen Ort: im Feuerwehrsaal in der Gustav-Pfarrius-Strasse. Der Finanzlage der Stadt und dem Thema durchaus angemessen. Es ging um die Frage, wieviel Geld die Stadt wegen der neuen Finanzvereinbarung mit dem Kreis für das Jugendamt in diesem und in den Folgejahren mehr aufwenden muß (siehe gesonderter Bericht in der heutigen Ausgabe). Nicht beteiligt an der für die Zukunft der Stadt bedeutenden Meinungs- und Willensbildung: die Bad Kreuznacher SPD. Deren vier Ausschußmitglieder blieben dem Termin mit Absicht fern: ein Boykott.

SPD: persönliche Angriffe

In einer kurz vor Sitzungsbeginn von der SPD-Stadtratsfraktion verbreiteten Presseerklärung (Originalwortlaut unten) sagten die Sozialdemokraten die Teilnahme an der Sitzung ab. Dabei geht die SPD auf Konfrontationskurs zu ihrem Genossen Bürgermeister Wolfgang Heinrich (SPD) und allen anderen Stadtratsfraktionen, in dem sie feststellt: “Nach den Erfahrungen der Vergangenheit gehen wir davon aus, dass auch diese Sitzung nicht das Ziel hat, tatsächliche Zahlen zu erörtern und sich mit den Inhalten der Vereinbarung über Finanzausgleichsleistungen des Landkreises Bad Kreuznach an die Stadt politisch auseinander zu setzen, sondern die Oberbürgermeisterin und gewählte Mitglieder des Stadtrates persönlich anzugreifen.“

Auf kreuznachgehoert.de nachhören

Ob das so war, davon kann sich jede Einwohner*In dank kreuznachgehoert.de überzeugen (Link unten). Als Augenzeuge nahezu aller Sitzungen der städtischen Gremien und vor dem Hintergrund einer 15jährigen Erfahrung persönlicher Mitarbeit dort, darf ich feststellen: im Zusammenhang mit Fragen des Jugendamtes hat es – auch im Vergleich zu früheren Zeiten, die ich persönlich miterlebt habe – kaum persönliche Angriffe gegeben. Schon gar nicht aus den Reihen der Fraktionen von CDU, Grünen, FDP-Faire Liste, AfD, Linke und FWG-BüFEP gegen Mitglieder der SPD-Fraktion. Gerade im Punkt Jugendamt standen weitgehend Sach- und Finanzfragen im Vordergrund der Auseinandersetzung (was leider von anderen Themen nicht gesagt werden kann).

Nibelungentreue zur Oberbürgermeisterin

In der Art und Weise, wie sich die SPD-Fraktion mit ihrer Erklärung undifferenziert gegen alle anderen stellt, wird parteitaktisches Mißmanagement deutlich. Und bezogen auf ihre Nibelungentreue zur Oberbürgermeisterin erinnere ich die SPD-Fraktion gern an meinen Kommentar vom 14.1.2019, in dem ich wörtlich “die OBin als Klotz am Bein der SPD” bezeichnet habe. Trotzdem vier Monate später bei der Kommunalwahl genau das eingetreten ist und die SPD ein Drittel ihrer Sitze verlor, klammern sich die Sozialdemokraten perspektivlos weiter an die OBin und verkommen so zu einem Meurer-Kaster-Meurer-Wahlverein, der alle Fehlleistungen, Peinlichkeiten und Possen der Oberbürgermeisterin leugnet.

Termin seit Wochen bekannt

In deren Auftrag behauptet die SPD gestern, “dem Wunsch des Finanzausschusses, zu der heutigen Sitzung auch die Oberbürgermeisterin einzuladen, ist Herr Heinrich dann erst gestern Nachmittag mit der Übermittlung der Tagesordnung nachgekommen”. Diese Seite (die natürlich niemand lesen muß, aber fast alle lesen, die sich objektiv informieren möchten) hatte den Termin bereits vor mehr als zwei Wochen, am 7. September, unter der Überschrift “Jugendamt: Sondersitzung des Finanzausschusses am 22. September” angekündigt. Nicht als Folge einer Indiskretion aus dem Hauptamt. Sondern mit Quellenangabe. Nämlich des Ratsinformationssystems.

“Geschmacklosen Selbstdarstellungen”

Dort war der Termin als Mitteilungsvorlage für die turnusmäßige Sitzung des Gremiums unter Tagesordnungspunkt 8.2 angegeben. Wenige Tage später erfolgte dann die Aufnahme der Sitzung in den amtlichen Terminkalender der Stadtseite bad-kreuznach.de. Wenn SPD und Dr. Kaster-Meurer diese Quellen nicht nutzen, sagt das viel aus über deren “Arbeitsweise”. Ihre verquere Denkweise legen die Sozialdemokraten offen, in dem sie sich sieben Wochen (!) nach der denkwürdigen Hauptausschußsitzung am 3.8.2020 von dort angeblich stattgefundenen “geschmacklosen Selbstdarstellungen” distanzieren.

Unfähigkeit zur zukunftsorientierten Gestaltung

Liebe SPD-Fraktion: wenn das alles so schlimm war Anfang August, warum habt ihr das denn in der Sitzung nicht kommentiert? Und warum habt ihr dem heute von euch kritisierten FDP-Antrag, der einstimmig beschlossen wurde, zugestimmt? Diese Form rückwärtsgewandten kleinkarierten Nachkartens entlarvt sich für alle, die die Sachverhalte irgendwann erfahren, als reine Parteitaktik und die Unfähigkeit zur zukunftsorientierten Gestaltung von kommunalpolitischen Lösungen. Die Unehrlichkeit der städtischen SPD in der Jugendamtsfrage legt diese in ihrer Presseerkärung auch in einem weiteren Aspekt offen:

Örtliche Genossen konnten nicht einmal die Mainzer überzeugen

Obwohl das Thema seit mehr als 20 Jahren auf der Tagesordnung städtischer Gremien steht und obwohl der Rat der Stadt am 29.11.2018 einen Abgabebeschluß gefaßt hat, soll nach Einschätzung der SPD JETZT mit dem Land verhandelt werden. Was die Fragen aufwirft: Warum haben die beiden sozialdemokratischen Jugenddezernentinnen Martina Hassel und Dr. Kaster-Meurer das in rund 15 Jahren nicht geschafft mit der sozialdemokratischen Landesregierung? Warum konnte die örtliche SPD von der notwendigen besseren Finanzausstattung nicht einmal die eigenen Parteigenossen in Mainz überzeugen?

Macht sich die SPD überflüssig?

Wenn das vor der Flüchtlingsaufnahme 2015 und vor Corona 2020 nicht möglich war, wer soll der SPD glauben, dass es jetzt unter weitaus schlechteren finanziellen Rahmenbedingungen plötzlich möglich sein soll? Statt das Problem zu lösen, plappert die SPD-Stadtratsfraktion wieder einmal nur ihrer Parteifreundin im Stadthaus hinterher. Gestern boykottierten die Sozialdemokraten durch Nichtteilnahme ihrer gewählten Mitglieder eine Sitzung des Finanzausschusses. Wenn die Einwohner*Innen irgendwann einmal alle Fakten kennen, wird ein solcher Boykott nicht mehr nötig sein. Dann sitzen dort nämlich nicht mehr so viele SPD-Vertreter*Innen, weil sie in den Augen der Wähler*Innen überflüssig geworden sind.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

07.09.20 – “Zukunft Jugendamt: Sondersitzung des Finanzausschusses am 22. September”
03.09.20 – “Jugendhilfeausschuß der Stadt stimmt für Vergleich mit dem Kreis”
03.09.20 – “Rohrbacher (Grüne) und Hassel (SPD) setzen Sondersitzung durch”
04.08.20 – “Hauptausschuß setzt Signal zur Überlastungsanzeige aus dem Jugendamt”
04.08.20 – “Das neue Gutachten zum Jugendamt analysiert eine Gesetzeslücke”
14.01.19 – “Meinung: Kaster-Meurer setzt alles auf eine Karte”

Der Link zum Nachören der Sondersitzung des Finanzausschusses:

https://kreuznachgehoert.de/8-sitzung-des-finanzausschusses-sondersitzung-vom-22-09-2020/

Die gestrige Pressemitteilung der SPD-Stadtratsfraktion im Wortlaut:

“Pressemitteilung zur Sondersitzung des Finanzausschusses am 22.9.2020 Die SPD-Fraktion hat sich in Ihrer gestrigen Sitzung einstimmig dazu entschlossen, nicht an der für heute angesetzten Sondersitzung des Finanzausschusses teilzunehmen. „Nach den Erfahrungen der Vergangenheit gehen wir davon aus, dass auch diese Sitzung nicht das Ziel hat, tatsächliche Zahlen zu erörtern und sich mit den Inhalten der Vereinbarung über Finanzausgleichsleistungen des Landkreises Bad Kreuznach an die Stadt politisch auseinander zu setzen, sondern die Oberbürgermeisterin und gewählte Mitglieder des Stadtrates persönlich anzugreifen“, so die beiden Fraktionsvorsitzenden Dr. Claudia Eider und Holger Grumbach.

„Wir distanzieren uns als SPD-Fraktion von den geschmacklosen Selbstdarstellungen, die sich in der Sondersitzung des Hauptausschusses im August abgespielt hat“. Ausgerechnet Bürgermeister Heinrich und die bürgerliche „Allianz“ aus CDU, FDP, BüFEP und AfD(!) versuchten sich als Retter des Jugendamtes. Bis dato setzten sie sich stets für Budget–Kürzungen im Personalbereich, Befristung von Arbeitsverträgen, Einstellungsstopps und der Abgabe des städtischen Jugendamtes an den Kreis ein. In der Sitzung dann ein politisches Schaulaufen, das im Antrag der FDP gipfelte, so schnell wie möglich die freigewordenen Stellen neu zu besetzen und es da, wo es sinnvoll ist, zu Entfristungen von Arbeitsverträgen kommen soll.

Eine Farce, denn dies war bereits beschlossene Sache – und so hatte es die Leiterin der Personalabteilung Frau Merker den anwesenden Mitgliedern des Ausschusses in der Sitzung kurz zuvor mitgeteilt. Zumal es doch die Freien Demokraten waren, die im Februar noch im Hauptausschuss beantragt hatten, dass es für alle städtischen Bediensteten einen sofortigen Einstellungs-, Beförderungs- und Höhergruppierungsstopp geben soll – was soll man davon halten? Dem Wunsch des Finanzausschusses, zu der heutigen Sitzung auch die Oberbürgermeisterin einzuladen, ist Herr Heinrich dann erst gestern Nachmittag mit der Übermittlung der Tagesordnung nachgekommen.

Zu der Kurzfristigkeit der Einladung passt die Missachtung der Gemeindeordnung und damit der Oberbürgermeisterin durch Herrn Heinrich: Das Einvernehmen zur Tagesordnung gem. § 46 (3) GemO wurde im Vorfeld nicht hergestellt. Der Kreistag hat dem vorgelegten öffentlich-rechtlichen Erstattungsvertrag bereits mit breiter Mehrheit zugestimmt. Sollte der Stadtrat der Vereinbarung nicht zustimmen, wird der Landkreis die Erstattung festlegen und dann steht es dem Stadtrat nur noch frei, gegenden Landkreis zu klagen. Das sollte auch den „Finanztechnikern in der Stadt“, wie Heinz-Martin Schwerbel von der CDU-Kreisfraktion in der Kreistagssitzung den Finanzausschuss bezeichnete, klar sein.

Ob das allerdings für die Stadt ein guter Weg wäre, sei dahin gestellt, denn angesichts der finanziellen Lage des Landkreises wäre der Ausgang einer gerichtlichen Klärung offen. Wer das jetzt immer noch nicht verstanden hat, handelt fahrlässig und zum Nachteil der Stadt. Die betroffenen großen kreisangehörigen Städte sind aufgerufen, gemeinsam für eine bessere finanzielle Ausstattung durch das Land zu kämpfen und damit eine tragfähige Lösung eines adäquaten Angebotes für die Kinder und Jugendlichen in unserer Stadt zu sichern. Für die SPD-Fraktion im Stadtrat Dr. Claudia Eider (Fraktionsvorsitzende) Holger Grumbach (Fraktionsvorsitzender)”