Antrag von FWG / BüFEP: sind die Pop-up-Radwege bald wieder Geschichte?

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Kaum eine Verkehrs-Maßnahme der Stadtverwaltung hat je eine so nachhaltig negative Reaktion ausgelöst: die Pop-up-Radwege in der Gensinger Strasse sind nicht nur bei den meisten Autofahrer*Innen unten durch. Auch bekennende Radfahrer*Innen erklären in den Sozialen Medien seit Tagen ihr Unverständnis. Dazu kommt: tausende Passanten täglich sehen trotz Schulbetrieb kaum Zweiradfahrer*Innen. Was den Eindruck verstärkt, dass da massiv am Bedarf vorbei gehandelt wurde. Auch die fehlende Ankündigung und Erklärung durch die Stadtverwaltung wird von vielen Seiten kritisiert.

Bereits in der Stadtratssitzung am 27. August 2020 wollte Dr. Herbert Drumm (Freie Wähler) das Thema auf die Tagesordnung bringen. Aber sein Eilantrag fand wegen Gegenstimmen von Linken, Grünen und SPD nicht die erforderliche 2/3 Mehrheit. Gestern hat nun die Fraktion FWG / BüFEP die Initiative ergriffen und fristgerecht einen Antrag für die Stadtratssitzung am 24. September eingereicht. Der Aufhänger für Karl-Heinz Delaveaux und Wilhelm Zimmerlin ist ein brandaktuelles Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin (Aktenzeichen und Text der Original-Presseerklärung unten).

Das hatte, was erst zu Wochenbeginn öffentlich bekannt wurde, bereits am Freitag vergangener Woche die Pop-up-Radwege in der Hauptstadt für rechtswidrig erklärt. Hauptargument der Richter: “Radwege dürfen nur dort angeordnet werden, wo Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung und/oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinweisen und die Anordnung damit zwingend erforderlich ist”. Die Berliner Stadtverwaltung habe eine solche Gefahrenlage nicht dargelegt. Und sollte die Bad Kreuznacher wagen dieses Argument zu verwenden, wird sie vor Gericht vorgeführt werden.

Denn diese Stadtverwaltung tut nachweislich nicht das Mindeste, um die von dieser Seite über Monate hinweg ins Bild gesetzten Mißstände auf den bestehenden Rad- und Gehwegen zu beseitigen. Jeder automobile Schwachmat kann in Bad Kreuznach seine Bequemlichkeit zum Nachteil der schwächsten Verkehrsteilnehmer*Innen ungestraft ausleben. Gemäß den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität ist daher ausgeschlossen, dass Koblenzer Richter der Stadtverwaltung Pop-up-Radwege unter Sicherheitsgesichtspunkten genehmigen, solange die selbe Verwaltung weder gegen Rad- und Gehwegparker angemessen vorgeht.

Also endlich das tut, wofür Personal und Mittel längst vorhanden sind. In diesem Wissen hat die Fraktion FWG / BüFEP der Oberbürgermeisterin zur Vermeidung von Kosten und einer sachpolitisch folgenschweren Niederlage nahegelegt, “die Pop-up-Radwege in der Gensinger Strasse von sich aus” aufzuheben und zu entschildern. Und natürlich möchten Karl-Heinz Delaveaux und Wilhelm Zimmerlin auch einige Informationen. So die Ergebnisse der Verkehrszählungen. Die ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder möchten weiterhin erfahren, ob und mit welchem Ergebnis die Polizei eingebunden wurde.

Schließlich interessiert die Fraktion die Gründe der Stadtverwaltung dafür, “die Einrichtung der Pop-up-Radwege in der Gensinger Strasse vorab nicht im Planungsausschuß” vorzustellen. Zum guten Schluß beantragen Karl-Heinz Delaveaux und Wilhelm Zimmerlin den Punkt “Pop-up-Radwege in der Gensinger Strasse” auf die Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung aufzunehmen. Es könnte also eng werden im Sitzungssaal, wenn nur ein Teil der Kritiker das live miterleben möchte.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

29.08.20 – “Pop-up-Radweg bewirkt Rückstau”

22.08.20 – “Gensinger Strasse bekommt 2 “Pop-up-Radwege”

Der Antrag von FWG / BüFEP im Wortlaut:

Antrag und Anfrage “Pop-up-Radwege in der Gensinger Straße” Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, in der Stadtratssitzung am 27. August 2020 hat der geschätzte Ratskollege Dr. Herbert Drumm einen Eilantrag zu den Pop-up-Radwegen in der Gensinger Straße eingebracht. Dieser fand nicht die erforderliche 2/3-Mehrheit und kam daher nicht auf die Tagesordnung.

Wie Ihnen sicherlich bekannt ist hat das Verwaltungsgericht Berlin zwischenzeitlich mit Entscheidung vom 4. September 2020 einem Eilantrag gegen sogenannte Pop-up-Radwege stattgegeben. Wie die Medien bundesweit meldeten, verpflichtete das Berliner Verwaltungsgericht die Verkehrssenatsverwaltung wegen “ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit” für die acht temporären Radwege die entsprechende Beschilderung zu entfernen (Beschluss der 11. Kammer vom 4. September 2020 (VG 11 L 205/20).

# Wie sich aus der untenstehenden Pressemitteilung ergibt, hat das Gericht auf Punkte hingewiesen, die auch in Bad Kreuznach zutreffen. Auch hier wurde in den Gremien damit argumentiert Mobilität unter Pandemiebedingungen zu ermöglichen. Und auch für die Gensinger Straße gilt, was in Berlin vom Gericht gerügt wurde: die hiesige Verwaltung hat mit keinem Wort dargelegt, dass und ggf welche konkrete Gefahrenlage in der Gensinger Straße besteht.

# Wir regen daher an, dass die Verwaltung zur Vermeidung einer juristischen Schlappe die Pop-up-Radwege in der Gensinger Straße von sich aus aufhebt und entschildert.

# Wir bitten die Verwaltung uns schnellstmöglich die aktuellsten Verkehrszählungsdaten für die Straßen Konrad-Adenauer / Charles-de-Gaulles, Römerkastell, Viktoriastraße, Gensinger Straße und Planiger Straße zur Verfügung zu stellen.

# Weiterhin bitten wir um Mitteilung, ob die Pop-up-Radwege in der Gensinger Strasse vorab mit der örtlichen Polizeibehörde beraten wurden und um Mitteilung der Stellungnahme der Polizei zu diesem Vorhaben.

# Weiterhin bitten wir um Mitteilung, ob es zutrifft, dass der Vorsitzende der RAD AG, das Ratsmitglied Hermann Holste, an der Einrichtung und Ausgestaltung der Pop-up-Radwege in der Gensinger Straße zur Unterstützung der Verwaltung mitgewirkt hat und wann das Vorhaben mit welchen Argumenten in der RAD AG beraten und beschlossen wurde.

# Weiterhin bitten wir um schnellstmögliche Mitteilung, warum die Einrichtung der Pop-up-Radwege in der Gensinger Straße vorab nicht im Planungsausschuß vorgestellt und beraten wurde und wieso eine Ankündigung in der Presse zum Maßnahmestart nicht erfolgte.

# Schließlich bitten wir um Überlassung der verkehrsrechtlichen Anordnung(en) für die Pop-up-Radwege in der Gensinger Straße in Kopie und um eine Aufstellung der Kosten dieser Maßnahme inklusive Erfassung des vorhergehenden Beratungsaufwandes für dieses Projekt in der Verwaltung.

# Weiterhin beantragen wir im Sinne des gescheiterten Eilantrages von Dr. Herbert Drumm die Aufnahme des Tagesodnungspunktes “Pop-up-Radwege in der Gensinger Straße” auf die Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung. Mit freundlichen Grüssen Karl-Heinz Delaveaux

Die Presseerklärung des Verwaltungsgerichtes Berlin im Wortlaut:
Eilantrag gegen sog. Pop-up-Radwege erfolgreich (Nr. 44/2020) – Pressemitteilung vom 7.9.2020

Die Voraussetzungen zur Einrichtung acht verschiedener temporärer Radfahrstreifen (sog. Pop-up-Radwege) im Berliner Stadtgebiet lagen nicht vor. Das hat das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren entschieden. Im zeitlichen Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie ordnete die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (im Folgenden: Senatsverwaltung) in Berlin die Einrichtung von Pop-up-Radfahrstreifen an.

Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an, in der Pandemie sei es erforderlich, die systemrelevante Mobilität zu gewährleisten. Ein Großteil der Berliner verfüge über kein Auto und in öffentlichen Verkehrsmitteln sei der Mindestabstand kaum einzuhalten. Das rechtfertige es, beschleunigt und ggf. provisorisch Radwege zu schaffen. Diese seien geeignet, die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu verbessern. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit Klage und Eilantrag. Er meint, die Radwege entbehrten einer Rechtsgrundlage.

Auch hätte es einer Teileinziehung der Straßen bedurft, die fehle. Zudem dürften Radwege innerhalb geschlossener Ortschaften nur außerhalb von Fahrbahnen errichtet werden. Verkehrsfremde Erwägungen wie die Pandemie könnten zur Begründung nicht herangezogen werden. Eine konkrete Gefahrenlage, die Voraussetzung für Fahrradwege sei, sei durch die Senatsverwaltung nicht dargelegt worden.

Die 11. Kammer hat dem Eilantrag stattgegeben und den Antragsgegner verpflichtet, die entsprechende Beschilderung zu entfernen. Denn es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Radwegeinrichtung. Zwar könne die Senatsverwaltung befristete Radwege einrichten, ohne dass es einer straßenrechtlichen Teileinziehung bedürfe. Unbedenklich sei ebenso, dass der Radfahrstreifen auf der zuvor durch den Autoverkehr genutzten Fahrbahn liege und die Radwege nur befristet eingerichtet seien.

Allerdings dürften Radwege nur dort angeordnet werden, wo Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung und/oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinwiesen und die Anordnung damit zwingend erforderlich sei. Eine solche Gefahrenlage habe der Antragsgegner nicht dargelegt, sondern sei fälschlich davon ausgegangen, er müsse eine Gefahrenlage nicht begründen. Tatsachen, die auf eine konkrete Gefahr für den Radverkehr auf den betroffenen Straßenabschnitten hindeuteten, ließen sich der Begründung zur Anordnung nicht entnehmen.

Insbesondere könne die Pandemie nicht zum Anlass der Anordnungen genommen werden, da es sich dabei nicht um verkehrsbezogene Erwägungen handele. Die weitere Begründung der Senatsverwaltung bleibe ohne konkrete Belege und gehe über allgemeine, an einer Vielzahl von Straßenzügen gültige Situationsbeschreibungen nicht hinaus. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden. Beschluss der 11. Kammer vom 4. September 2020 (VG 11 L 205/20)