Bürgermeister fordert “vorenthaltene Zahlen” zum Jugendamt von der OBin

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Dr. Kaster-Meurer spricht heute im Beistand der Landrätin im Jugendministerium vor. Dabei geht es um die Trägerschaft des Jugendamtes. Und um Geld. Den Termin hatten die Oberbürgermeisterin und Bettina Dickes gestern vorbereitet. Unter Einbeziehung von Fachpersonal. Aber ohne Kämmerer Wolfgang Heinrich. Dessen Teilnahme hatte am Montag in der Sitzung des Hauptausschusses Manfred Rapp angeregt. Begründung des CDU-Fraktionsvorsitzenden: „Der kennt sich doch aus, hat alle Zahlen parat.“ Dr. Kaster-Meurer lehnte diesen Vorschlag unmißverständlich ab mit der Aussage: „Der Kämmerer kennt sie eben nicht“ (diese Seite berichtete am Dienstag).

Entspannt, aber mit dem gebotenen Ernst trug Bürgermeister Wolfgang Heinrich gestern Abend sein an die Oberbürgermeisterin adressiertes Schreiben vor.

Diese Behauptung fand gleich gestern größtes Interesse bei Wolfgang Heinrich. Der von der OBin öffentlich der Unwissenheit beschuldigte Bürgermeister reagierte, wie frau es von einem Verwaltungsprofi erwarten durfte. Er wandte sich schriftlich an die Oberbürgermeisterin. Und weil Heinrich die ihm bekannten Zahlen seit neun Jahren mit dem Finanzausschuß teilt und dessen Mitglieder daher vom Unwissenheitsvorwurf ebenso betroffen sind, trug er das Schreiben gestern gegen 20.30 Uhr den zunächst stumm staunenden, am Ende zum Teil applaudierenden, ehrenamtlichen Kommunalpolitikern vor. Auch im Hinblick auf mögliche weitere Auseinandersetzungen verlangt der Bürgermeister zunächst einmal eine Beweissicherung:

“Tonaufzeichnungen nicht löschen”

“Zum einen fordere ich hiermit zur Verifizierung der Aussagen ein beglaubigtes Wortprotokoll der vorstehenden Passage aus der Hauptausschusssitzung an und bitte zu Beweissicherungszwecken darum, die Tonaufzeichnungen der Hauptausschusssitzung vom 17.8.2020 nicht zu löschen”. Und dann geht Heinrch schnörkellos ans Eingemachte. Und fordert “auch diejenigen Zahlen an, die Sie mir offenbar vorenthalten und die ich in meiner Funktion als Kämmerer nicht kennen soll”. Bisher habe er davon ausgehen dürfen, dass die Zahlen, die ihm aufgrund seiner Haushaltsverfügungen von der Oberbürgermeisterin für den Haushalt 2020 mitgeteilt wurden und die dort auch eingeflossen sind, “auch der Haushaltswahrheit- und Haushaltsklarheit entsprechen”. Wolfgang Heinrich schlußfolgert messerscharf: “nach Ihrer Aussage ergeben sich bei mir jedoch erhebliche Zweifel daran, dass Sie mir zur Erstellung des Haushalts 2020 die korrekten Zahlen gemeldet haben. Wie sonst können Sie behaupten, dass ich die richtigen Zahlen nicht kenne”.

“Bitte” um umfassende Prüfung

Weil der Bürgermeister die seit Jahren anhaltenden, durch einen im Ergebnis verheerenden Prüfbericht des Landesrechnungshofes dokumentierten Probleme im Jugendamt nun endlich an der Wurzel gepackt sehen möchte, “bittet” er “das Rechnungsprüfungsamt um eine zeitnahe umfängliche Untersuchung des Jugendamtes, insbesondere der Haushaltsplanung und Haushaltsführung, des Controlling, der Buchführung, der Abrechnung von Leistungen mit dem Kreis, aller vertraglichen Bindungen, aller freiwilligen Leistungen, der Organisation, der Personalführung, der Geschäftsverteilung, der Geschäftsprozesse, der tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben, der Stellenbeschreibungen bzw. Tätigkeitsbeschreibungen und deren Bewertungen etc.”. Und kündigt diesbezüglich an: “sollte die von mir erbetene Untersuchung durch das RPA nicht wie von mir erbeten vollumfänglich erfolgen, leite ich den Vorgang umgehend an die ADD und den LRH weiter”.

Der Bürgermeister-Brief an die Oberbürgermeisterin im Wortlaut:

“Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer, in der gestrigen Hauptausschusssitzung sollen Sie nach einem anliegenden Beitrag auf der Homepage „Tourismusbeitrag so nicht“ vom 18.8.2020 mit der Überschrift „Der Kämmerer kennt sie eben nicht“ folgendes gesagt haben: „… Ich verhandele mit dem Ziel, dass es für die Stadt nicht teurer wird.“ Mit seiner dritten Frage in diesem Themenzusammenhang regte der CDU-Fraktionsvorsitzende an, die OB möge den Kämmerer Wolfgang Heinrich zu den Verhandlungen mit dem Kreis mitnehmen. „Der kennt sich doch aus, hat alle Zahlen parat.“ Diesen Rapp-Vorstoß bürstete Dr. Kaster-Meurer kühl ab: „Der Kämmerer kennt sie eben nicht.“

Zum einen fordere ich hiermit zur Verifizierung der Aussagen ein beglaubigtes Wortprotokoll der vorstehenden Passage aus der Hauptausschusssitzung an und bitte zu Beweissicherungszwecken darum, die Tonaufzeichnungen der Hauptausschusssitzung vom 17.08.2020 nicht zu löschen. Zum anderen, Frau Oberbürgermeisterin, fordere ich von Ihnen in Ihrer Funktion als zuständige Dezernentin und kommissarische Leiterin und stellvertretende Leiterin und Leiterin der Kitas des Jugendamtes auch diejenigen Zahlen an, die Sie mir offenbar vorenthalten und die ich in meiner Funktion als Kämmerer nicht kennen soll. Bisher musste ich davon ausgehen, dass die Zahlen, die Sie mir aufgrund meiner Haushaltsverfügungen für den Haushalt 2020 mitgeteilt haben und die dort auch eingeflossen sind, auch der Haushaltswahrheit- und Haushaltsklarheit entsprechen.

Nach Ihrer Aussage ergeben sich bei mir jedoch erhebliche Zweifel daran, dass Sie mir zur Erstellung des Haushalts 2020 die korrekten Zahlen gemeldet haben. Wie sonst können Sie behaupten, dass ich die richtigen Zahlen nicht kenne. Deshalb bitte ich das Rechnungsprüfungsamt um eine zeitnahe umfängliche Untersuchung des Jugendamtes, insbesondere der Haushaltsplanung und Haushaltsführung, des Controlling, der Buchführung, der Abrechnung von Leistungen mit dem Kreis, aller vertraglichen Bindungen, aller freiwilligen Leistungen, der Organisation, der Personalführung, der Geschäftsverteilung, der Geschäftsprozesse, der tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben, der Stellenbeschreibungen bzw. Tätigkeitsbeschreibungen und deren Bewertungen etc. Sollte die von mir erbetene Untersuchung durch das RPA nicht wie von mir erbeten vollumfänglich erfolgen, leite ich den Vorgang umgehend an die ADD und den LRH weiter”.