Aufgespiesst zur Salinenbad-Baustelle: weder ein Grundstein noch eine Zeitkapsel gelegt

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Wie sehr sich die Zeiten ändern, wurde gestern Nachmittag auf der Baustelle des Salinenbades einmal mehr deutlich. Konnte man früher Aussagen wie “Spatenstich” wörtlich nehmen, bleiben heute von Begriffen wie “Grundsteinlegung” und “Zeitkapsel” nur noch Worthülsen. Der Rohbau des Salinenbades ist – vorbildlich transparent live übertragen von einer Baustellenkamera – in den vergangenen Wochen und Monaten trotz Corona aus Sicht der Bauherren erfreulich flott vorangekommen. Mittlerweile geht die BAD GmbH davon aus, dass schon im November die wetterfeste Aussenhülle steht. Und dann der Innenausbau erfolgen kann.

Für die Männer, die das Salinenbad plangemäß in die Höhe wachsen lassen, gabs gestern – coronabedingt – nicht mal einen Händedruck. Aber leider auch keine angemessenen, wertschätzenden Worte aus Bad Kreuznach bei der Show. Und daran war die Seuche nicht schuld.

Insofern war die für Freitagnachmittag erfolgte Einladung zur “Grundsteinlegung des Salinenbades” – sicherlich auch coronabedingt – weit weg von der Wirklichkeit formuliert bzw hinkte dieser hinterher. Aber der schon im Alten Testament erwähnte – seinerzeit tatsächliche, heute symbolische – Einbau des ersten Steines für ein Gebäude ist halt ein mediengerechtes Ereignis. Weshalb der “Grundstein” des Salinenbades einige Meter über dem Fundament an prominenter Stelle im Gebäude platziert wurde. Und nach der Fertigstellung mit einer Hinweistafel versehen auch eine Art “Hingucker” werden soll. Bedauerlich war gestern, dass nicht nur die “Grundsteinlegung” um ihren Wortsinn beraubt war.

Architekt Sebastian Neuhaus, Stadtwerke-Chef Christoph Nath, Bürgermeister Wolfgang Heinrich, Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer, die bronzefarbene Zeitkapsel, BAD-Geschäftsführer Klaus-Dieter Dreesbach und die Gummi-Ente (von links hinten).

Sondern auch die öffentlichkeitswirksam präsentierte “Zeitkapsel” weder entgültig verschlossen noch eingebaut wurde. Die Oberbürgermeisterin tat wohl mit der Kelle in der Hand so, als würde sie mauern. Und der dafür angemischte Mörtel war auch echt. Aber weil der Termin halt nur für die öffentliche Show gestaltet wurde und mit den tatsächlichen Abläufen auf der Baustelle nichts zu tun hat, wurde die Zeitkapsel nach dem Fototermin dem Loch in der Mauer wieder entnommen. Zwar verlangte Dr. Kaster-Meurer von BAD-Geschäftsführer Klaus-Dieter Dreesbach eindringlich das Versprechen, dass die Zeitkapsel ganz bestimmt und tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt am präsentierten Ort eingemauert wird.

Und Dreesbach versicherte das auch sehr glaubwürdig. Aber zwischen dem tatsächlichen Verschließen und Einmauern einer Zeitkapsel und einem Vorgang, der das nur vortäuscht, besteht dann doch ein großer Unterschied. In den Zeiten, in denen Worte wie Spatenstich, Grundsteinlegung und Zeitkapsel nicht nur so dahingesagt wurden, sondern noch einen realen Bezug zum jeweiligen Baugeschehen hatten, glaubten einige Baumeister übrigens nicht nur an die richtige Mischung aus Sand, Kies, Stein, Holz und Zement – und ihre statischen Berechnungen. Sondern sahen in ihrem Werk auch eine Art Wesen. Viele der so entstandenen Gebäude stehen seit Jahrhunderten, teilweise seit Jahrtausenden.

Nach der Show: OBin weg, Ente weg, Zeitkapsel weg.

Die moderne Architektur verfolgt den Ansatz in einem Gebäude eine aktuelle Deutung der Welt zu verkörpern. Zumindest gestern ist das auf der Salinenbad-Baustelle perfekt gelungen. Die eigentlichen Hauptakteure, die Baufachleute (die wir schon aus diesem Grund gern ins erste Bild gesetzt haben), nahmen nur eine Nebenrolle ein. Der tatsächliche Finanzier der 16-Millionen-Investition, die desinteressiert-bequeme Öffentlichkeit, war durch eine handvoll Funktionäre vertreten, die eine auch höheren Ansprüchen gerecht werdende Show präsentierten. Das Gebäude mitten im Flußbett der Nahe wächst in die Höhe. Und wird sicherlich Zehntausenden Spaß bereiten. Bis zum nächsten Jahrhunderthochwasser.