Appell: nehmt euch mehr Zeit für mehr Qualität, Stadträt*Innen

Ein Kommentar
von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Auch wenn das nicht alle der 45 Mitglieder des Rates der Stadt so sehen: die Sitzungen dieses Gremiums haben eine hohe Bedeutung. Um Mißverständisse zu vermeiden: nicht wer dort Mitglied ist, erhält dadurch Bedeutung (wie das manche(r) irrig glaubt). Sondern die Sitzungen als das entscheidende demokratische Entscheidungszentrum für sich haben wegen der Relevanz und Verbindlichkeit der dort gefaßten Beschlüsse für die Einwohner*Innen diesen hohen Rang. Zwar erfolgt in den Fachausschüssen eine Vorberatung vieler Themen.

Effektiv muss nicht gut sein

Aus Sicht der Bürgerschaft ist es aber durchaus wünschenswert, wenn nach der Diskussion in einem Ausschuß einzelne Stadtratsmitglieder noch einmal nachdenken und ihre zusätzlichen Erkenntnisgewinne dann in einer Stadtratssitzung mitteilen. Wie man heute weiß, dauerten auch die ersten demokratischen Bürgerversammlungen im antiken Griechenland viele Stunden, weil eben großer Redebedarf bestand. Das Konzept der Oberbürgermeisterin, Themen und Sitzungen so schnell wie möglich durchzuwinken, mag effektiv aus der Interessenslage der Verwaltungschefin sein. Denn sie bekommt keinen Cent mehr Gehalt, selbst wenn die Sitzungen doppelt so lang wären.

Verkürzter Meinungsaustausch

Aber ob der Sache damit gedient ist, Meinungsaustausch zu verkürzen oder zu unterdrücken, darf schon aus demokratietheoretischer Sicht bezweifelt werden. Die heutige Sitzung des Stadtrates bietet eine proppenvolle Tagesordnung. Darunter sind Themen, die eine Bedeutung für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte haben. Und die Dr. Kaster-Meurer in drei oder vier Stunden “durchprügeln” möchte. So zum Beispiel die neue Gesellschaftssatzung der Gewobau GmbH. Noch vor den Stadtwerken ist dies der größte städtische Vermögenswert. An der Wohnungsbaugesellschaft sind ausser der Stadt, die rund 85% hält, mit ein paar Prozent Dritte beteiligt.

1 Sitz von 18 für 0,05%?????

Diese sollen nun alle mit je einem Sitz im Aufsichtsrat vertreten sein. Selbst eine nur 0,05% winzige Beteilligung, deren Nennwert vor Jahrzehnten ein paar hundert Mark betrug. Relativ dazu sind die Einwohner*Innen durch den Verwaltungsvorschlag krass unterrepäsentiert. Darüber zu reden könnte lohnen. Denn die Bürger*Innen könnten bei dieser Gelegenheit sehen, wer wirklich ihre Interessen verfolgt – und wer die anderer. Aber auch der Grundsatzbeschluß für eine neue Grundschule, die Aufhebung des letzten Schulkindergartens, der Lärmaktionsplan und die Veränderungen beim ÖPNV, um nur ein paar Beispiele zu nennen, reichen in ihrer Bedeutung weit in die Zukunft.

Folgenschwere “Schnell-schnell-schnell”-Entscheidungen

Und werden zeitlich weit unter Wert abgehandelt. Und das, obwohl die Ergebnisse diese “schnell, schnell, schnell”-Beratungen doch Monat für Monat offenbar werden. Beispiel Mobilitätsstation: die wird etwa doppelt so teuer, wie geplant. Der Stadtanteil steigt von 300.000 Euro auf über 1,7 Millionen. Oder das Museum für PuppentheaterKultur (PuK). Auch dessen Einrichtung wurde ruck-zuck beschlossen. Heute wird jeder Besuch dort höher subventioniert, als einer im Bäderhaus. Das selbst auch einer dieser “Alternativlos”-Sofortentscheidungsfälle ist. Alles tolle Einrichtungen.

Gern auch ein Planetarium

Aber für ein Mittelzentrum wie Bad Kreuznach alle eben auch eine oder zwei Nummern zu groß. Ich würde mich über ein städtisches Planetarium freuen. Und fahre doch gern mit hunderten von Gleichgesinnten Jahr für Jahr nach Mannheim (dort ist heute übrigens ein Beitrag über “Schwarze Löcher” zu sehen. Ich entscheide mich natürlich für die entsprechende Vorführung unter TOP 3 der heutigen Stadtratssitzung). Wenn die persönlichen Interessen von Verantwortungsträgern in möglichst kurzen Stadtratssitzungen schnell durchgesetzt werden, darf sich keine(r) wundern, wenn die ortsansässige Bevölkerung von dieser Form Kommunal”politik” sich mehr und mehr distanziert.

Aufwertung einiger Themen

Auch aus diesen Gründen ist es richtig, dass die CDU-Stadtratsfraktion eine zusätzliche Sitzung des Rates der Stadt beantragt. Denn die damit bezweckte Aufwertung der gesondert behandelten Themen kann der Sache nur gut tun. Der Vorschlag hat leider nur eine geringe Aussicht auf Realisierung. Weil das durchschnittliche Bad Kreuznacher Stadtratsmitglied lieber Zeit damit verbringt, die Bedeutung des Mandates ausserhalb der Gremien hevorzuheben, als Sitzungszeit dort zu verbringen. Aber auch der Versuch ist politisch ehrenwert. Und vielleicht springt die nötige Mehrheit ja doch über ihren Schatten …