Spaltet sich die Bewegung der Corona-Spaziergänger?

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Beim gestrigen Kornmarkt-Spaziergang waren zwei relevante Punkte anders, als bei den sechs zuvor: es gab eine Versammlungsleiterin. Und Plakate mit inhaltlichen Aussagen. Das hatte eine gravierende Auswirkung. Ein Teil der Menschen, die an den Samstagen zuvor einträchtig gemeinsam zunächst nur auf dem Kornmarkt, dann in der gesamten Innenstadt unterwegs waren, wollte unter diesen Umständen nicht mehr mit den Bannerträgern mitgehen. Dieser Teil inoffizieller Demonstranten traf sich auf dem Platz vor der Stadtbibliothek, während der andere durch Mannheimer Strasse, Roßstrasse, Kurhausstrasse und Nahebrücke über den Eiermarkt zurück zum Kornmarkt zog.

Jener Teil der Spaziergänger, der auf politische Forderungen, Plakate und eine Versammlungsleitung weiterhin verzichten möchte, traf sich auf dem Platz zwischen Kino und Stadtbibliothek. Darunter die Stadtratsmitglieder Thomas Wolff und Jörg Fechner (AfD).

Von “Spaltung” war in der Gruppe der Transparent- und Flugblattgegner die Rede. Von einigen dieser Kritiker dafür verantwortlich gemacht: Judith Nyquist. Die MTA aus Bad Sobernheim war in den vergangenen Wochen eine der Spaziergängerinnen. Und wünschte sich “mehr Aussenwirkung”. Darüber sprach sie sich nach eigenen Angaben in Internetforen mit einer Vielzahl von Mitspaziergänger*Innen aus. Und wurde nach ihrem Eindruck deutlich darin bestärkt, mehr in die Öffentlichkeit zu gehen. Ihr Anliegen: Mitmenschen aktiv zum Mitmachen ansprechen. Was beispielsweise in dem aus der von ihr angeführten Gruppe vielstimmig vorgetragenen Ruf “Schließt euch an” zum Ausdruck kam.

Judith Nyquist (mit dem roten Banner) “traute sich” und übernahm die Aufgabe der Versammlungsleiterin.

Dem Vorwurf, sie wolle die Spaziergänger-Bewegung für die Partei “Widerstand 2020” öffnen, widerspricht Judith Nyquist. “Wir sind offen für alle”, es ist “kein Politikum” geplant. Eine Trennung oder Spaltung sei ausdrücklich nicht beabsichtigt. Sondern eine noch breitere Aufstellung durch Zugewinnung weiterer Bürger*Innen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es aus Sicht von Judith Nyquist förderlich Plakate und Handzettel mit konkreten Forderungen und Aussagen beim Spazieren mitzuführen. Das aber sei nur bei einer angemeldeten Versammlung möglich.

Im Vergleich zu den Vorwochen war die Teilnehmer*Innenzahl gestern deutlich geringer.

Daher habe sie sich nach Überlegung aufgrund des Zuspruches Dritter getraut, die Aufgabe der Versammlungsleiterin zu übernehmen. Gleichwohl möchte Judith Nyquist den Charakter der Veranstaltung als “Spaziergang” aufrechterhalten und nicht verändern. Eines hat sich trotz der unterschiedlich artikulierten Verärgerung der Spaziergänger-Puristen über die gestern erstmals erfolgte “Formalisierung” nicht geändert: die friedlich-fröhliche Grundstimmung. In beiden Lagern.

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