Polizei: keine Hinweise auf versuchte Kindesentführung

In der vergangenen Woche war das in den Sozialen Medien der virale Hit: ein Vater meldete am 9. Juni per Facebook-Eintrag den knapp gescheiterten Versuch der Entführung seines Sohnes: “dies ist kein Scherz, Prank oder übertriebene Reaktion. Unser Sohn ist heute beim Inlineskaten versucht worden in einen weißen Transporter gelockt/gezogen zu werden. Er hat reagiert und konnte noch flüchten und hat es nach Hause geschafft. Die Kripo war bereits da und hat alle Infos aufnehmen können, die Nelson weitergeben konnte. Ich fühle mich verpflichtet, euch das wissen zu lassen, daher auch meine Reaktion hier in der Gruppe”.

Der angebliche Tatort soll in der Dessauer Strasse Höhe Van-Recum-Strasse liegen. Der Beitrag wurde über 1.000 Mal geteilt und zehntausendfach gelesen. Noch immer ist der Text eingestellt. Die Empörung war groß. Verdächtigungen in die abenteuerlichsten Richtungen wurden aufgestellt und verbreitet. Die Kriminalpolizei Bad Kreuznach hat dazu auf Anfrage dieser Seite gestern kurz und fündig mitgeteilt: “es hat einen Vorfall gegeben, aber keinen, der auf eine Kindesentführung o.ä. hinweist”. Der Versuch dieser Seite mit dem Vater ins Gespräch zu kommen, kam bisher leider nicht zustande. In seinem Facebook-Beitrag hat er nicht den berühmten “schwarzen Mann”, sondern auf der Basis der Angaben seines Sohnes “zwei wohl Süd oder Ost Europäer” als Tatverdächtige benannt.

Täter*Innen sind oft Verwandte oder Nachbarn

Derartige Pauschalverdächtigungen sind dazu geeignet den sozialen Frieden zu gefährden und Vorurteile zu fördern. Denn die Wahrheit ist eine andere, als unsere Vorurteile signalisieren. Ja, vielen Kindern wird in diesem Land Leid zugefügt. Es wäre fantastisch Kindern diese Erfahrungen ersparen zu können. Und es wäre wichtig die Täter*Innen hinter Schloß und Riegel zu bringen. Aber. Die Täter*Innen sind in 99% der Fälle Verwandte, Nachbarn oder Personen, denen das Kind guten Glaubens anvertraut wurde. Keine “Süd oder Ost Europäer”. Die aus Kinofilmen bekannten Menschenhändlerringe oder sexuell gestörte Psychos machen nur einen minimalen Bruchteil der tatsächlichen Verbrechen aus.

Gefahr für Kinder im sozialen Umfeld

Die Gefahr für unsere Kinder und Enkel lauert in deren direktem sozialen Umfeld. Wer aus nachvollziehbarer persönlicher Betroffenheit “Süd oder Ost Europäer” als Verdächtige anführt, lenkt damit von der übergroßen Masse der Täter*Innen ab. Damit wird unzähligen Kindern geschadet. Weil das Denken an den “bösen Fremden” den Blick unscharf macht für die Gefahr aus der Mitte der Gesellschaft. Die lauert nur sehr sehr selten in einem von fremden gesteuerten Auto (vor dem die Kinder natürlich trotzdem zu warnen sind). Sondern ungleich häufiger hinter der Wohnungstür in der Nachbar- oder Verwandschaft. Das ist zwar schwer zu akzeptieren. Aber nur wer das schafft, kann unseren Kindern wirklich helfen.