Gastbeitrag vom
Bosenheimer Ortsvorsteher
Dr. Volker Hertel
“Liebe Bosenheimer, ich wünsche Euch einen schönen Feiertag. Diesmal haben wir aber kein Video für Euch. Es ist Fronleichnam, ein sehr katholischer Feiertag, an dem der Einsetzung der Eucharistie (Abendmahl) so feierlich gedacht wird, wie es am Gründonnerstag in der Karwoche nicht möglich ist. Deshalb findet üblicherweise in den katholischen Gemeinden nach der Messe auch eine Prozession statt (das hat rein gar nichts mit den Eichenprozessionsspinnern zu tun, vor denen zur Zeit wieder gewarnt wird). So feierlich das bei den Katholiken zugeht, wenn nicht gerade Corona ist, so wenig Anklang findet das bei den Evangelischen. Klare Worte fand wie so oft Martin Luther:
„Ich bin keinem Fest mehr feind … als diesem. Denn es ist das allerschändlichste Fest. An keinem Fest wird Gott und sein Christus mehr gelästert, denn an diesem Tage und sonderlich mit der Prozession. … Darum hütet euch vor solchem Gottesdienst!“ Mit Prozessionen hat man in Bosenheim auch keine guten Erfahrungen gemacht, denn wie war das noch an jenem Sonntag, dem 12. August, im Jahre 1753? Da zog eine Prozession von Katholiken aus dem Umland auf dem Weg nach Bad Kreuznach durch Bosenheim. Zwei Männer wurden in die Kirche geschickt, mitten in den Gottesdienst und verlangten, dass solange die Glocken geläutet würden, wie die Prozession in Bosenheim sei.
Erfolglos, die Prozession zog still weiter. Nachmittags um halb fünf kam man zurück, und der Pfarrer dieser Prozession versuchte Friedhofs- und Kirchentür zu öffnen. Er wolle in die Kirche, wenn man ihm nicht öffne, so brauche er Gewalt, sagte er. Als man ihn bat, keine Gewalt zu gebrauchen, sondern in Stille und Andacht die Prozession nach Hause zu führen, antwortete er mit Schmähungen, schlug einem Bosenheimer sein Prozessionsbüchlein auf den Kopf und dem Bosenheimer Pfarrer auf die Brust. Dabei beschimpfte er den Pfarrer und nannte die Bosenheimer ungezogene Bauern. Trotz Schlichtungsversuchen entwickelte sich eine Schlägerei, und endlich gegen fünf Uhr zog die Prozession voller Unmut ab.
Ich darf Euch versichern: Das Team von Bosenfink-TV arbeitet weniger aggressionsgeladen zusammen, selbst wenn es aus einem Evangelischen, zwei Katholiken und einem Kirchenfernen besteht. Dass es kein Video gibt, liegt nur daran, dass wir keine Idee hatten, wie wir das Thema in einen Film umsetzen können. Ich wünsche Euch also im Namen von Bosenfink-TV einen schönen und geruhsamen Feiertag. Beste Grüße.”
P.S.: Die Geschehnisse während der Prozession im Jahre 1753 habe ich dem Buch von Marga Sitzius entnommen: “Bosenheim. Aus der älteren Geschichte eines Weindorfes” (dort auf Seite 90). Das Buch ist erhältlich beim Ortsverschönerungsverein. Das Luther-Zitat steht bei Wikipedia, Stichwort “Fronleichnam”.