Streit ums Brückenhaus: Eigentümer fordert 262.000 Euro – Schlosser bietet 1 Euro

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

In und um Bad Kreuznach wurde oft gekämpft. Eines der städtischen Wahrzeichen trägt den Beweis dafür stolz auf seiner Schokoladenseite. Das Brückenhaus (Postanschrift Mannheimer Strasse 94) mit der Schwedenkugel. Das 411 Jahre alte Gebäude ist also schlachterprobt. Diese Überlebenserfahrung könnte dem Haus dabei helfen, auch den aktuellen Konflikt mit nur geringen Blessuren zu überstehen. Derzeit ist es gegen das Umfallen mit Baustützen geschützt. Und anders als damals nach dem Beschuß durch die Truppen des Schwedenkönigs Gustav Adolf, schaut es heute äusserlich durchaus passabel aus. Aber im Inneren ist bzw war im wahrsten Sinne des Wortes der Wurm drin.

So hält die gestern im Planungsausschuß der Stadt beratene Vorlage zusammenfassend fest: “Unter anderem sind Balken gebrochen oder verformt und das Holz durch Schädlinge angegriffen”. Hätte Klaus Endemann (Bingen) das schon im Sommer 2017 gewußt, hätte er das Haus wohl nicht gekauft. Schon gar nicht für die 170.000 Euro, die Endemann bzw seine EDM Management GmbH laut Vertrag des Notars Bernhard Schneemann vom 12. Juli 2017 (Urkundennummer / AZ 1158) an die Verkäuferin Dr. Ingrid Karla Katharina Maria H.-K. zu zahlen hatte. Mit der Sanierung des betagten Objektes hatte Endemann den erfahrenen Architekten Sandro Ferri beauftragt. Und der ging – anders als viele seiner Vorgänger – sorgfältig und akribisch an seine Aufgabe heran.

Dabei stellten sich dann im Verlauf der Jahre erhebliche Baumängel heraus, die weniger konstruktionsbedingt sind, sondern auf unsachgemäßes Herumdoktern am Gebäude zurückgeführt werden können. Die Stadt stellt den Sachverhalt wie folgt dar (Drucksachennummer: 20/104): “über die Jahre haben verschiedene Umbauten die Statik des Brückenhauses verändert, so dass die auskragenden Balken des Erdgeschosses zu stark beansprucht wurden. Durch die zusätzliche Last sind einige Balkenabschnitte durchgebrochen, andere stark verformt. So wurde zum Beispiel eine Innenwand zurückgebaut, um einen größeren Raum im Erdgeschoss zu schaffen. Abwasserrohre, die für die Toilette eingebaut wurden, haben einzelne Balken in ihrem Querschnitt stark geschwächt.

Durch den Fassadenumbau entfernt wurde auch das Widerlager, also die Auflast im Bereich der Brücke. Hinzu kommt: Die Decke im Auskragungsbereich weist mehrere Estrichschichten mit einer Gesamtdicke von bis zu 25 Zentimetern auf. Schon früher gab es Versuche, das Gebäude zu sichern. „Im Laufe der Zeit muss es zu Setzungen und Verformungen der Decke gekommen sein, denn auf der Außenseite am Sockel finden sich unterdimensionierte U-Stahlprofile und es wurden Zusatzstreben aus Holz und Stahl eingebaut“, wurde durch Architekt Ferri erläutert. Doch nicht nur die starke Beanspruchung macht den alten Holzbalken zu schaffen. An dem gesamten freigelegten Holz entdeckten die Fachleute einen Befall durch den Hausbockkäfer.

Der ist zwar nicht mehr aktiv − an den untersuchten Stellen fanden sich keine Larven – aber im Bereich der Füllung im Fachwerk ist kein Halt mehr gegeben. Der schlechte bauliche Zustand des leerstehenden Brückenhauses ist in Teilen bereits seit Frühjahr 2019 bekannt. Bei verschiedenen Begehungsterminen mit der Unteren Denkmalbehörde und der Generaldirektion Kulturelles Erbe wurde das komplette Erdgeschoss und einzelne Wandabschnitte im Obergeschoss freigelegt, um den statischen Zustand des Haupttragwerks zu überprüfen”. Um es abzukürzen. Die Sanierungskosten liegen in der Schätzung von heute bei rund 900.000 Euro. Die Bewertung der Stadt: “Die Sanierungskosten sind für einen Investor nicht leistbar und die Stadt trägt somit auch eine Verantwortung für ihr Wahrzeichen”.

Über diese Einstellung hat sich Klaus Endemann natürlich gefreut. Und so hält die Bauverwaltung weiter fest: “der Investor will die unerwartet hohen Kosten zur Sanierung nicht alleine tragen”. Die Stadt bekommt aber nur dann Zuschüsse vom Land, wenn sie Eigentümerin ist. Also muß sie kaufen. Um anschließend die mindestens 900.000 Euro Sanierungskosten zahlen zu “dürfen”, sollen aus dem Stadtsäckel mindestens rund 262.000 Euro an den Eigentümer bezahlt werden. Denn der möchte für seinen Fehlkauf, das machte er bereits vor Monaten in einer nichtöffentlichen Sitzung im Planungsausschuß deutlich, die finanzielle Verantwortung natürlich nicht alleine tragen.

Und legte daher bei der Stadt eine sorgfältig zusammengestellte Liste aller Ausgaben samt Belegen vor, die sich auf über eine Viertelmillion Euro summieren. Laut kommunalrechtlicher Vorschriften darf die Stadt allerdings nicht mehr für ein Gebäude bezahlen, als vom zuständigen Gutachterausschuß als Wert ermittelt wird. Stadtratsmitglied Karl-Heinz Delaveaux (FWG / BüFEP) machte gestern deutlich, zu welchem Dilemma das führen kann. Wenn der Investor etwa 300.000 Euro fordert, das Wertgutachten aber nur bei 100.000 Euro liegt. Was hilft dieses Gutachten dann? Auch aus dem Kommentar des zuständigen Liegenschaftsdezernenten Markus Schlosser kann geschlußfolgert werden, dass ein Gutachten in seinen Augen nicht weiter hilft.

“Einen Euro” sollte die Stadt für das Gebäude zahlen, da es angesichts der Sanierungskosten nicht mehr wert ist. Weder die Bedenken des Ratsmitglieds Delaveaux noch des Beigeordneten Schlosser führten allerdings zu einer Veränderung der Verwaltungsvorlage, die nach kurzer Diskussion mit großer Mehrheit beschlossen wurde: “Der Ausschuss beschließt die Verwaltung damit zu beauftragen, ein Verkehrswertgutachten zu beauftragen, die Sanierungskosten zu prüfen und anschließend das Gebäude zum Verkehrswert mit dem Zweck einer Sanierung anzukaufen. Die anschließende Nutzung soll als Gemeinbedarfseinrichtung erfolgen”. Welche das konkret sein wird, blieb offen.

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