Jörg Fechner: “wir Bürger haben den Kornmarkt instandbesetzt”

Heute gegen 15 Uhr: zwei Mannschaftswagen der Polizei fahren in der Roßstrasse vor. Fußstreifen des städtischen Vollzuges laufen von der Alten Nahebrücke zum Kornmarkt. Und auf dem versammeln sich immer mehr Menschen. Am Ende sind es deutlich über 100, die sich rund um den Originalebrunnen auf dem zentralen Platz im Herzen der Stadt großflächig verteilen. Und zwar ohne Absprache, aber erkennbar in dem Bemühen, nicht zu “verklumpen”, also den Corona-Abstand wenigstens weitgehend einzuhalten.

Jürgen Locher (links) und Mike Mattern (Meine Stadt) betrachten das geschehen von der Alten Nahebrücke aus.

Keiner der Menschen ergreift das Wort. Es werden weder Transparente gezeigt noch Handzettel verteilt. In kleinen Gruppen finden Unterhaltungen statt. Unter sehr vielen unbekannten Gesichtern tauchen dann auch einige bekanntere auf: Nicole Höchst, die für die AfD im Bundestag sitzt, Jürgen Klein AfD – Landtagsabgeordneter aus Waldböckelheim, Thomas Wolff, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Rat der Stadt Bad Kreuznach.

Sein Fraktionskollege Jörg Fechner erklärt: “wir Bürger haben den Kornmarkt instandbesetzt”. Offiziell ist es keine Aktion der AfD. Laut Auskunft mehrerer Teilnehmer*Innen haben sich diese in einem Sozialen Netzwerk überregional im Internet verabredet. Die Absicht: ein stummer Protest gegen die Corona-Maßnahmen der Landes- und Bundesregierung. Entsprechend fallen dann auch die Kommentare der von uns befragten AfD-Mandatsträger aus.

Nicole Höchst ist nach Bad Kreuznach gekomnmen, “um die Lage zu beobachten”. Jürgen Klein sieht “freundliche Bürger, die sich friedlich versammeln”. Und Thomas Wolff kommentiert: “das Bild hier zeigt doch: die Leute wollen raus”. Und träfen sich zu einem Spaziergang. Als Beispiel für die Willkür und Unverhältnismäßigkeit der staatlichen Maßnahmen verweist Wolff auf die rund um den Platz sitzenden zahlreichen Eisesser*Innen: “da ist keiner 50 Meter von dem Geschäft entfernt, in dem er das Eis gekauft hat. Warum also so eine Regelung?”

Jürgen Klein spricht von einem “stillen Protest” der im Uhrzeigersinn um den Platz spazierenden Menschen. Und erinnert daran, dass “ab 2002 der Katastrophenschutz runtergefahren wurde”. Davor habe es eine Zeit gegeben, in der der Staat auf Extremsitationen vorbereitet gewesen sei. Im März 2020 habe es nicht einmal Schutzmasken für medizinisches Personal gegeben. “Hätte man das im vergangenen Jahr beschafft, hätte es ein paar Millionen Euro gekostet. Für die gesammte Bundesrepublik”, ist sich ein “Spaziergänger sicher. Jetzt würden für die Folgeprobleme Milliarden ausgegeben.

Um kurz nach 16 Uhr dann der Versuch des städtischen Vollzuges, die Veranstaltung aufzulösen. Und die per Megaphon gerufene Bitte, die für die Veranstaltung verantwortliche Person solle sich melden. Das wurde mit höhnischen Gelächter und Applaus quittiert. Wir waren bis 16.20 Uhr auf dem Kornmarkt. Bis zu diesem Zeitpunkt verhielten sich sowohl die “Demonstranten” als auch die Ordnungskräfte sehr besonnen und es kam zu keinerlei “Hakeleien”.

Auch die Antwort auf die Anfrage bei der Einsatzzentrale der Polizei (Stand 17.25 Uhr) bestätigte diesen Eindruck: “alles friedlich, keine besonderen Vorkommnisse, die der Polizeiinspektion bis jetzt bekannt geworden wären”. Und gegen 18 Uhr berichtete uns Mike Mattern, der am Aufgang zur Alten Nahebrücke ein Herrenbekleidungsgeschäft betreibt: “alle weg, nichts passiert, jetzt läuft es hier wieder sie sonst”. Was in diesem Fall meint: nicht mehr rund^^.

Der offizielle Polizeibericht von 18.46 Uhr lautet dann: “in den sozialen Medien war für Samstag, 09.05.20 um 15:00 Uhr ein Spaziergang als sogenannte Querdenker Aktion zum Thema “Coronabeschränkungen” in der Fußgängerzone von Bad Kreuznach angekündigt worden. Aus diesem Grund zeigte der Vollzugsdienst der Stadt Bad Kreuznach und die Polizei verstärkte Präsenz in der Innenstadt. Auf dem Kornmarkt in Bad Kreuznach versammelten sich zwischen 15:15 Uhr und 17:00 in der Spitze ca. 150 Personen. Diese liefen schließlich singend im Kreis um den Kornmarkt. Nach Rücksprache mit dem städtischen Ordnungsamt wurden die Personen zur Einhaltung der Abstandregeln ermahnt. Nach kurzer Zeit beendeten sie die Aktion und verblieben noch ein wenig vor Ort. Ein Eingreifen des Vollzugsdienstes und der Polizei war nicht von Nöten.

Auf dem Kormarkt präsent und diesmal besonnen Herr der Lage: der städtische Vollzugsdienst.

Die Polizeikräfte hielten sich konsequent passiv im Hintergrund. Von einer “Einkesselung”, wie ein Demonstrant feststellte, konnte in keiner Weise eine Rede sein. Die Polizeikräfte waren erfolgreich darum bemüht nicht zu einer Eskalation beizutragen. Da diese auch von den Demonstrierenden nicht beabsichtigt war, verlief sich die Aktion absolut friedlich.