Meinung zum Jugendamt: die Leitung geht – die Probleme bleiben

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die ehemals stellvertretende Amtsleiterin Christina Gei-Weyand ist seit dem 1. April schon im neuen Job bei der Lebenshilfe. Auch wenn sie auf der Stadtseite noch immer als Leiterin der wichtigen und erst vor wenigen Jahren neu geschaffenen Abteilung “Verwaltung” benannt ist. Und Sabine Raab-Zell, seit 20 Jahren Chefin des Stadtjugendamtes, geht zum 30. Juni. Das Amt, dessen Abgabe an den Kreis der Stadtrat auf Antrag der FWG am 29.11.2018 beschlossen hat, trudelt somit kopflos in die heisse Phase der internen Umstrukturierung. Der Landtagsabgeordnete Dr. Helmut Martin hat auf dem Weg über eine “Kleine Anfrage” herausbekommen, dass das zuständige Familienministerium in Mainz über Monate vollkommen untätig blieb (siehe gesonderten Bericht auf dieser Seite “Dr. Martin zum Jugendamt: “Ministerin Spiegel will sich nicht an Beschlüsse halten”).

So wurden Gespräche abgesagt oder verschoben oder Schritte zur Umsetzung des Beschlusses zurückgestellt, weil eine erneute Beschlussfassung des Stadtrats abgewartet wurde. Zu der gab es mehrere Anläufe. Bis es schließlich in der Sitzung am 27. Februar zu einer Vertagung kam, statt einer Abstimmung. Und dann zu Corona. Dem kommunalen Shut-Down fielen bisher die Stadtratssitzungen vom März und April zum Opfer. Laut Bürgerinformationssystem ist die nächste Ratsrunde für den 27. August 2020 vorgesehen. Ob dann erneut über das Jugendamt gesprochen werden wird, hängt allein vom Stadtvorstand ab. Denn aufgrund der am 27. Februar begonnenen 6-Monats-Sperre, die erst am 28.8.20 abgelaufen ist, also am Tag nach der geplanten Stadtratssitzung, sind die Fraktionen daran gehindert einen Jugendamtsantrag zu stellen.

Erneuter Beratungsversuch?

Die Verwaltung dürfte das Thema in jeder Sitzung immer wieder auf die Tagesordnung setzen. Diese muß aber von der Oberbürgermeisterin im Benehmen mit den beiden Beigeordneten festgelegt werden. Stimmen Wolfgang Heinrich und Markus Schlosser nicht zu, ist frühestens Ende September 2020 ein erneuter Beratungsversuch möglich. Durch einen Fraktionsantrag. Und wie die Abstimmung darüber ausgeht, ist eigentlich recht klar: kommt es nicht zu personellen Veränderungen in der Zusammensetzung des Stadtrates, ist von mindestens 22 Mitgliedern noch vom 27. Februar bekannt, das und aus welchen Gründen sie die Abgabe des Jugendamtes unbedingt wollen.

Wegbrechende Millioneneinnahmen

23 wollen den Beschluß vom November 2018 zwar kippen. Aber nur 21 der 23 sehen dafür eine finanzielle Perspektive im Stadthaushalt. Und so spielt es keine Rolle mehr, was die ADD zur Befangenheit von Juliane Rohrbacher (Grüne) entscheidet. Denn die durch die Coronakrise wegbrechenden Millioneneinnahmen bei der Gewerbesteuer und den Anteilen an der Einkommen- und Umsatzsteuer, machen den Erhalt des Jugendamtes nur noch dann möglich, wenn die Grundsteuer dramatisch erhöht (praktisch verdoppelt) wird. Oder nahezu alle anderen freiwilligen Leistungen der Stadt eingestellt werden. Klar ist: dafür wird sich im Rat der Stadt keine Mehrheit finden. Es ist daher schon heute abzusehen, dass das Jugendamt den Träger wechseln wird.

Untergang mit fliegenden Fahnen

Eigentlich müßten die kommenden Monate im Interesse der Kinder, Jugendlichen und Mitarbeitenden genutzt werden, um den organisatorischen Umgestaltungsanspruch so gut wie möglich vorzubreiten und zu führen. Aber das hat Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer jetzt schon 16 Monate verweigert. Warum sollte sie nun damit beginnen? Sie geht lieber mit fliegenden Fahnen unter. Und reißt so den einen und die andere noch mit. Zum Beispiel die grüne Landesfamilienministerin. Die in elf Monaten nach der Landtagswahl zur Regierungsbildung nicht mehr gebraucht wird. Wenn sich die Zustimmungswerte für die Arbeit der Großen Koalition in Berlin weiterhin so verbessern. Und grün weder für rot noch für schwarz eine Alternative mehr ist. Weil Rheinland-Pfalz dann erstmals rot-schwarz oder schwarz-rot regiert wird.