Fakten statt Panik: von 450 Tests sind nur 16 positiv

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Seit dem 17. März wurden in der Corona-Abstrichstation des Kreises 650 Tests gemacht. 450 sind ausgewertet. Und ganze 16 davon positiv. Das hat die Kreisverwaltung gestern Nachmittag auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Dieser Umstand spricht nicht gegen die Einrichtung in Bad Sobernheim. Im Gegenteil. Der Alleingang des Kreises, der die Station ermöglichte, hat bereits und wird weiter dabei helfen Fakten zu erheben gegen Panikmache und Emotion. Denn in der Dr.-Dümmler-Halle durfte sich nur testen lassen, wer vom Hausarzt überwiesen wurde. Das heisst eine fachliche Hürde war Hypochondern und Übervorsichtigen vorgeschaltet.

Ehrenamtliches Engagement gibt es nicht nur in der Nachbarschaftshilfe pp. Sondern auch im Medienbereich. Jörg Fechner (rechts) von Nahe-TV hatte gestern deren technisches Equipment in der Kreisverwaltung aufgebaut und die Pressekonferenz aufgezeichnet. Sobald sein Beitrag vorliegt, werden wir den Link veröffentlichen. Denn wie sich wer im Kreishaus geäussert hat, ist durchaus sehenswert.

Wenn die Ärzte ihrer Verpflichtung nachgekommen sind und nicht jeder Krankenhaus-Tourist eine Verordnung bekam, sondern wenigstens überwiegend echte Symptomträger*Innen, ist in der 3,6%-Quote etwas sehr Positives zu sehen: die Seuche kann mit überschaubaren Bordmitteln (Abstand, Desinfektion, Mundschutz) erfolgreich von der Masse der Menschen fern gehalten werden (was nicht erstaunlich ist, da z.B. Südkorea so auch ohne 500-Milliarden-Finanzpaket Herr der Lage wurde). Die Wirkung der seit drei Wochen beworbenen und seit einer Woche angeordneten Maßnahmen ist selbst ohne flächendeckenden Mundschutzeinsatz schon bemerkenswert. Wie gut, wurde gestern auch durch eine andere Zahl deutlich.

Gesundheitsdezernent Hans Dirk Nies, Landrätin Bettina Dickes, Kreisfeuerwehrinspekteur Werner Hofmann und Kreispressesprecher Benjamin Hilger (von rechts) standen am Freitagnachmittag 90 Minuten lang 10 Medienvertreter*Innen Rede und Antwort.

Von Donnerstag auf Freitag hat sich die Zahl der Infizierten im Kreis nur um 4 auf 77 erhöht. Ganz egal wie die Dunkelziffer ist. Die Zahl der nachgewiesenen Fälle wird ab der kommenden Woche zunächst sinken. Denn in den 77 Fällen sind auch die bereits vor Wochen festgestellten Erstpatienten mitgezählt. Aufgrund der weltweiten Erfahrungen steht fest, dass eine Corona-Infektion in 5 bis 18 Tagen überwunden ist. Da das Gesundheitsamt erst ab kommendem Montag bei den “Altfällen” ermittelt, ob und das diese geheilt sind, wird es ab Wochenanfang nicht nur Neufälle, sondern auch viele Geheilt-Abgänge geben. Auf diese Entwicklung ging Bettina Dickes am Freitagnachmittag nicht ein. Die Landrätin räumte aber ein, dass es “mit dem heutigen Stand nicht so ist, wie wir es zu Beginn vermutet haben, dass es ein exponentielles Wachstum ist. Wir haben eher lineares Wachstum”.

Ab nächste Woche ein Riesen-Problem

Um dann die sich nunmehr seit Wochen nicht in Infektionszahlen ausdrückende Gefahr mit den Worten zu beschwören, “wobei wir alle nicht wissen, ab wann der Weg nach oben geht und sich dann andere Zahlen auch zeigen”. Möglicherweise dämmert der Kreisverwaltung, dass da ein Problem auf sie zu kommt: wenn das Gesundheitsamt Ende kommender Woche, also einen Monat nachdem das Thema in Deutschland virulent wurde, für 158.000 Kreisbürger*Innen noch immer zweistellige oder sehr kleine dreistellige Zahlen von Infizierten melden darf und von “exponentiellem Wachstum” dann nicht einmal mehr Schwarzseher sprechen, wird es sehr schwer werden der Bevölkerung (vor allen den Jüngeren, Dümmeren und Verantwortungsloseren) Kontaktsperren und die Einhaltung von lästigen Regeln zu vermitteln. Ohne die wird die Infektion sich aber wieder ausbreiten. Mit diesem Hinweis mahnte gestern auch die Landrätin.

Bürokratie verhindert Sofortprogramm

Die Auflösung dieses scheinbaren Widerspruches zwischen der theoretisch großen Gefahr und der praktisch nicht erkennbaren Bedrohung wird in wenigen Tagen noch durch Emotionen erschwert werden, die nicht durch Handlungen der Kreisverwaltung ausgelöst werden. Schon seit gestern ist in den sozialen Medien eine riesige Enttäuschung erkennbar über die als “unbürokratisches Sofortprogramm” wortreich von Bundes- und Landespolitikern beworbenen Hilfsgelder. Denn die Masse der Betroffenen, also kleine Gewerbetreibende, Selbstständige und 1-Personen-GmbHs, werden auch an der Nahe aufgrund der formalen Hürden nicht – und schon gar nicht in den nächsten Tagen – in den Genuß dieser Mittel kommen. Die Folge: Daueraufträge platzen, Abbuchungen gehen zurück.

Täglich tausende Tote auch ohne Corona

Denn wieder einmal geht es deutschen Verwaltungshengsten nicht um reale Probleme echter Menschen. Sondern um Papiere. Viele davon. Mit drei Durchschlägen, links gelocht. Der dadurch entstehende Frust in Verbindung mit Verzweiflung für vom Staat zur Tatenlosigkeit Verurteilte wird es für die örtlichen Behörden praktisch aussichtslos machen, alle Teile der Gesellschaft zur Fortführung des bedrohungsgerechten Verhaltens zu motivieren. Auch die Angst vor “italienischen oder spanischen Verhältnissen” wird die Menschen dann nicht mehr in den Wohnungen halten. Zumal banale Fakten wie die Tatsache, dass in Deutschland auch ohne Corona täglich eine vierstellige Zahl von Menschen stirbt, immer breiteren Bevölkerungskreisen bewußt werden. Was dazu führen wird, dass zusätzliche 20 tägliche Coronatote nicht mehr als Extremsituation wahrgenommen werden (weitere Berichte folgen).