Jürgen Eitel (FDP): Schlamperei bei den Jugendamtsabrechnungen

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die Oberbürgermeisterin hatte die Sitzung des Hauptausschusses gestern Nachmittag pünktlich um 17.30 Uhr begonnen. Den ersten Tagesordnungspunkt, unzählige Anträge aus den Ortsbezirken, wickelte sie durch Zuordnungsvorschläge in nur drei Minuten routiniert ab. Und rief dann sofort den zweiten auf. Den Antrag der FWG/BüFEP zum Jugendamt (diese Seite berichtete). Genüßlich bot sie dem Antragsteller an, diesen zu begründen. Wohl wissend, dass in dieser Sekunde weder Wilhelm Zimmerlin (Urlaub) noch Karl-Heinz Delaveaux (unpünktlich) anwesend waren. Entspannt führte sie aus, dass der von der Fraktion geforderte Prüfbericht des Landesrechnungshofes den Fraktionsvorsitzenden im Original und den Ratsmitgliedern als PDF bereits 2014 zugegangen sei.

Antrag der Fraktion FWG/BüFEP

Und aufgrund der Forderung der FWG/BüFEP am gestrigen Nachmittag noch einmal per Email an alle verschickt wurde. Um dann darauf hinzuweisen, dass die Stadt seit einiger Zeit mit dem Kreis in Verhandlungen stehe und diese noch andauerten. Dr. Kaster-Meurer wollte den Tagesordnungspunkt schon abschliessen, da betrat der FWG/BüFEP-Fraktionsvorsitzende den Raum. Um 17.34 Uhr. Karl-Heinz Delaveaux meldete sich sogleich zu Wort. Überrascht von der Tatsache, dass sein Antrag bereits behandelt wurde, verhedderte er sich zunächst in unzutreffenden Vermutungen zum Sitzungablauf. Rang damit aber der Oberbürgermeisterin eine weitere Stellungnahme zu seinen schriftlich fixierten Fragen ab.

Lorenz hatte ein komisches Gefühl

Und deren Aufforderung an die Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes, Margit Förster, die Streitpunkte mit dem Kreis zu beschreiben. Förster versuchte diplomatisch geschickt mit sachbezogenen Hinweisen und relativierenden Formulierungen den Konflikt möglichst klein zu reden. Aber weil sie immer wieder Zahlen wie “2015” und “2017” nennen mußte, also längst abgeschlossene Haushaltsjahre, wuchs Ende 2019 das Unwohlsein im Hauptausschuß von Minute zu Minute. Mit der Aussage, “ich habe das komische Gefühl, dass unsere Verhandlungsposition nicht die Beste ist” fasste Werner Lorenz (FDP) diese gruppendynamische Entwicklung als Erster zusammen. Und fragte ganz offen: “was ist der schlimmste Fall?”

Welschbach kritisiert 4 Jahre Vorschußlorbeeren

Die Antwort der Oberbürgermeisterin erschöpfte sich in kommunalrechtlichen Hinweisen auf rechtliche Verpflichtungen des Landkreises. Es war die Art und Weise wie sie dies sagte und was sie nicht sagte, die immer mehr Kritiker auf den Plan rief. Wie Norbert Welschbach (CDU). Der war selbst viele Jahrzehnte in leitender Funktion in einer Verwaltung tätig. Und brachte sein Unverständnis über die Arbeit der Stadtverwaltung unverblümt zum Ausdruck: “Man kann doch nicht vier Jahre lang Vorschußlorbeeren kassieren”. Als ihm Dr. Kaster-Meurer daraufhin entgegnete, “es ist nicht wie bei einem Betrieb”, platzte dem immer besonnenen und konstruktiven Jürgen Eitel (FDP) der Geduldsfaden.

Eitel: “Sie hätten eingreifen müssen”

Er richtete das Wort direkt an die Oberbürgermeisterin: “Sie wissen spätestens seit 2016, dass es mit der Abrechnung nicht geht. Das ist Schlamperei. Sie hätten eingreifen müssen. Dafür sind Sie verantwortlich und sonst niemand”. Dr. Kaster-Meurer mag in diesem Augenblick erkannt haben, dass Sie dieser Schuldzuweisung mit den üblichen Ablenkungsversuchen nicht mehr entweichen kann. Mit dem eher hilflos wirkenden Hinweis, “Abrechnungen sind Fachfragen, wir haben uns immer wieder mit den Fragen auseinander gesetzt”, überbrückte sie zunächst die Schockstarre nach der Eitel-Kritik. Um dann, wie schon dutzendfach praktiziert, ein “rhetorisches Angebot” (die Kaster-Meurersche Variante einer rhetorischen Frage) zu machen.

Angebot der OBin

Sie diente jedem Frageesteller eine Aufstellung aller Emails und Besprechungstermine mit dem Kreis in der Abrechnungsfrage an. Was davon zu halten ist, wird man sehen, wenn einer der Kommunalpolitiker das Angebot annimmt. Wie die Redaktion dieser Seite das im Sommer 2018 tat. Damals ging es um den in der Darstellung der Oberbürgermeisterin schlimmen Zustand des Casinogebäudes und dem demzufolge hohen Sanierungsaufwand (aktuell etwa 7 Millionen Euro). Sie bot “allen” an, sich selbst ein Bild zu verschaffen. Als die Redaktion dieser Seite die Einladung schriftlich annahm, kam prompt die Absage: “zu gefährlich”. Ein paar Tage später durfte die CDU-Fraktion das Gebäude besichtigten.

Nicht im notwendigen Umfang bemüht

Ob die Oberbürgermeisterin entweder die Öffentlichkeit oder uns glatt angelogen hat – oder die CDU-Fraktion einem ernsthaften Risiko aussetzte, kann dahinstehen. Fakt ist: Dr. Kaster-Meurer macht unter Druck Angebote, die sie nicht einlöst. So wird es auch beim Jugendamt kommen. Oder interessant werden. Denn wenn die Terminliste der Kontakte zwischen Stadt und Kreis tatsächlich vorgelegt werden sollte, werden riesige zeitliche Abstände zwischen einzelnen Aktivitäten genau das bestätigen, was Norbert Welschbach, Jürgen Eitel, Karl-Heinz Delaveaux und andere gestern Abend kritisierten: die Stadtverwaltung hat sich eben nicht, nicht einmal annähernd, in dem Umfang um eine Lösung bemüht, wie das jeder Private in seinem eigenen Interesse getan hätte. Und wie es der Staat von seinen Bürger*Innen verlangt (weiterer Bericht folgt).

Meinung: OBin-Dämmerung

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Wenn Ende 2021 oder Anfang 2022 das Amt der Oberbürgermeisterin neu besetzt wird, tritt Dr. Heike Kaster-Meurer eh nicht mehr an. Nicht weil sie den Pensionsanspruch sicher hat. Oder wegen ihrer geringen Wiederwahlchancen. Sondern weil sie längst andere Ziele verfolgt. Politiker in Spitzenfunktionen, die für eine weitere Amtszeit nicht erneut antreten (dürfen), werden (nicht alle aber oft) allein durch diese Tatsache geschwächt. So wird der US-amerikanische Präsident in seiner zweiten Amtszeit gern auch als “lame duck” (lahme Emte) verspottet. Dr. Kaster-Meurer trifft es viel härter. Sie wurde nach der Hauptausschußsitzung gestern Abend bereits mit Mitleid bedacht, als sie allein und erkennbar frustriert den Sitzungssaal verließ.

Neues Tätigkeitsfeld bei den Narren?

Gestern in der Sitzung des Hauptausschusses wurde es das erste Mal unübersehbar deutlich: das System Meurer-Kaster-Meurer hat sein Verfallsdatum erreicht. Eine große Zahl von Kommunalpolitikern läßt sich über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg nicht länger vertrösten und täuschen. Immer mehr Verantwortungsträger möchten endlich Leistung sehen, statt Presseerklärungen und Selbstdarstellung. Die Oberbürgermeisterin ist angezählt. Der Vergleich der Termine “Hauptausschußsitzung” und “Fastnachtseröffnung” zeigt: Dr. Kaster-Meurer hat in den Gremien mittlerweile weniger Freunde, als bei den Narren. Und könnte dort – eher als gedacht – ein neues Tätigkeitsfeld finden.

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