Grüne thematisieren Versiegelung

Einer Studie des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) zufolge ist unsere Stadt die drittstärkste versiegelte Stadt in Rheinland-Pfalz. Deutschlandweit belegt Bad Kreuznach den 8. Platz unter allen Städten. Bei dieser Studie wurde der Versiegelungsgrad in den Siedlungsgebieten von bundesweit 134 Städten geprüft. Bad Kreuznach weist eine Flächenversiegelung von 60,3 % auf, damit übertreffen wir sogar eine Großstadt wie Mainz, wo 56 % versiegelt sind. Laut GDV ist die dichte Bebauung von Städten angesichts der wachsenden Gefahr von Extremwetterereignissen wie Starkregen problematisch.

Versiegelte Flächen verhindern, dass Regenwasser im Boden versickert. Dies könne bei extremen Regenfällen zu Überschwemmungen mit erheblichen Schäden führen. Bei der tödlichen Flut im Ahrtal im Juli 2021 war etwa nach Einschätzung von Expertinnen und Experten die Versiegelung des Bodens ein entscheidender Faktor: der Starkregen hatte nur noch wenige Abflüsse, das Wasser „staute“ sich. „Die Kanalisationssysteme in den Städten sind nur für bestimmte Wassermengen ausgelegt”, so die Grünen.

“Einem extremen Starkregen halten sie in der Regel nicht stand.“ Die Grünen nennen die Überflutung der Stadt Münster als Beispiel: dort fielen 2014 bis zu 290 Liter Regen pro Quadratmeter in nur sieben Stunden. Das Kanalisationssystem konnte das Wasser nicht mehr aufnehmen. Die Folge: Münster stand unter Wasser. In Deutschland regeln das Raumordnungsgesetz und die Flächennutzungspläne, welche Flächen bebaut werden dürfen – und welche nicht.

Aber auch die Entsiegelung gehöre nach Auffassung der Grünen dazu. „Um weiterer Flächenversiegelung vorzubeugen, soll bei Baugenehmigungen immer eine verpflichtende Klima-Gefährdungsbeurteilung erfolgen”, so die Grünen. “Bei Projekten mit großer Flächenversiegelung sollten deshalb innerhalb des Stadtgebietes ökologische Ausgleichsflächen geschaffen werden“. Eingriffe in Natur und Landschaft müssen, so die Grünen, vor Ort kompensiert werden.

Im Zusammenhang mit dem geplanten Neubaugebiet in der Humperdinckstraße wurden die Ausgleichsflächen nämlich in den Stadtwald verlagert. Damit könne nach Auffassung der Grünen die Neuversiegelung eben nicht kompensiert werden. Innerhalb unseres Stadtgebietes stehen für eine Kompensation z.B. riesige Parkplätze, wie das Wassersümpfchen und der Neuruppiner Platz zur Verfügung. Auch bei Wegfall dieser Parkflächen stehen nach Auffassung der Grünen genügend Parkmöglichkeiten durch die stadtnahen Parkhäuser zur Verfügung.

Unsere Stadt könnte bereits jetzt schon einiges tun, um z.B. das Konzept der Schwammstadt, das Städtebau und Starkregenschutz miteinander in Einklang bringt, zu realisieren, so die Grünen. Schwammstadt ist ein Konzept der Stadtplanung, anfallendes Regenwasser in Städten lokal aufzunehmen und zu speichern, anstatt es lediglich zu kanalisieren und abzuleiten. Weitere Maßnahmen wären auch begrünte Dächer. Die grüne Stadtratsfraktion wird in der nächsten Sitzung des Stadtrates hierzu einen konkreten Antrag stellen.

Text: Lothar Bastian und Hermann Holste, Stadtratsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen Bad Kreuznach

Lieber Lothar, lieber Hermann: ehrlicher und lösungsorientierter bitte
Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

Es ist vollkommen ok, wenn Stadtratsmitglieder auch überörtlich promotete Themen aufgreifen und auf die kommunale Ebene herunterbrechen. Versiegelung ist eines dieser Probleme, bei denen es nicht schadet, wenn das regelmäßig geschieht. U.a. weil Entsiegelung leider noch überhaupt kein Thema ist. Insofern darf sich die Öffentlichkeit auf den von Lothar Bastian und Hermann Holste angekündigten Antrag freuen.

Allerdings sollten sich die Grünen dabei bemühen, die realen Probleme und örtlichen Verhältnisse einerseits und ihr persönliches Beratungs- und Abstimmverhalten in den städtischen Gremien andererseits nicht aus den Augen zu verlieren. Denn fakt ist: die Versiegelungsquote Bad Kreuznachs läge bei deutlich über 70% und wäre damit trotz viel Grün im Stadtgebiet (und im Stadtrat) einer der höchsten landesweit, wenn 1969 nicht Bosenheim eingemeindet worden wäre.

Das von den Grünen als Referenz benannte Mainz hat einige Dörfer eingemeindet, darunter Weinbau- und Landwirtschaftsgemeinden. Von deren nicht versiegelten Großflächen profitiert die Statistik der Landeshauptstadt noch heute. Und noch ein Fakt: das schlimmste und folgenreichste Hochwasser auf Bad Kreuznacher Gemarkung nach einem Starkregenereignis war nicht eines der Nahe. Sondern eines des Ellerbaches. Am 12. Mai 1725. Da gabs null Versiegelung durch Strassen oder Parkplätze.

Und die durch Gebäude betrug nicht 10% der von heute. Das Hochwasser in der historischen Neustadt stand 1,70 Meter höher, als etwa 1993/95. Also Lothar und Hermann, bitte ehrlich bleiben und alle Fakten und Umstände angeben. Es ist zwar richtig, dass das Bildungsniveau gesunken ist. Aber den Unterschied zwischen Äpfeln und Birnen kennen doch immer noch viele Mitbürger*Innen. Auch den zwischen wohlfeilen Antragsankündigungen und der harten Ausschußarbeit.

Dort wurde erst jüngst die Umwandlung einer 600 Quadratmeter großen Wiesenfläche in eine Beton- oder Asphaltplatte von den Grünen sogar ausdrücklich begrüsst. Als die Rollbrettgruppe ihre Pläne für ein Skater-Erlebnis-Zentrum im Moebus-Stadion im Jugendhilfe- und im Sportausschuss vorstellte. Ich fand das Konzept auch toll. Auch ich hätte dafür gestimmt. Aber ich als Ausschussmitglied hätte die vielköpfige Gruppe um etwas gebeten.

Nämlich mit der selben Energie und dem selben Engagement, mit dem sie den Standort für ihr Skater-Projekt gesucht haben, eine Vorschlagsliste für Teilflächen in zusammen ähnlicher Größenordnung zusammenzustellen, die entsiegelt werden können (kann man übrigens immer noch machen). Da kam von den Grünen leider nichts in diese Richtung. Weder im einen noch im anderen Ausschuss. Also bitte die Rats- und Ausschussarbeit den Presseerklärungs- und Antragsinhalten anpassen. Danke.