Kirschblüte auf der Roseninsel

Johann Wolfgang von Goethe hat den Zeitpunkt für den Frühjahrsspaziergang mit seinem berühmten Gedicht (untenstehend) im Faust auf Ostern fixiert. Wer die Kirschblüte auf der Roseninsel in ihrer vollen Pracht genießen möchte, sollte nicht bis zu den Feiertagen warten. Sondern schon in den sonnigen Tagen davor den Weg zur Priegerpromenade einschlagen. Darauf hat freundlicherweise gestern die Stadtverwaltung aufmerksam gemacht. Denn wer dort nicht jeden Tag unterweges ist, wie die Stadtgärtner, verpaßt leicht den Beginn der Kirschblüte. Sie steht als Symbol für die Zerbrechlichkeit und Schönheit des Lebens. Denn die Saison der Kirschblüte ist sehr kurz.

Goethe’s Osterspaziergang entstand 1801 und feiert daher seinen 222 Geburtstag

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorten sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt’s im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen, finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden;
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit’ und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.”