Die normalen Leute stoßen am 1. Januar auf das neue Jahr an. In mehr oder weniger privatem Rahmen. Eine zweite Welle der Neujahrswünsche folgt nach der Rückkehr der Jahreswechsel-Urlauber. Danach sind es eigentlich nur noch Politiker*Innen, Vereine und Verbände, die zu organisierten Neujahrsgrußevents einladen. Wobei es da kaum noch um Wünsche für das neue Jahr gehen kann. Denn dessen Lebensrealität hat die Menschen ja bereits ab dem 1.1. voll in Anspruch genommen. Nach den ersten Wochen sind die meisten guten Vorsätze längst den Weg alles Irdischen gegangen. Die Feierlaune ist dem Alltag gewichen.
Zumal es den Veranstaltern sogenannter Neujahrsempfänge ja auch nur am Rande auf das neue Jahr ankommt. Sondern organisationsübergreifend – selbstredend legitime – Selbstdarstellung im Vordergrund steht. Demzufolge finden die Veranstaltungen nicht kurz und knackig statt. Sondern leiden oft darunter, dass die Redner*Innen die Goldene Regel für Personen mit Mikrophonzugang allzu eigennützig mißachten: nämlich über alles zu sprechen – nicht aber über fünf Minuten. Während mittlerweile im Stadtrat sogar auf Etat-Reden, wenn es also immerhin um die Rechtfertigung der Verwendung von Steuergeld geht, ganz verzichtet wird, werden Neujahrsempfänge der Parteien zur Bühne für rhetorische Ambitionen.
Wobei das Publikum – anders als in den kommunalen Gremien – mit Getränken und Bretzeln bei Laune gehalten wird. Was dazu führt, dass diese Veranstaltungen oft stundenlange Ereignisse sind. Und daher zwei nicht an einem Tag stattfinden können. Wegen der sich daraus und der Vielzahl der Veranstalter ergebenden Terminnot, entstand in der Vergangenheit schon oft die in der Bevölkerung belächelte Situation, dass auch Anfang Februar eines Jahres noch Neujahrsempfänge stattfanden bzw stattfinden. Der CDU-Stadtverband räumt in diesem Jahr mit jedwelchen Hemmungen bezüglich der Frage, bis zu welchem Tag das neue Jahr noch glaubwürdig begrüsst werden kann, nachhaltig auf.
Bereits im Dezember 2022 erfreute Vorsitzende Erika Breckheimer ihre Parteifreunde nicht nur mit Weihnachtsgrüssen. Sondern mit der Ankündigung, dass der Neujahrsempfang der von ihr geführten CDU am 4. März 2023 stattfindet. Als Frühlingsempfang. Mitglieder und Freunde des CDU Stadtverbandes sollen zehn Tage nach Aschermittwoch “auf ein erfolgreiches neues Jahr mit einem Glas Sekt anstossen”. Das Motto der CDU könnte also sein: “Hauptsache es prickelt”. Eines ist der CDU mit diesem Termin-Coup in jedem Fall sicher: Aufmerksamkeit. Denn Neujahrssekt im März ist ein beispielloses Alleinstellungsmerkmal.